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Nur zehn Prozent der Führungskräfte verfolgen ihre Ziele konsequent bis zum Erfolg. Die Schlüsselkompetenz, die den übrigen Führungskräften fehlt, wird als „Volition“, auch Willenskraft oder Umsetzungskompetenz, bezeichnet. Wer über die Fähigkeit zur entsprechenden Selbststeuerung verfügt, erfüllt die Voraussetzung für überdurchschnittliche Leistungen.

Herr Y, Marketingleiter eines internationalen Biotech-Unternehmens, ist fassungslos über die Absage zu seiner sicher geglaubten neuen Stelle. Sein Arbeitszeugnis ist voller Lob über seine Erfahrungen und sein Engagement. Neben seinen fachlichen Fähigkeiten werden seine außerordentliche Leistungsstärke und Motivation hervorgehoben. Auch als Persönlichkeit hat Herr Y mit seinen sozialen Kompetenzen überzeugt. Leider fehlt eine entscheidende Information. Man findet nichts über messbare Ergebnisse. Und damit wird das Lob ins Gegenteil verwandelt: Er hat große Räder gedreht, dabei aber nicht viel umgesetzt – im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die mit eher bescheidenen Ressourcen beeindruckende (unternehmerische) Erfolge erzielen. Man denke etwa an die vielen mittelständischen Weltmarktführer (Hidden Champions).

Das Beispiel zeigt: Fachliches Können, Motivation und Leistungsbereitschaft allein reichen bei weitem nicht aus, um beruflich erfolgreich zu sein. Viele Führungskräfte sind zwar fachlich versiert, arbeiten mehr als 60 Stunden die Woche und haben ambitionierte Ziele. De facto wissen sie jedoch nicht, worauf es wirklich ankommt. Oder sie sind höchst motiviert, verzetteln sich jedoch und tun sich schwer, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Gemeinsam haben diese Führungskräfte, dass sie am Ende ihre Ziele nicht erreichen. Denn ihnen fehlt die Volitionskompetenz.

Volition heißt so viel wie Willenskraft. Konkret gemeint ist die Fähigkeit, Vorhaben und Ziele auch wirklich in Ergebnisse umzuwandeln. Dass besonders erfolgreiche Führungskräfte über diese Fähigkeit verfügen, zeigt eine Studie des Instituts für Management-Innovation mit Sitz in Bad Soden am Taunus für die 32 Geschäftsführer mittelständischer Weltmarktführer – so genannte Hidden Champions – in Tiefeninterviews befragt wurden. Bei der Analyse der Gespräche kam heraus, dass die Unternehmer trotz äußerst unterschiedlicher Persönlichkeitsmerkmale und beruflicher Erfahrungen eines gemeinsam haben: Die Fähigkeit, Ziele und Absichten mit Willenskraft systematisch in die Tat oder in messbare Ergebnisse umzusetzen – und zwar aus eigenem Antrieb und ohne Motivation durch Andere.

Volition ist die Fähigkeit zur Selbststeuerung

Der Managementvordenker Peter Drucker hat bereits 1954 in seinem Buch „The Practice of Management“ indirekt auf die Bedeutung der Volition verwiesen, forderte er hier doch eine Managementpraxis, die auf der Fähigkeit zur Selbststeuerung beruht. Später bezeichnete Drucker die Fähigkeit, sich als Führungskraft selbst ergebnisorientiert steuern zu können, gar als Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts.

Mittlerweile belegen Studien der Neurowissenschaften, Psychologie und Managementwissenschaft die hohe Bedeutung der Volition: Menschen mit ausgeprägten Fähigkeiten zur Selbststeuerung, so zeigen die Befunde, erbringen überdurchschnittliche Leistungen, leiden weniger unter Stress, entwickeln bessere persönliche Beziehungen und bewältigen emotional belastende Situationen wesentlich effizienter. Kurzum: Sie sind beruflich wie privat erfolgreicher, da sie über die nötige Willenskraft und Kompetenz verfügen, um Hindernisse und Rückschläge zu überwinden und um unbeirrt auf Kurs zu bleiben, bis sie ihr Ziel erreicht haben.

