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presseDer Niedergang des Fürther Traditionsunternehmens hat weit über die Stadtgrenzen hinaus für große Bestürzung gesorgt: Das Schicksal von Quelle ist im ausklingenden Oktober das dominante Thema sämtlicher Wirtschaftsredaktionen gewesen. Unternehmer.de hat die unterschiedlichsten Kommentare der Inlandspresse zusammengestellt.

Von Unternehmer.de-Reporterin Linda Csapo

Als größte Tageszeitung der Region befasst sich die Nürnberger Nachrichten naturgemäß mit dem Schicksal der vielen mittelfränkischen Quelle-Mitarbeiter – und prangert an, dass ihnen in der Debatte zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde:
„Vorschnelle Schuldzuweisungen lenken oft nur von eigenen Fehlern ab. Und sie verstellen nur allzu leicht den Blick auf das Wesentliche: Auf die Menschen, die heute unter all den Fehlern zu leiden haben, wer immer sie auch zu verantworten hat. Es ist erschütternd, wie diese Insolvenz die Betroffenen verändert, wie Verzweiflung und Zukunftsängste von ihnen Besitz ergreifen, wie sie als persönliches Scheitern erleben, was sie doch selbst am allerwenigsten verschuldet haben. Sie quält diese unbarmherzige Hilflosigkeit, das alles erdrückende Gefühl, alleingelassen zu sein – alleingelassen von den Vorgesetzten, vom Unternehmen, das so lange Zeit berechenbarer Arbeitgeber war.“

Die Nürnberger Zeitung lässt die ehemalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt zu Wort kommen. Die Nürnbergerin war bis zu ihrem Wechsel in den Bundestag selbst jahrelang bei Quelle beschäftigt und geht nun mit den Managern hart ins Gericht:
„NZ: Welche Rolle spielten die Fehler des Managements beim Niedergang der Quelle?
Renate Schmidt: ,Es mag für manche wie eine Lappalie erscheinen, ist aber keine: Wenn man Traditionsunternehmen wie Karstadt oder Quelle umtauft in Arcandor und Primondo, muss man schlicht und ergreifend eine Meise haben. Das sind eingeführte Markennamen, unter denen die Menschen sich was vorstellen können. Das war einer der großen Fehler. Dahinter stand ein dauerndes ‚rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln’ bei den Managern. Es war ja überhaupt nicht mehr ersichtlich, wer im Moment das Sagen hat, weil die Manager im Turnus von ein bis zwei Jahren gewechselt haben. Doch derjenige, der der Quelle wirklich den Todesstoß gegeben hat, war der Herr Middelhoff mit dem Verkauf jedweden Tafelsilbers.’“

Als dritte lokale Größe wirft die Fürther Nachrichten bereits die Frage auf, wie es mit dem ehemaligen Quelle-Areal auf dem Stadtgebiet weitergehen soll:
„Die größten Teile des Gebäudes dienten einst als Vertriebszentrale. Sie sind nur am Rand belichtet und mit Versandbändern und Paternostern versehen, die nicht mehr viel mit der Ausstattung eines modernen Logistikbetriebs zu tun haben. Außerdem muss sich der neue Besitzer bei vermutlich unumgänglichen Umbauten vorher das Plazet der Denkmalschützer einholen. Der Quelle-Komplex gilt bekanntlich als Baudenkmal. An einen Abriss ist allenfalls zu denken, wenn die Projekte mehrerer Interessenten jeweils an den Auflagen der Denkmalschützer gescheitert sind und der Verfall des Geländes droht. Bis dahin würden noch etliche Jahre ins Land ziehen.“

Das Nachrichtenmagazin Spiegel sieht für die Wirtschaftsregion Nürnberg schwarz, und titelt mit „Crash in der Katastrophenzone“ ein wahres Schreckensszenario herbei:
„Ver.di-Handelsexperte Johann Rösch warnt, Nürnberg und Fürth könnten zu ,der großen Krisenregion von Bayern’ werden. In der stark von der Export- und Zulieferindustrie geprägten Gegend haben jetzt schon überdurchschnittlich viele Betriebe Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt – insgesamt mehr als 32.000. Im Vorjahr waren es gerade mal 370. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist eine der höchsten in Bayern.“

