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Der Vertriebsexperte und Unternehmer.de-Autor Herbert Lohner erklärt im Interview, auf was es bei der Kundengewinnung ankommt, und welche Fehler besser vermieden werden sollten.

Unternehmer.de: Herr Lohner, was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Kundengewinnung?

Herbert Lohner: Was vor zehn Jahren ein Erfolgsgarant war – wie z.B. Fachmessen, auf denen teilweise Direktabschlüsse erzielt wurden – ist heute schlichtweg hinaus geschmissenes Geld. Dafür sind wiederum neue Möglichkeiten und Kanäle entstanden, die es nun zu nutzen gilt – das Thema Social Media z. B. verändert die Kundenansprache derzeit grundlegend. Wir bewegen uns im B2B Bereich gerade von einer B2B (Business to Business) zu einer P2P (People to People) Kommunikation in Vertrieb und Marketing.

Unternehmer.de: Was sind die häufigsten Fehler bei der Kundenansprache?

Herbert Lohner: Meiner Ansicht nach ist der wohl häufigste Fehler, der hier begangen wird, das mangelnde Taktgefühl und Einfühlungsvermögen gegenüber potenziellen Kunden.

Ein Beispiel: Ich wurde von einem Call Center Agenten angerufen und gefragt, ob ich nicht ein neues Versicherungspaket abschließen wolle. Zwar wurde gefragt, ob ich fünf Minuten Zeit hätte, dann aber wurde die geballte Fragenliste auf mich losgelassen. Das Schlimmste war, dass die nette Dame am anderen Ende der Leitung zwar Fragen stellte, sich dann aber selbst gleich die Antworten gab. Zum Thema Taktlosigkeit setzte sie noch einen oben drauf: Es ging um eine Unfall- und Krankenversicherung und wie mir die Dame erklärte um eine, die auf die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse eingehe. Als makabres Beispiel argumentierte sie, dass ich in meinem Alter doch schon an die Risiken eines Prostata-Krebses denken müsste und hier das Versicherungsangebot sicherlich am passendsten sei!

Ich bin normalerweise nicht auf den Mund gefallen, aber diese Argumentation machte mich sprachlos. Ein mir bis dahin seriös erscheinendes Unternehmen wirbt mit schierer Angstmache und fürchtet sich nicht einmal vor dem Fettnäpfchen, in das die Dame getreten wäre, wenn ich bereits eine der aufgezählten Erkrankungen gehabt hätte!

Unternehmer.de: Welche Kanäle müssen auf jeden Fall bei der Kundengewinnung genutzt werden?

Herbert Lohner: Generell würde ich sagen, dass man alle verfügbaren Kanäle nutzen sollte. Die branchen- und marktspezifischen Unterschiede bestimmen dann die Intensität, mit der die Kanäle letztendlich genutzt werden.

Herbert Lohner ist Vertriebsexperte, Gründer von sellingemotions.com und Unternehmer.de-Autor

So würde im Onlinehandel mit Elektronikartikeln sicherlich der Schwerpunkt auf allen verfügbaren Onlinekanälen liegen. Beginnend mit klassischer Onlinewerbung, der Nutzung von Sozialen Netzwerken wie Twitter, XING, Facebook & Co. – dennoch dürfen die „Nebenkanäle“ wie Mund-zu-Mund Propaganda, sprich Empfehlungsmarketing und Präsenz in der „Offline-Welt“, nicht vernachlässigt werden!

Als lokaler Florist zum Beispiel liegen die Schwerpunkte anders. Hier steht im Vordergrund, die eigene Leistung möglichst über Empfehlungen im eigenen Kundenkreis zu forcieren und Kunden z.B. über lokale Medienschaltungen, Tage der offenen Tür etc. in den Laden zu locken. Dennoch ist auch hier ein Onlineauftritt das Schaufenster und die Informationsquelle, die man seinen potenziellen Kunden bieten muss! Wer im Internet nicht gefunden wird, wird es auch im wahren Leben nicht.

Unternehmer.de: Neukundengewinnung vs. Bestandskundenpflege: Wie sollten hier die Prioritäten gesetzt werden?

Herbert Lohner: Die Beantwortung hier fällt dem ersten Anschein nach leicht. Eine alte Faustregel sagt schon, dass die Gewinnung eines Neukunden fünfmal so teuer ist wie das Halten eines Bestandskunden. Dennoch ist zu beachten, wie die Strategie Ihres Unternehmens ausgerichtet ist. Wenn Sie wachsen wollen, werden Ihre Bestandskunden irgendwann nicht mehr genügend Profit für Sie abwerfen. Selbiges gilt, wenn Sie z.B. Maschinen und Industrieanlagen verkaufen. Aufgrund der hohen Lebensdauer dieser Produkte ist ein Folgekauf durch Bestandskunden nur möglich, wenn diese selbst auf Expansionskurs fahren. Also müssen Sie hier neue Kunden gewinnen!

Demnach hängt  die Antwort von internen Faktoren – Wachstumsstrategie, Produkt/Dienstleistungsportfolio, Fixkosten wie eigenes Produktionspersonal, etc. – sowie von externen Faktoren – Markt- und Kundenentwicklung, etc – ab.

Unternehmer.de: Nach welchen Kriterien sollte die eigene Kundschaft segmentiert werden?

Herbert Lohner: Hier würde ich zu einer zweidimensionalen Matrix raten: Die eine Dimension ist die klassische A-B-C-Klassifizierung der Kunden – nach dem Umsatz bzw. besser nach dem erzielbaren Profit. Die zweite, vom Umsatz unabhängige Dimension ist die emotionale Wichtigkeit eines Kunden als Referenz! So kann für einen Metallverarbeiter, der Apple mit Komponenten für Computer beliefert, dieser Kunde Apple einen immensen Imagegewinn bedeuten. Und das, obwohl die paar Kilogramm Aluminium, die er an Apple liefert, im Vergleich zu den Tonnen, die an die Automobilindustrie gehen, eigentlich nicht der Rede wert sind.

Unternehmer.de: Herr Lohner, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

(Bild: © raven – Fotolia.com)

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