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In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind die Ressourcen von Unternehmen meist sehr begrenzt. Also muss gerade in ihnen das Verschwenden von Zeit und Geld vermieden werden. Entsprechend konsequent sollte (nicht nur) in Krisenzeiten das Handeln von Führungskräften sein. Denn Inkonsequenz bedeutet letztlich stets Verschwendung.

Alltag in vielen Unternehmen: Die Geschäftsleitung definiert Ziele, die es im kommenden Jahr zu erreichen gilt. Zum Beispiel: Die Umsatzrendite soll elf Prozent betragen. Oder: Der Marktanteil für das Produkt X soll um acht Prozent steigen. Daraufhin setzen sich die Führungskräfte der Bereiche mit ihren Mitarbeitern zusammen, um zu ermitteln, was dies für ihre Arbeit bedeutet, und zu vereinbaren, was es zu tun gilt, damit ihr Bereich den nötigen Beitrag zum Erreichen der Ziele leistet.

All das wird genau definiert und auf Papier fixiert. Doch dann kehren die Beteiligten zur Alltagsarbeit zurück und ihr Blick richtet sich wieder auf ihre Schreibtische, die vor Aufgaben überquellen. Und nur wenige Tage später sind zahlreiche Vereinbarungen vergessen – solange bis das nächste Mitarbeiter- oder Teamgespräch ansteht, bei dem geprüft wird: Was haben wir geschafft? Dann stellen alle verdutzt fest: Viele Vereinbarungen wurden nicht umgesetzt und manches Ziel wurde nicht erreicht. Insbesondere die qualitativen Ziele wie zum Beispiel

  • die Fehlerquote zu senken,
  • die Lieferfristen zu verkürzen
  • und die Zusammenarbeit zu verbessern,

gingen in der Hektik des Arbeitsalltags unter.

Daran ändern lässt sich nun nichts mehr, denn der Zeitraum, in dem die Ziele erreicht werden sollten, ist verstrichen. Also werden die nicht erreichten Ziele, sofern sie nicht gestrichen werden, ins nächste Jahr übernommen … und erneut so schnell vergessen wie die guten Vorsätze in der Silvesternacht.

Führungskraft: Gerade in Krisenzeiten ist Konsequenz gefragt

Ein derart inkonsequentes Verhalten beobachtet man oft in Unternehmen. Häufig stört das niemand – solange Umsatz und Ertrag stimmen. Als bedrohlich wird das Aufschieben erst empfunden, wenn plötzlich, wie in der aktuellen Wirtschaftskrise vielfach, Marktanteile wegbrechen und neben den Umsätzen auch die Rendite sinkt.

Dann wird der Führungsmannschaft klar: Wir haben zwar viele sinnvolle und nötige Beschlüsse gefasst. Doch leider wurden sie nicht konsequent umgesetzt. Unter anderem, weil wir uns vom Alltagsgeschäft auffressen ließen, so dass  wichtige Aufgaben liegen blieben, und weil wir, wenn wir das Versäumnis registrierten, oft dachten: „Macht nichts. Das kann auch noch morgen erledigt werden.“

Eine Ursache dieser Inkonsequenz ist: Die Personaldecke vieler Firmen ist heute sehr dünn. Speziell deren Führungskräfte sind oft froh, wenn sie am Abend überhaupt ihr Tagespensum geschafft haben. Eine weitere Ursache ist: Keine andere Funktion in den Unternehmen wurde in den zurückliegenden Jahren ideologisch dermaßen überfrachtet wie die Führungsfunktion.

Das verdeutlichen bereits die Attribute, die Führungskräften zugeschrieben werden: Sie sollen Entrepreneurs sein, also unternehmerisch denken und handeln. Sie sollen Leader sein, also ein Leuchtturm, an dem sich ihre Mitarbeiter orientieren können. Außerdem sollen sie Coaches ihrer Mitarbeiter sein, also diese in ihrer Entwicklung und beim Erbringen ihrer Leistung unterstützen.

Kernaufgabe von Führung: Ergebnisse sichern

In Vergessenheit geriet dabei teilweise, was die zentrale Funktion jeder Führungskraft ist: Sie soll sicherstellen, dass ihr Bereich seine Ziele erreicht und seinen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leistet. Dieser Aufgabe ordnen sich alle anderen Führungsaufgaben unter. Mehr noch: Sie leiten sich hieraus ab.

