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Wenn ein Unternehmen nichts Außergewöhnliches zu bieten hat, wenn seine Produkte austauschbar sind und der Service alles andere als begeistert, entscheidet immer der Preis.

Dann soll es wenigstens billig sein. So trösten wir uns (Trostpreis!) über emotionale Mängel bzw. Enttäuschungen hinweg. Angebote hingegen, die einzigartig sind und begeistern, dürfen ruhig ein wenig kosten. Für gute Gefühle sind Kunden sogar bereit, tief in die Tasche zu greifen.

Zufriedenheit und Kundenloyalität korrelieren nicht. Selbst durch und durch zufriedene Kunden zeichnen sich durch eine hohe Wechselbereitschaft aus. Wer treue Kunden will, muss diese begeistern.

Begeisterung kann man nicht einfordern, man muss sie sich – genauso wie Vertrauen und Loyalität – immer wieder neu verdienen. Es gibt Begeisterungsfaktoren, die kosten Geld und es gibt solche, die kosten keinen Cent, so dass sich diese jeder leisten kann.

Es sind meist die kleinen Dinge und vor allem die zwischenmenschlichen Faktoren, die Kunden in Begeisterung versetzen – und damit für emotionale Verbundenheit sorgen. Begeisterung verzeiht auch kleine Fehler. Denn wer begeistert ist, trägt eine rosarote Brille, so wie ein frisch Verliebter, der nur die guten Seiten sieht und über kleine Schwächen milde hinweg schaut.

Im Wechselbad der Gefühle

Jede Kundenbeziehung ist ein Wechselbad der Gefühle und oszilliert zwischen schlimmster Befürchtung und hemmungsloser Begeisterung. Eine Kernfrage, die deshalb immer wieder zu stellen ist, lautet: Welche Erwartungen haben unsere Kunden wirklich an uns? Und: Wie können wir diese (immer wieder, deutlich) übertreffen?

Und: Wie können wir sicher sein, dass unsere Vermutungen stimmen? Für viele Kunden ist nämlich nicht Geld die knappste Ressource, sondern Zeit. Und für manche ist Raum, Ruhe und Freiheit der größte Luxus. Wer sich solche Dinge kaufen will und kann, der schaut nicht aufs Preisschild.

Dem Kunden kommt es also womöglich gar nicht auf den ganzen Service-Schnickschnack an, der bei Ihnen eine Kostenexplosion verursacht. Für ihn müssen zunächst die Kernleistungen stimmen. Einfach, praktisch und schnell soll es gehen. Und die Mitarbeiter sollen zuvorkommend (im wahrsten Sinne des Wortes), achtsam, freundlich, kompetent und hilfsbereit sein.

Wer im Handel immer ewig an der Kasse warten muss, wenn er es eilig hat, den kann selbst die aufwändigste Promotion-Aktion nicht locken. Und wer einen Shop irgendwie schmuddelig findet, der geht nicht einmal mit einem dicken Geschenk-Gutschein dorthin.

Die Erinnerungen an gemachte Erfahrungen entsprechen im Übrigen nie der Realität. Sie sind gefärbt durch positive oder negative Grundstimmungen, durch Vorlieben und Abneigungen und durch selektive Wahrnehmung. Vergessenslücken füllt unser Hirn praktischerweise mit scheinbar passendem Material. So kommt es, dass die gleiche Situation sich völlig verschiedenartig darstellt, wenn zwei Menschen davon erzählen.

Zwischen Enttäuschung und Begeisterung

Alle erhaltenen Leistungen werden vom Kunden subjektiv bewertet. Für ihn ist das Realität, was er wahrnimmt. So führt der Abgleich zwischen Erwartungen und tatsächlich erhaltener Leistung zu Enttäuschung, Zufriedenheit oder Begeisterung – und damit zum Wiederkauf und Weiterempfehlen oder aber zum Abwenden und aktiven Abraten. Sowohl der Erwartungstopf als auch der Topf der erhaltenen Leistungen speisen sich, wie die Abbildung zeigt, aus unterschiedlichen Aspekten.