In Wehmut und Nostalgie übt sich der Kölner Express, und beklagt mit dem Untergang des Versandhauses das Ende einer Ära:
„Wieder geht ein Stückchen deutsches Wirtschaftswunder den Bach runter. Da überkommt doch manchen von uns ein bisschen Wehmut. Schließlich haben Millionen Menschen sich per Katalog eingekleidet, ganz bequem per Post. Sind Versandhäuser heute nicht mehr zeitgemäß? Oder ist der Konzern ein Opfer der Wirtschaftskrise? Nein. Schließlich zeigt zum Beispiel das Hamburger Versandhaus Otto, dass das Konzept funktioniert. Die Quelle-Pleite ist hausgemacht. Unfähige und skrupellose Manager, die teilweise mit riesigen Abfindungen in die Wüste geschickt wurden, erfanden immer neue Konzepte. Wie die Fusion mit Karstadt, die zum Flop wurde. Es ist wie so oft in solchen Fällen: Ausbaden müssen das vor allem die Quelle-Mitarbeiter. Sie stehen vor dem Nichts.“

Auch die Süddeutsche Zeitung trauert dem Lebensgefühl Quelle nach, zeigt sich jedoch wenig überrascht:
„Quelle – das ist nicht irgendein Unternehmen. Eine ganze Nachkriegsgeneration ist mit dem Versandhändler aus Fürth aufgewachsen, viele erzählen noch heute die Geschichten. Doch die Wahrheit ist: Eine lange Tradition bewahrt nicht vor dem Untergang. Im Gegenteil: Wer sich auf seiner Geschichte ausruht, hat ein Problem, manchmal sogar ein Existenzproblem. Überraschend schnell und brutal kam Anfang dieser Woche das Aus für Quelle. Das ist bitter, vor allem für die Tausenden Arbeitnehmer.“

Unter dem Titel „Arme reiche Frau Schickedanz“ richtet die Welt ihr Augenmerk auf Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und deren Mitschuld am Niedergang des einstigen Familienkonzerns:
„Dass die größte Aktionärin die Schreckensnachricht vom Ende des Versandhauses am Dienstagmorgen aus den Medien erfahren musste, dürfte ihre Verbitterung nur gesteigert haben. Nicht einmal ihr Mann, immerhin Aufsichtsrat bei der insolventen Quelle-Mutter Arcandor, soll vorab informiert gewesen sein. Dieser Dienstag war wohl der Tiefpunkt in ihrer Leidensgeschichte. Und es war auch noch ihr Geburtstag, der 66. (…) Das Werk von Vater und Mutter ist zum Jahresende weg, aufgelöst, endgültig. Und die Tochter, die oft die Gräber besucht, hätte diesen Niedergang vielleicht verhindern können. Wenn sie stärker eingegriffen und weniger auf ihre beiden ersten Ehemänner und die Manager vertraut hätte, die sie die Geschäfte führen ließ. Doch schon als junge Frau hatte sie beschlossen, ihr Betriebswirtschaftsstudium abzubrechen, als die Kinder kamen. Viel zu wenig Zeit hatte sie selber als Kind mit ihren Eltern verbracht, weil die vor allem damit beschäftigt waren, das Unternehmen Quelle aufzubauen. Die eigenen Kinder sollten es einmal besser haben. Der Preis dafür war, dass ‚die Quelle-Erbin’ die Kontrolle über die Firma aus der Hand gab.“

