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Kennen Sie das Gefühl? Sie sitzen beim Kunden und dessen „Auftragsdrohung“ schnürt Ihnen die Kehle zu, (fast zu) großes Projekt, eigene Firma am Anschlag. Hundert Gedanken rasen durch Ihren Kopf – höchste Zeit, diese etwas zu ordnen.

Sie hören zuerst die Stimme des „Besorgten“: „Um Gottes Willen, das Projekt werde ich selbst führen müssen und bin jetzt schon 12 Stunden im Büro! Wenn das so weitergeht….“ Vielleicht ergänzt jetzt der innere „Kalkulator“: „Ein Geschäft wird das Ding ganz sicher nicht!“ Aber dann hören Sie auch schon den risikobewussten Unternehmer: “Also wenn wir das Ding nicht nehmen… Das ist doch die Chance, uns zu entwickeln!“

Was hat die Szene mit Verhandlungstechnik zu tun? Verhandlungen sind doch landläufig Mixturen aus geschliffenen Argumenten, strategischen Überlegungen und der berühmten Durchsetzungsfähigkeit? Es ist (auch) Ziel dieser Serie, mit ein paar gängigen Vorurteilen aufzuräumen.

Gute Argumente führen nicht immer zum Ziel

Geschliffene Argumente wollen jedoch zum richtigen Zeitpunkt gesetzt werden und sind in Menge und Form zu dosieren. Sie können je nach Wirkungswunsch mit verstärkenden (und manchmal auch abschwächenden) Attributen zusammengefügt werden. Abgesehen davon führen sie keineswegs automatisch zum Ziel – leider! Lösen Sie sich vom Allmachtsglauben guter Argumente – wahr ist ohnehin nur, was beim Gegenüber ankommt. Da heißt nicht, dass Sie keine guten Argumente haben oder suchen sollen – es geht nur darum, deren Wirksamkeit auf den Verhandlungserfolg richtig einzuordnen.

Strategische Überlegungen helfen bei der Vorfeldklärung und der Ableitung von Zielkorridoren – mehr nicht. Und das schlimme Wort von der „Durchsetzungsfähigkeit“ vergessen wir mal ganz schnell – weil wir es für unseren Verhandlungserfolg nicht benötigen, mehr noch seine kontraproduktiven Wirkungen beim Gegenüber in jedem Fall vermeiden wollen!

Argumentationsebene nicht überschätzen

Zurück zur Frage: Was hat das innere Stimmengewirr (grundlegend: Schulz von Thun – Miteinander reden Band 3) mit Verhandlungstechnik zu tun? Dazu sei an die Tatsache erinnert, dass Ihre persönliche Wirkung generell zu etwas mehr als der Hälfte aus Ihrer Körpersprache herrührt, ein gutes Drittel der stimmliche Ausdruck beiträgt und sich schlussendlich der Sachinhalt (das Argument) im einstelligen Prozentbereich (ca. 7%) bewegt.

Wenn man das akzeptiert, kann man den Fehler, die Argumentationsebene gravierend zu überschätzen, eigentlich nicht mehr machen. Dann fällt sofort der Blick auf sich selbst – und genau hier leistet das Modell des „Inneren Teams“ (s. Schulz von Thun oben) einen eminent wertvollen Beitrag.

Erst wenn Sie die inneren Stimmen einzeln würdigen, als wertvoll anerkennen und sie als Teil der Lösung integrieren oder begründet(!) überstimmen, haben Sie die Chance, Ihre Außenwirkung hinsichtlich Mimik, Gestik und tonaler Lage überzeugend und stimmig zu gestalten. An schlechten Beispielen mangelt es nicht – sicher kennen Sie Sätze, zu denen der Gesichtsausdruck des Sprechers partout nicht „passen“ will oder auch Menschen, deren innere Unstimmigkeit sie daran hindert, überhaupt etwas zu sagen.

