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Nach der Begrüßungsphase beginnt die Informationsphase, die drei Fragen bzw. Fragenkomplexe zu beantworten hat:

  1. Welche Unklarheiten sind bei den Parteien noch auszuräumen?
  2. Welche Lösungsmöglichkeiten finden die Parteien?
  3. Ist der Start der vierten Phase (Kernverhandlung) sinnvoll?

1) Welche Unklarheiten sind bei den Parteien noch auszuräumen?

Es liegen praktisch nie alle Information so aufbereitet vor, dass Sie die Position der anderen Seite oder deren Sicht auf die Situation lückenlos nachvollziehen können. Sollten Sie dieser Meinung gleichwohl sein, ist höchste Vorsicht angeraten! Dann haben Sie wahrscheinlich ihre „Wissenslücken“ zum wirklichen Verständnis der anderen Seite durch eigene Annahmen und Mutmaßungen gefüllt – und fahren hohes Risiko, wenn Sie sich auf deren Gültigkeit verlassen. Selbst im theoretischen Sonderfall (Spion an entscheidender Stelle platziert, Dossier ist irgendwie in Ihre Hände gelangt…) ist es klüger, nachzufragen und Ihre Beurteilungsbasis abzusichern.

Natürlich haben Sie in der Vorbereitungsphase mit plausiblen Annahmen über das Verhalten, die Motivation und die Interessen Ihrer Verhandlungspartner gearbeitet. Doch diese Punkte sind zwingend zu verifizieren, um die Gültigkeit Ihrer Annahmen zu bestätigen oder sie zu verwerfen. Dazu kommen noch ihre eigenen Verständnislücken – also das, was sich nicht oder nur befriedigend klären ließ. Holen Sie dabei ruhig etwas aus, zu viel hat noch niemand gefragt. Hier ist höchste Konzentration angesagt. Wenn Sie plötzlich eine völlig andere Sicht der Dinge wahrnehmen, Abläufe anders als von Ihnen recherchiert dargestellt werden, Verschiebungen der Schwerpunkte erkennbar werden, müssen Sie darüber nachdenken, ob Sie strategisch wie geplant weiter fortfahren oder daran etwas ändern.

Beispiel: Angenommen, sie besitzen keine sinnvolle Alternative, sind also gezwungen, eine Verhandlungslösung zu suchen. Ihre Recherche möge nun ergeben haben, dass die andere Seite ebenfalls keine belastbare Option (z.B. hinsichtlich Qualität, Quantität und Lieferzeit) zur Verhandlung aufzuweisen hat. Sie könnten dann schlussfolgern, dass sehr wahrscheinlich eine Kooperationsstrategie beste Aussichten bietet, da beide Parteien aufeinander angewiesen sind. Nun stellen Sie jedoch in der Informationsphase fest, dass ihr Partner eher blockt, süffisant lächelt, die Dinge eher herunterspielt, sich im Detail festbeißt m.a.W. er fährt eine Vermeidungsstrategie. Offenbar besitzt die andere Seite sogar eine bessere Alternative. Diese werden Sie kaum kooperativ auflösen können – jetzt müssen Sie sich anpassen, wenn Sie noch etwas retten wollen. Ein gewiefter Partner greift das sofort auf und geht nahtlos in den Wettbewerbsstrategie, um Vorteile aus der Situation zu ziehen.

Seien Sie genauso auf Fragen der anderen Seite vorbereitet, die sicher ein gleichwertiges Informationsbedürfnis besitzt. Punkt 1) ist abgeschlossen, wenn beiderseits keine Lücken, Unklarheiten oder „weiße Flecken“ existieren. Dazu gehört auch das Verständnis der Interessen der anderen Seite.

2) Welche Lösungsmöglichkeiten finden die Parteien?