Die Frankfurter Allgemeine setzt sich in einem einfühlsamen Portrait der Stadt Fürth („Der niemals endende Strukturwandel“) auch mit den unterschiedlichen Schuldzuweisungen auseinander:
„Die Stadt sucht den Schuldigen für das Unvorstellbare: Für den Bürgermeister trägt Arcandor große Schuld, es habe die Insolvenz ‚leichtfertig’ eingeleitet. Für viele Bürger war es Madeleine Schickedanz, die die Immobilien veräußerte und immer neue Manager ins Unternehmen holte. Fast jeder nennt den Namen Thomas Middelhoff, der von Mai 2005 bis März 2009 als Sanierer versagte. Noch im März saßen zwei hohe Quelle-Mitarbeiter, Oberbürgermeister Jung und Wirtschaftsreferent Müller zusammen und sprachen über die Zukunft. Die Zahlen seien gut, das Internetgeschäft wachse, sagten die Manager. Zwei Tage später wechselte einer der Manager zu Neckermann. Wirtschaftsreferent Müller erzählt das sehr verärgert, und über Thomas Middelhoff sagt Referent Müller: ‚Ich habe selten einen so arroganten Menschen erlebt, schreiben Sie das.’ Die Primondo-Manager wechselten so oft, dass die Stadt Fürth schon zwei Standardanschreiben gespeichert hatte – eines zur Begrüßung, eines zum Abschied.“

Schuldzuweisungen betreibt auch die Berliner Tageszeitung taz: Sie prangert vor allem Versäumnisse der bayerischen Regierung an:
„Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) spricht am Nachmittag von einem ‚schweren Schlag für die Region Nürnberg/Fürth’ und beteuert: ‚Wir haben nichts unversucht gelassen und das Menschenmögliche getan, um Quelle eine Fortführungschance zu geben.’ Das Quelle-Desaster ist auch ein Scheitern der Politik. Als im Sommer bei Quelle und dem Mutterkonzern Arcandor die Krise akut wurde, eilte er nämlich in die Konzernzentrale nach Fürth, versprach Hilfe und posierte mit dem Quelle-Katalog. Die Opposition lästerte schon damals, Seehofer gehe es eher um wahlkampfwirksame Bilder denn um die Rettung von Arbeitsplätzen. Zumal sich auch Seehofers Parteifreund, der Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, zunächst zurückhielt. Erst mit wochenlanger Verzögerung vergaben die Länder Bayern und Sachsen mit dem Bund einen Massekredit über 50 Millionen Euro, der nach der Insolvenz am 1. September den Betrieb bis zum Jahresende sicherstellen sollte.“

Die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle hebt dagegen hervor, dass die Politik gar nicht anders hätte handeln können – Unternehmen, die zum Scheitern verurteilt seien, sollten nicht künstlich mit Steuergeldern am Leben erhalten werden:
„Der Strukturwandel im deutschen Einzelhandel ist auch durch staatliche Rettungspakete nicht aufzuhalten. Die Bundesregierung, die dem Handelskonzern Arcandor einen Notkredit in Höhe von 400 Mio. Euro verwehrte, ist nicht verantwortlich für die Pleite – sie hätte diese wahrscheinlich nur hinausgezögert. Die Arbeitsplätze, die durch Steuergelder gerettet werden können, wären dann möglicherweise einem anderen Unternehmen verloren gegangen. Dies spricht zwar nicht generell gegen staatliche Eingriffe. Doch die Politik sollte sehr vorsichtig sein, in fallende Messer zu greifen. Wenn ein Unternehmen mit seinen Produkten nicht mehr ausreichend Kunden gewinnen kann, dann scheidet es früher oder später wie Quelle aus dem Markt aus.“

Mit dem naheliegenden Wortspiel „Die Quelle ist versiegt“ betitelt schließlich das Hamburger Abendblatt seinen Abgesang auf die Ära Quelle:
„Die Schlacht der großen alten Namen am deutschen Versandhandelsmarkt ist geschlagen. Es war eine harte Schlacht. Etliche kleinere Unternehmen wie Bader, Bauer, Heine oder Schöpflin verloren schon vor Jahren und Jahrzehnten ihre Eigenständigkeit und landeten bei den Marktführern. Der letzte Kampf der alten Zeit endete in der Nacht zum Dienstag mit dem Aus für Quelle. Der Wettbewerb der Zukunft findet zwischen denen statt, die übrig blieben, und neuen Anbietern vor allem im Internet.“