In Vergessenheit geriet zudem teilweise, was Alfred Herrhausen einmal als zentrale Anforderung an Führungskräfte formulierte: „Wir müssen das, was wir denken, auch sagen. Wir müssen das, was wir sagen, auch tun. Wir müssen das, was wir tun, auch sein.“ Das heißt: Die tollsten Entscheidungen nutzen wenig, wenn die Führungskräfte nicht deren Umsetzung einfordern und durch ihr Verhalten ihren Mitarbeitern signalisieren: Konsequenz beim Umsetzen ist Pflicht.

Eine solche Kultur der Konsequenz existiert in vielen Unternehmen nicht. Häufig werden in ihnen wegweisende Entscheidungen nach kurzer Zeit wieder über Bord geworfen, aus ihnen nicht die nötigen Folgeentscheidungen abgeleitet und nicht die Verantwortlichkeiten für das Umsetzen definiert.

Dadurch hat sich bei ihren Mitarbeitern die Denke entwickelt: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Vieles, was von oben verkündet wird, kannst du sofort wieder vergessen – zumindest solange das Nichtbeachten sich nicht unmittelbar auf den Ertrag auswirkt. Denn er ist letztlich das einzige, was unsere Chefs interessiert.“

Diese Haltung wird dadurch gefördert, dass die Mitarbeiter im Arbeitsalltag die Erfahrung sammeln: Ob wir die Entscheidungen und Vereinbarungen umsetzen, wird von unseren Vorgesetzten kaum kontrolliert. Und ein Abweichen von den Vorgaben und Absprachen wird nicht sanktioniert. Entsprechend nachlässig und unmotiviert sind sie beim Umsetzen des Vereinbarten.

Führungskräfte müssen ihr Verhalten ändern

Der Aufbau einer Kultur der Konsequenz in Unternehmen setzt ein Umdenken der Führungskräfte voraus. Ihr Handeln muss sich stärker an der Maxime orientieren: Getroffene Entscheidungen werden auch umgesetzt. Außerdem muss sich ihr Verhalten stärker an den gesteckten Zielen und getroffenen Vereinbarungen orientieren – denn sie haben eine Vorbildfunktion für ihre Mitarbeiter.

Häufig registriert man in Unternehmen, dass deren Führungskräfte zwar Ziele verkünden wie „Wir wollen die Nummer 1 in Sachen Service werden“ oder „Wir wollen uns vom Produktlieferanten zum Systemanbieter entwickeln“. Wenn daraus aber die nötigen Schlüsse für den Arbeitsalltag gezogen werden müssten, dann kommunizieren sie ihren Mitarbeitern: „Stimmt. Aber jetzt sind andere Dinge wichtiger.“

Sie vermitteln also ihren Mitarbeitern „So wichtig ist das, was wir vereinbart haben, auch wieder nicht“ und definieren die Prioritäten im Arbeitsalltag neu. Also verhalten sich ihre Mitarbeiter entsprechend. Führungskräfte sollten deshalb regelmäßig prüfen: Spiegeln sich in meinem Alltagshandeln und in meinen alltäglichen Entscheidungen die übergeordneten Ziele wider?

Eine Kultur der Inkonsequenz wird auch dadurch gefördert, dass viele Führungskräfte in den Gesprächen mit ihren Mitarbeitern die vereinbarten (Teil-)Ziele nicht ausreichend operationalisieren. Sie leiten aus den übergeordneten Zielen nicht ab, was diese für das Verhalten der Mitarbeiter und Teams im Arbeitsalltag bedeuten.

Zum Beispiel: Wie sollen künftig Angebote gestaltet sein und nachgefasst werden? Oder: Was tun wir, wenn wir registrieren, dass wir einen Termin nicht halten können? Sie definieren auch keine Meilensteine, die es auf dem Weg zum großen Ziel (zum Beispiel das innovativste Unternehmen der Branche zu werden) zu erreichen gilt. Und falls doch, kontrollieren sie nicht regelmäßig, ob sich ihr Bereich noch auf dem rechten Weg befindet, diese Meilensteine zu erreichen. Folglich können sie letztlich nur das Erreichen oder Nicht-Erreichen der Ziele konstatieren.