Dabei beinhaltet das Image eines Unternehmens all das Wissen, das wir über die Marke, das Angebot bzw. die Firma und deren Menschen – aus eigenem Erleben und/oder vom Hören-Sagen – für abspeicherungswürdig gehalten haben. Bei Firmen mit einem guten Image und teuren Produkten ist die Erwartungshaltung zwangsläufig hoch.

Sie dürfen sich keine einzige Panne erlauben. Je mehr er zahlt bzw. je emotionaler er einer Marke verbunden ist, desto gnadenloser ist der Verbraucher, wenn enttäuschenderweise was nicht klappt. So stürzten die bis dahin überaus positiven Imagewerte des Handy-Anbieters Nokia nach Bekanntwerden der Schließungspläne des Werks in Bochum dramatisch.

Aber nicht nur das. Auch die Qualität der Marke wurde danach schlechter bewertet. Die Indexwerte rutschten, so das Kölner Forschungsinstitut Psychonomics, von 62 auf 45 Punkte.

Mitarbeiter involvieren

Jedes (Werbe-)Versprechen ist eine unbezahlte Schuld. Leider produzieren Werbeagenturen allzu gerne vollmundige Werbeaussagen, ohne recht zu überlegen, wie sich diese im wahren Leben einlösen lassen. Auf diese Weise wird die Erwartungshaltung der Kunden künstlich hochgeschraubt – und Enttäuschungen sind vorprogrammiert.

Also: Lieber weniger versprechen und mehr erfüllen. Vor allem aber muss im Vorfeld einer Werbekampagne mit den Mitarbeitern gemeinsam erarbeitet werden, wie sie die aufkommenden Kundenerwartungen erfüllen können – und wollen.

Edeka hat beispielsweise mit der Imagekampagne ‚Wir lieben Lebensmittel’ einen Weg beschritten, der sich wohltuend vom immer noch allgegenwärtigen Preisgeschrei absetzt. Entscheidend ist nun, wie dieser Slogan gelebt wird. Denn er ist ein Kundenversprechen. Wir Kunden wollen demzufolge hochwertige, absolut frische, ästhetisch präsentierte Lebensmittel kaufen.

Wir wollen erleben, wie die Ware gehätschelt und getätschelt wird, wenn die Mitarbeiter sie ins Regal räumen. Wir wollen die Wurst würdevoll geschnitten und den Käse nobel gehobelt sehen. Wir warten auf den liebevollen Griff der Kassiererin nach den Produkten auf dem Band. Agiert das Personal dagegen uninteressiert und abweisend wie immer und hängen zudem die ‚Wir lieben Lebensmittel’-Schilder auch über den Damenstrümpfen im Non-Food-Bereich, dann ist klar: Die Mitarbeiter haben von alldem nichts verstanden. Weil sie eben offensichtlich nicht eingestimmt wurden. Das ist enttäuschend.

Gehirnoptimiert agieren

Wo uns bislang die Verhaltensforschung oder der gesunde Menschenverstand weiterhalf, schenkt uns heute die moderne Hirnforschung zusätzliche wertvolle Erkenntnisse. Der erste und der letzte Eindruck sowie die positiven bzw. negativen ‚Momente der Wahrheit’ (Jan Carlzon), also die Interaktionspunkte mit den Mitarbeitern, dem Produkt oder der Marke, determinieren die abschließende Bewertung in besonderem Maße. Hierbei ist zu berücksichtigen:

Negatives vor Positivem: Potenzielle Gefahren signalisieren dringenden Handlungsbedarf. Deshalb richten wir unseren Fokus zunächst auf das Negative. „Menschen sehen ein wütendes Gesicht in einer fröhlichen Menge viel schneller als ein fröhliches Gesicht in einer wütenden Menge“, so der Psychologe Robert Levine. Negatives bleibt uns länger im Gedächtnis als Positives. Und über Negatives reden wir mehr. „Es braucht fünf positive Erlebnisse, um ein negatives auszugleichen“, sagt treffend der Volksmund.