Auf dieser Basis kommt der zweite Teil an die Reihe – welche Lösungsmöglichkeiten finden beide Seiten. Sie haben sich ja bereits innerhalb der Vorbereitungsphase Optionen überlegt, die der anderen Seite „schmecken“ könnten. Nun zeigt die andere Seite mit ihren vorgetragenen Optionen konkret auf, wohin es gehen könnte. Prüfen Sie, ob die vorgetragenen Interessen sich in den genannten Optionen abbilden. Wenn man sagt, dass man Sie als Vorzugslieferant unbedingt behalten möchte, jede der Optionen jedoch für Sie völlig unannehmbar ist, beleuchten Sie den Widerspruch:

„Ich hatte Sie vorhin so verstanden, dass Sie ein hohes Interesse haben, sich das Qualitätsniveau unseres Produktes langfristig zu sichern – und muss nun feststellen, dass sich die vorgetragene Bindungsfrist aller von ihnen genannten Optionen lediglich im Monatsbereich bewegt. Gibt es dafür einen Grund?“

Lassen Sie da nicht locker: Erst wenn sich das genannte Interesse (erst mal nur Absichtserklärung!) auch in den angedeuteten Optionen niederschlägt, decken sich Wort und Tat. Ansonsten Vorsicht!

3) Ist der Start der Kernverhandlung sinnvoll?

Sie sind nun an einem entscheidenden Punkt. Nach einer glaubhaften Schließung der „Lücken“ verstehen sich beiden Seiten. Mit diesem Basisverständnis und dem geklärten Faktenkranz haben beide akzeptable Optionen entwickelt und damit den Lösungsraum angereichert.

Erst wenn Sie nun abschätzen können, ob sich beide Partner wahrscheinlich (!) auf eine der genannten Optionen einigen können, nehmen Sie die nächste Phase (Kernverhandlung) in den Blick. Ansonsten brechen Sie ab, wenn durch die Optionen für Sie klar wird, dass es keine Schnittmenge gibt.

Beispiel: Sie verstehen das Gewinnstreben des Autohändlers aus tiefem Herzen – er versteht Ihre Budgetbeschränkung ohne Wenn und Aber. Und trotzdem erkennen Sie, dass es keinen überlappenden Bereich gibt, auf den sie sich einigen können. Konsequenz: Abbruch.

Weitere Artikel dieser Serie:

Verhandlungstechnik (Teil I): Ordnen Sie Ihre inneren Stimmen!
Verhandlungstechnik (Teil II): Ihr Selbstbewusstsein als Erfolgsfaktor!
Verhandlungstechnik (Teil III): Stärken Sie Ihre Verhandlungsmacht!
Verhandlungstechnik (Teil IV): Nutzen Sie Ihre Verhaltensautomatismen!
Verhandlungstechnik (Teil V): Innere Barrieren abbauen!
Verhandlungstechnik (Teil VI): Gliedern Sie erfolgsorientiert!
Verhandlungstechnik (Teil VII): Ihre Vorbereitung ist das A und O!
Verhandlungstechnik (Teil VIII): Nutzen Sie die SWOT-Analyse!
Verhandlungstechnik (Teil IX): So sind Sie optimal vorbereitet!
Verhandlungstechnik (Teil X): So treten Sie gewinnend auf!
Verhandlungstechnik (Teil XI): Ihre Agenda ist der Weg!
Verhandlungstechnik (Teil XII): Strategie – aber bitte die richtige!
Verhandlungstechnik (Teil XIII): Welche Strategie ist die richtige für Sie?
Verhandlungstechnik (Teil XIV): Der Kompromiss – Fluch oder Segen?
Verhandlungstechnik (Teil XV): So gelingt Ihr Verhandlungsstart!

(Bild: © matamu – Fotolia.de)

Peter Ackermann

Der Unternehmensberater Peter Ackermann vertritt das Spezialgebiet "Verhandlungstechnik". Dabei wird das in 20 Jahren als Projektleiter im Anlagenbau erworbene Wissen dem Markt in Form von Verhandlungskonzepten, Strategieansätzen bis hin zur Ausbildung und Betreuung der Verhandlungsteams zur Verfügung gestellt. Eine handwerkliche Ausbildung sowie die über den zweiten Bildungsweg erworbenen technischen und kaufmännischen Diplome sichern dabei das Verständnis für die konkrete Situation des Auftraggebers ab.

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