Lesen Sie mehr über den tiefen Fall von Quelle im Unternehmer.de-Dossier:

Quelle-Pleite: Nürnberg in Nöten

Im Sog der Quelle

Die Tragödien der Traditionsunternehmen

Quelle: „Zwei Kranke ergeben gemeinsam keinen Gesunden“

Linktipps

Mittelstand Wissen: Unternehmensfinanzierung

Mittelstand Wissen: Online-Handel

(Bild: © mapoli-photo – Fotolia.com)

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unternehmer.de ist das Wissensportal für Fach- und Führungskräfte im Mittelstand, Selbständige, Freiberufler und Existenzgründer.

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3 Comments

  • Bescheidwisser sagt:

    Faszinierend finde ich im Zusammenhang mit der Arcandor-Insolvenz, die ich als ehemaliger Mitarbeiter mit großem Mitgefühl für die Mitarbeiter verfolgt habe, stets die überwiegend erschütternd unqualifizierten Stellungnahmen aus der Politik: Der Stuss, den Frau Schmidt dort offenbar aus einer oberflächlichen Gesamtschau von „Bild“ und „Mopo“-Schlagzeilen zusammengestellt hat, tut einfach nur weh. Weder wurde zB. „Karstadt“ in „Arcandor“ umbenannt, noch „Quelle“ in „Primondo“. Man kann Middelhoff vieles vorhalten; der gern bedeutungsvoll beschworene Vorwurf, er habe das Tafelsilber (damit gemeint ist natürlich das milliardenschwere Immobilienportfolio, das historisch überwiegend aus der Warenhaussparte entstammte) versilbert, ist aber Mumpitz. Gern wird nämlich vergessen, dass die KarstadtQuelle AG mit ihren Töchtern Karstadt und Quelle bereits im Jahre 2005 operativ klinisch tot war und unmittelbar den Gang zum Insolvenzrichter hätte antreten müssen, wenn nicht aus dem Verkauf der Immobilien der dringend notwendige finanzielle Spielraum beschafft worden wäre. Allenfalls mag man sich fragen, ob eine Insolvenz im damaligen wirtschaftlichen Umfeld nicht sogar am Ende aller Tage für Beschäftigte und Gläubiger ein Segen gewesen wäre. Aber hinterher ist man immer schlauer.

    • so, oder so sagt:

      guter kommentat.
      echt wahr.
      wenn man etwas von arcandor/primondo versteht, kann man nur zu diesem
      entschluss, diesem beitrag kommen.
      danke für einen sachlichen beitrag ohne die allzu oft einfliessenden emotionen…

  • C sagt:

    Alle suchen jetzt die Schuldigen: die Manager, die Eigentümerin oder Politiker. Es ist jedoch so: Es ist immer eine Mischung aus vielen Dingen. Quelle war bekannt dafür besonders verkrustete Strukturen zu haben (ist das ein Manager Problem – nein, eher ein Mitarbeiter Problem.) Die Middelhoff-lutsch es aus-Private Equity Philosophie hat Ihren teil zu beigetragen, zudem die ständigen Managerwechsel. Das Verhalten der Politik kann ich nicht einschätzen, grundsätzlich bin ich der Meinung der Massekredit hätte schon nicht gewährt werden dürfen da es das Siechtum nur verlängert.
    Das Frau Schickedanz früher hätte eingreifen müssen ist Schwachsinn, da sie diese Aufgaben ja an den Aufsichtsrat sowie an den Vorstand delegiert hat. Das Beispiel Quelle ist eher ein Fachbuch-Beispiel für das ökonomische Probelnm von Agency cost.

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