  • Unangenehmes sofort: Sprechen Sie etwaig Unerfreuliches in jedem Fall an und platzieren Sie es so früh wie möglich im Kommunikationsprozess, damit es nicht das ganze Kauferlebnis überschattet. Dabei sollte der Kunde durch Fragen in die Gestaltung der Lösung miteinbezogen werden, um die Sache für ihn so erträglich wie möglich zu machen. So fühlen wir uns den Dingen nicht hilflos ausgeliefert und behalten die Kontrolle. Unangenehmes wollen wir so schnell wie möglich hinter uns bringen, um uns anschließend auf Besseres zu freuen.
  • Angenehmes in kleinen Dosen: Erfreuliche Erfahrungen verteilt man am besten über den gesamten Kaufprozess, während Unerfreuliches in einem Aufwasch präsentiert werden sollte. Im Verkauf heißt diese Technik ‚bittere Pille’. Das Heikle wird mit Zuckerguss umhüllt. Positives hingegen sollte immer wieder eingestreut und in kleinen Häppchen auf überraschende Weise präsentiert werden. Jeder Moment des Glücks macht Lust auf mehr. Und Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.
  • So einfach wie möglich: Unser Hirn mag es einfach. Wer dem Kunden eine Fülle von möglichen Alternativen zeigt, stellt ihn vor die ‚Qual der Wahl‘. Dies führt dann dazu, dass man es sich ‚noch einmal überlegt‘. Der Abschluss ist hiernach meistens verloren. Oder es bleibt das ungute Gefühl, sich womöglich falsch entschieden zu haben. Präsentieren Sie also maximal drei Alternativen, die aus Kundensicht voraussichtlich attraktivste Variante kommt dabei zum Schluss.
  • Der letzte Eindruck prägt: Setzen Sie etwas Angenehmes an den Anfang und insbesondere an den Schluss des Kundenerlebnisses. Im Handel etwa wird diese Regel meist sträflich vernachlässigt. Oder finden Sie es dort, wo Sie einkaufen, an der Kasse schön? Der letzte Eindruck löst im Gehirn so etwas wie einen Echo-Effekt aus und bleibt daher besonders lange haften.
  • Rituale schaffen: Ritualisieren Sie Abläufe und verknüpfen Sie diese mit positiven Momenten. Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit und Vertrautheit sind die Grundlage für Vertrauen. Über Wiederholungen entstehen dauerhafte Verknüpfungen im Hirn und dies wiederum fördert die Kundentreue. Wer kündigt schon alle seine Konten bei einer Bank, wenn er sich jedes Mal von neuem auf die Charme-Offensive seines Beraters freut?
  • Begründungen geben: Begründen Sie, weshalb eine Sache besonders gut oder schlecht läuft. Unser Hirn will verstehen, wie etwas funktioniert. Erhält es keine Erklärungen, füllt es solche Leerräume mit Annahmen und reimt sich die Dinge zurecht. So entstehen Mutmaßungen und Gerüchte – leider meist nicht gerade die, die Ihnen nützlich sind. Denn unser Hirn ist unglaublich gut darin, sich das Schlimmste auszumalen.

Ein Tipp zum Schluss

Begeisterungsfaktoren werden schnell ‚basic‘, weil man sich daran gewöhnt. Deshalb muss immer wieder etwas Neues, Anderes, Überraschendes, nicht Vergleichbares her, damit sich am Ende keine Das-steht-mir-zu-Mentalität einschleicht. Ein reicher Ideen-Fundus ist also vonnöten – und Originalität ist gefragt.

Die Differenzierung zur Konkurrenz findet dabei nicht vornehmlich auf der Leistungsebene, sondern vor allem auf der Beziehungsebene statt. Die ‚gefühlte‘ Wertschätzung – verbunden mit Herzlichkeit, absoluter Fairness und erprobter Zuverlässigkeit – ist der Dreh- und Angelpunkt für Begeisterung. Wenn es dann noch gelingt, dem Kunden mit Spitzenprodukten und einzigartigem Servicenutzen unerwartete Anstöße für seine Lebensqualität oder seinen unternehmerischen Erfolg zu geben, dann ist das Immer-wieder-kaufen schon so gut wie gesichert.

Weitere Artikel dieser Serie:

Kundenbegeisterung: Ein Turbo für den Erfolg (Teil II)

(Buchtipp: Anne M. Schüller: Kundennähe in der Chefetage)

(Bild: © Renee Jansoa – Fotolia.de)

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Ihre jüngsten Bücher heißen „Die Orbit-Organisation“ und „Querdenker verzweifelt gesucht“.

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