Zurück zur Szene. Was halten Sie von folgender Option: „Lieber Kunde, ich bedanke mich für das aus der Anfrage sichtbar werdende Vertrauen. Ich möchte Sie unter keinen Umständen enttäuschen und bitte um die Zeit, einige Klärungen vornehmen. Passt es, wenn ich morgen Vormittag einmal kurz herein schaue?“ Auf dem Nachhauseweg kommt dann plötzlich der „Familienvater“ hervor, der Ihr Dilemma um eine Vernachlässigungsposition – „Die Kinder sehen Dich ja kaum noch“ – bereichert.

Klären Sie Ihre inneren Stimmen

Nun haben Sie die relevanten inneren Akteure beisammen. Den zeitlichen Freiraum nutzen Sie jetzt für eine Klärung. Den Besorgten müssen Sie einfangen – ansonsten brechen Sie irgendwann zusammen und haben neben Ihrer Gesundheit auch noch das Projekt an die Wand gefahren. Den mahnenden Kalkulator achten sie und beruhigen ihn mit der Zusage, dass die zukünftigen Ertragschancen die erste ökonomische Kraftanstrengung über-kompensieren werden. Der Familienvater wird ebenso gehört und mit seinen Mahnungen integriert.

Nun sind Sie fit. Ihr Statement könnte am nächsten Tag lauten: Lieber Kunde, Ihr Auftrag ist so wichtig für uns, dass ich mir dazu folgende Lösung überlegt habe:

  1. Wir installieren einen Projektleitkreis, der jeden Mittwoch maximal eine Stunde die Geschehnisse sichtet und ggf. Maßgaben beschließt. Es gibt darüber hinaus keine weiteren Besprechungen. Die straffe Führung soll auch absichern, dass wir mit dem Budget auskommen.
  2. Sie und ich sind von Anfang an dabei und haben jederzeit die Möglichkeit einzugreifen – und versichern uns, konstruktiv und kooperativ nach Lösungen zu suchen.
  3. Das Wochenende ist bei Ihnen und mir tabu – unsere Familien haben auch Rechte und ohne unser beider Leistungsfähigkeit bis zum Projektende kommen wir nicht zum Ziel.

Na, was glauben Sie, wirkt das?

Weitere Artikel dieser Serie:

Verhandlungstechnik (Teil II): Ihr Selbstbewusstsein als Erfolgsfaktor!
Verhandlungstechnik (Teil III): Stärken Sie Ihre Verhandlungsmacht!
Verhandlungstechnik (Teil IV): Nutzen Sie Ihre Verhaltensautomatismen!
Verhandlungstechnik (Teil V): Innere Barrieren abbauen!
Verhandlungstechnik (Teil VI): Gliedern Sie erfolgsorientiert!
Verhandlungstechnik (Teil VII): Ihre Vorbereitung ist das A und O!
Verhandlungstechnik (Teil VIII): Nutzen Sie die SWOT-Analyse!
Verhandlungstechnik (Teil X): So treten Sie gewinnend auf!
Verhandlungstechnik (Teil XI): Ihre Agenda ist der Weg!
Verhandlungstechnik (Teil XII): Strategie – aber bitte die richtige!
Verhandlungstechnik (Teil XIII): Welche Strategie ist die richtige für Sie?
Verhandlungstechnik (Teil XIV): Der Kompromiss – Fluch oder Segen?
Verhandlungstechnik (Teil XV): So gelingt Ihr Verhandlungsstart!

(Bild: © shoot4u – Fotolia.com)

Peter Ackermann

Der Unternehmensberater Peter Ackermann vertritt das Spezialgebiet "Verhandlungstechnik". Dabei wird das in 20 Jahren als Projektleiter im Anlagenbau erworbene Wissen dem Markt in Form von Verhandlungskonzepten, Strategieansätzen bis hin zur Ausbildung und Betreuung der Verhandlungsteams zur Verfügung gestellt. Eine handwerkliche Ausbildung sowie die über den zweiten Bildungsweg erworbenen technischen und kaufmännischen Diplome sichern dabei das Verständnis für die konkrete Situation des Auftraggebers ab.

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