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Der Markt ist schlecht. Diese Klage hört man oft von Beratern – gleich welcher Couleur. Dabei gibt es den Bildungs- und Beratungsmarkt gar nicht. Vielmehr muss jeder Anbieter seinen eigenen Markt (er-)finden.

Mittwochmorgen auf der Messe „Zukunft Personal“. Der Autor berät Trainer, Berater und Coaches in Marketingfragen. Ein Gespräch ist beendet, der nächste „Klient“ überreicht dem Autor seine Visitenkarte und den Flyer, mit dem er seine Leistungen Kunden anbietet. Auf beiden steht dick und fett: „Heinz Wolf – Erfolgskonzepte“. Darunter: „Beraten – Trainieren – Coachen“.* Unwillkürlich denkt der Autor: Schon wieder so ein „Pädagoge“, der denkt, wenn ich mit meinen Leistungen Unternehmen beglücke, verdiene ich mehr Geld. Wenig überrascht ist er denn auch, als der Berater sagt, wo ihn der Schuh drückt: Seine Marketingaktivitäten haben null Resonanz.

Mit offenem Munden steht der Autor aber da, als sein Gegenüber ihm auf Nachfrage erzählt, was er tat, bevor er sich vor zwei Jahren für den Beraterberuf entschied. Der Mann hat ein Ingenieur- und ein BWL-Studium abgeschlossen. Er leitete zehn Jahre Mega-Projekte im Anlagenbau – im In- und Ausland. Kurz: Der Mann ist ein ausgebuffter Profi, der sofern er die richtigen Kunden ansprechen würde, diese sofort überzeugen könnte „Ich bin für Sie der richtige Mann“.

Doch nicht nur dies. Er könnte, wenn er ihnen die richtigen „Produkte“ anbieten würde, auch weit höhere Tagessätze erzielen als die 600 Euro, die er zurzeit als Referent bei IHK-Seminaren erhält. Der Mann hat nur ein Problem: Er ist sich seiner Kompetenzen nicht bewusst. Also kann er auch nicht seinen Markt definieren und eine Strategie entwickeln, wie er sich diesen erschließen kann. Stattdessen versucht er im Blindflug sein Glück.

Machen Sie Ihre Hausaufgaben

Ähnliche Erfahrungen sammelt man nicht nur im Umgang mit vielen (Einzel-)Trainern und Beratern, sondern auch großen Bildungs- und Beratungsanbietern. Die Verantwortlichen in ihnen nehmen ihre Kernaufgaben nicht wahr. Sie haben weder die Stärken ihrer Organisation analysiert und definiert, noch daraus abgeleitet, was sie von ihren Mitbewerbern unterscheidet. Folglich können sie auch keine Strategie entwickeln, um sich ihren Markt mit System zu erschließen; des Weiteren keine (Etappen-)Ziele definieren, um zu kontrollieren, ob sich ihr Unternehmen auf dem richtigen Kurs befindet. Also können sie den Erfolg ihrer Unternehmen weder planen, noch steuern.

Eine Ursache, warum die Manager vieler Beratungsunternehmen hiermit Probleme haben, ist: Sie stehen beim Entwickeln ihrer Marktbearbeitungsstrategie vor teils anderen Herausforderungen als die Hersteller von Konsum- und Gebrauchsgütern:

  • Ihre Unternehmen agieren in einem Markt, dessen Volumen niemand kennt.
  • Sie vermarkten eine Leistung, bei deren Kauf die Kunden aufgrund ihres immateriellen Charakters ein hohes (Kauf-)Risiko empfinden. Und:
  • Sie produzieren eine „Ware“, die weder gelagert, noch transportiert werden kann.