Führungskräfte: Mehr Selbstdisziplin im Arbeitsalltag zeigen

Diese Defizite lassen sich zum Teil darauf zurückführen, dass vielen Führungskräften nicht ausreichend bewusst ist, dass sie das Delegieren von Aufgaben und Kompetenzen nicht von der Ergebnisverantwortung befreit.

Also müssen sie auch kontrollieren, inwieweit ihre Mitarbeiter ihre Aufgaben und Befugnisse adäquat wahrnehmen – so dass sie, falls nötig, gegensteuern können. Diese Führungsaufgabe sollten Führungskräfte konsequenter wahrnehmen. Dies setzt bei ihnen mehr Selbstdisziplin voraus.

Analysiert man ihr Arbeitsverhalten, dann stellt man zum Beispiel oft fest, dass sie Fachaufgaben nicht so konsequent wie möglich an Mitarbeiter delegieren. Die Folge: Das Tagesgeschäft frisst sie auf. Und die wirklich wichtigen Aufgaben bleiben liegen. Außerdem fehlt ihnen die Zeit, ihre Mitarbeiter zu führen – das heißt zu prüfen, ob diese sich auf dem richtigen Weg befinden, und gegebenenfalls ihre Marschrichtung zu korrigieren.

Nur wenn die Führungskräfte diese Aufgaben stärker wahrnehmen, kann sich in ihrer Organisation eine Kultur der Konsequenz etablieren. Hierfür müssen sie qualifiziert werden. Zum einen, indem ihnen stärker vermittelt wird, was ihre Kernaufgabe ist; zum anderen, indem ihnen klarer verdeutlicht wird, dass ihnen ihre Gestaltungs- und Entscheidungsmacht sowie disziplinarische Macht genau deshalb verliehen wurde, damit sie diese Aufgabe wahrnehmen können. Folglich wird auch ihre Leistung hieran gemessen.

Inkonsequenzen erkennen und beseitigen

Den Führungskräften sollte zudem die Kompetenz vermittelt werden, Inkonsequenzen zu erkennen. Sie sollten außerdem deren Folgen ermitteln und bewerten können, damit sie ihren Mitarbeitern die Notwendigkeit eines konsequenten Handelns aufzeigen können.

Sie benötigen auch die Fähigkeit, (mit ihren Mitarbeitern) Wege zu entwerfen, um erkannte Inkonsequenzen und Ineffizienzen zu beseitigen – und in ihrem Bereich Strukturen aufzubauen, die ein konsequentes Handeln garantieren.

Der Aufbau einer Kultur der Konsequenz und Selbstdisziplin stößt (wie jeder Veränderungsprozess) meist nicht auf die Zustimmung aller Betroffenen. Schließlich setzt ein konsequentes Handeln ein Abschiednehmen von liebgewonnenen Gewohnheiten voraus; zum Beispiel der Gewohnheit, ungeliebte Aufgaben auf die lange Bank zu schieben. Eine solche Reaktion ist menschlich, weshalb Inkonsequenz in Unternehmen eher die Regel als die Ausnahme ist – sofern ein gegenteiliges Verhalten nicht aktiv gefordert, gefördert und belohnt wird.

Die Widerstände sind oft groß, wenn Unternehmen versuchen, den für eine Kultur der Konsequenz erforderlichen mentalen Turn-around bei (sich und) ihren Mitarbeitern herbeizuführen. Diese Widerstände müssen Führungskräfte aushalten und auflösen. Das gehört zu ihren Aufgaben. Denn letztlich profitieren auch sie vom Verankern einer Kultur der Konsequenz in ihrer Organisation. Denn sie verschafft ihnen die nötigen Freiräume, um ihre wirklich wichtigen, weil zukunftsweisenden Aufgaben wahrzunehmen.

(Bild: © Gerhard Führing – Fotolia.de)

Roland Jäger

Roland Jäger ist Inhaber der Unternehmensberatung rj management consulting, Wiesbaden. (Tel.: 0611/411 39 41; Mail: rj@konsequent-fuehren.de).

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