Forscher der London Business School und der Universität St. Gallen haben vor einigen Jahren herausgefunden, dass Volitionskompetenzen – auch als Umsetzungskompetenzen bezeichnet – erforderlich sind, um den wachsenden Anforderungen des Arbeitslebens zu entsprechen und Wirkung zu erzeugen. Doch nur zehn Prozent der Führungskräfte verfügen über die geforderten Umsetzungskompetenzen, während rund 40 Prozent extrem fleißig bis hyperaktiv, aber erfolg- bzw. wirkungslos sind und die übrigen 50 Prozent als zaudernd oder distanziert gelten. Unternehmerisch wichtige Aufgaben schieben sie vor sich her. Stattdessen sind sie ständig damit beschäftigt, Fehler vermeiden zu wollen.

Volition umfasst fünf Teilkompetenzen

Wie lässt sich feststellen, wie willensstark ein Mensch ist? Willenskraft als Ganzes ist schwer fassbar. Doch inzwischen weiß man, dass Volition aus fünf Teilkompetenzen besteht, die sich wiederum als Verhaltensbeschreibungen darstellen und somit auch messen lassen:

1. Aufmerksamkeitssteuerung und Fokussierung

Willensstarke Menschen mobilisieren ihre Energie durch eine konsequente Fokussierung auf klare Ziele, die sie aus ihren authentischen Werten herleiten. Das gibt ihnen die Kraft, zahlreiche Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden.

2. Emotions- und Stimmungsmanagement

Wer über eine hohe Volition verfügt, kann sich sehr gut in eine positive Stimmung versetzen und ist darüber hinaus in der Lage, konstruktiv mit negativen Gefühlen umzugehen. Solche Menschen lassen sich von dem Prinzip leiten, dass positive Gefühle bei der Umsetzung von Absichten helfen. Zudem können sie sich gut in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer hineinversetzen und deren Verhalten antizipieren.

3. Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke

Die Fähigkeit zur Selbststeuerung schließt eine starke Selbstwirksamkeitsüberzeugung ein. Willensstarke Menschen sind sich ihrer Fähigkeiten bewusst und vertrauen auf diese. So finden sie auch immer Mittel und Wege, um aus Schwierigkeiten zügig herauszukommen. Widerstände und Probleme werden insgesamt als (machbare) Herausforderungen begriffen.

4. Vorausschauende Planung und Problemlösung

Willensstarke Menschen sind pro-aktiv und vorausschauend. Sie erledigen unangenehme und schwierige Probleme sofort, statt sie „auszusitzen“ oder Entscheidungen vor sich her zu schieben. Unter Planung verstehen sie in erster Linie nicht die Voraussage der Zukunft, sondern die Vorbereitung auf eine ungewisse Zukunft.

5. Zielbezogene Selbstdisziplin

Menschen mit hoher Volition erkennen früher als andere, was in einer Situation notwendig ist und setzen ihre Erkenntnisse konsequent um. Sie verfügen über ein hohes Maß an Selbstdisziplin und können plötzliche Impulse, Ablenkungen oder „Verlockungen“ wirksam kontrollieren. Diese Disziplin kommt nicht aus einem selbst auferlegten Zwang. Vielmehr erkennen sie den tieferen Sinn in dem, was sie tun.

Weitere Artikel dieser Serie:

Volition: die Fähigkeit zur Selbststeuerung (Teil II)

(Bild: © Kaarsten – Fotolia.com)

Dr. Waldemar Pelz

Dr. Waldemar Pelz ist Professor für Unternehmensführung und Betriebswirtschaftslehre an der FH Gießen. Der renommierte Führungskräfteentwickler leitet zudem das Institut für Management-Innovation als Steinbeis Transferzentrum in Bad Soden am Taunus.

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