Hieraus resultieren folgende Aufgaben für die Manager von Beratungsunternehmen. Sie müssen

  • den Markt für sich transparent gestalten, damit sie realistische Ziele für ihr Unternehmen und die richtigen Maßnahmen, um sie zu erreichen, formulieren können,
  • das von den Kunden empfundene Kaufrisiko minimieren, damit diese sich leichter für den Kauf ihrer „Produkte“ entscheiden und
  • für eine relativ gleichmäßige Auslastung ihrer Unternehmen sorgen, damit deren Auftrags- und Ertragslage nicht einer Achterbahnfahrt gleicht.

Doch wie können sich die Manager von Beratungsunternehmen einen Überblick über ihren Markt verschaffen? Mit Hilfe von Studien? Nein, denn deren Ergebnisse spiegeln bestenfalls Teile der Marktoberfläche wider. Oder indem sie auf Trends bauen, die von „weisen Sehern“ verkündet werden? Wer dies tut, ist verloren, denn diese Prognosen sind meist nur subjektive Markteinschätzungen oder sie spiegeln Moden wider.

Schaffen Sie Ihren eigenen Markt

Doch wie sonst können Bildungs- und Beratungsanbieter ihren Markt transparent gestalten? Ganz einfach, indem sie ihn selbst definieren. Denn der Bildungs- und Beratungsmarkt ist ein virtuelles Gebilde, dessen Grenzen man beliebig bestimmen kann. Diese Freiheit sollten die Anbieter nutzen.

Eine Sprachschule hat eine andere Klientel als ein Anbieter von IT-Trainings. Und ein Anbieter von Sprachreisen hat wiederum einen anderen Markt als ein Sprachinstitut, das Fremdsprachentrainings in Unternehmen durchführt. Das heißt, auch den Markt für Sprachunterricht gibt es nicht. Also kann eine Sprachschule ihren Markt auch wie folgt definieren: Unsere Zielgruppe sind alle Personen, die

  • beruflich bedingt, fundierte englische oder spanische Sprachkenntnisse brauchen,
  • im Zentrum Hamburgs leben oder arbeiten und
  • bereit sind, für einen hochwertigen, muttersprachlichen Unterricht 60 Euro/Stunde zu bezahlen.

Eine solche Marktdefinition hat folgende Vorteile: Sie macht den Markt überschaubar, und zwar in zweierlei Hinsicht:

  • Sie beschreibt die Zielkunden. Folglich kann auch ihr Bedarf ermittelt werden. Und:
  • Aus ihr lässt sich ableiten, wer die realen (statt potenziellen) Mitbewerber sind.

Ein weiteres Beispiel. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es eine schier endlose Zahl von Konflikttrainern, -beratern, -moderatoren und -coachs. Was spricht dagegen, dass ein Berater, sofern er über eine passende Biografie verfügt, seinen Markt wie folgt definiert: „Meine Zielgruppe sind Dienstleistungsunternehmen mit vielen Außendienstmitarbeitern, bei denen oft Konflikte an der Schnittstelle Innen-Außendienst entstehen.“ Auch hier gilt: Der Markt ist klar umrissen, und aus der Definition lässt sich ableiten, welche (Personen und) Organisationen zur Zielgruppe des Beraters zählen (und welche nicht). Hinzu kommt: Der Berater hebt sich mit diesem Profil von der Masse seiner Mitbewerber ab. Das hilft ihm, seinen potenziellen Kunden darzulegen, warum sie sich für ihn und nicht für einen Mitbewerber entscheiden sollten.

* Der Name des Beraters wurde geändert

(Bild: © iQoncept – Fotolia.de)

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Bernhard Kuntz

Bernhard Kuntz (geb. 1958) ist Inhaber des PR-und Redaktionsbüros Die ProfilBerater. Er ist auf die Themen Marketing und Verkauf sowie Personal- und Unternehmensführung spezialisiert. Er ist Autor der Bildungs- und Beratungsmarketing-Fachbücher „Die Katze im Sack verkaufen“ (2005) und „Fette Beute für Trainer und Berater“ (2006). Außerdem veröffentlichte er die PR-Ratgeber für Dienstleister und Berater „Warum kennt den jeder?" (2008) und "Mit PR auf Kundenfang" (2010).

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