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In Teil 4 der Serie haben sie ein wenig in der Typologie geschnuppert und deren Bedeutung in Rahmen der Verhandlungsmacht eingeordnet. Die Andeutung eines spannenden Kapitels wollen wir nun erfüllen. Der Satz: „Das größte Risiko in der Verhandlung sind Sie selbst“ schreit ja geradezu nach einer fundierten Erläuterung.
Manch einer wird sich vielleicht fragen, wann es denn nun endlich mal etwas über die „eigentliche“ Verhandlungstechnik zu lesen gibt, weil er vielleicht den manchmal steinigen Weg der Einbeziehung eigener Eigenschaften nicht gehen mag oder – noch bedenklicher – den eigenen Anteil als ergebnismarginal einschätzt. Dabei wusste schon der chinesische Stratege Sun Tsu vor rund 2.500 Jahren, dass die Kenntnis eigener Stärke (und das übersetzen wir mal in das Wissen um mich selbst) eine wesentliche Voraussetzung zum „Sieg“ (gemeint ist ein positiver Abschluss einer Verhandlung) darstellt.

Die Fülle verhaltenspsychologischer Erkenntnisse ist leider kaum noch zu überblicken. Deshalb gleich eine Leseempfehlung zum Buch von Jochen Mai und Daniel Rettig „Ich denke, also spinn ich“. Die Autoren behandeln darin eine gehörige Bandbreite eigener Fehlstellungen hinsichtlich Wahrnehmung und Verhalten. Die nachfolgenden Effekte sind dem Buch entlehnt und lediglich in den Verhandlungskontext übersetzt. Es geht darum, eigene, selbstverantwortete Risiken zu vermeiden oder zumindest deren Wirkung einschätzen zu können.

Selbstüberschätzung vermeiden

Zurück zur Anfangsprovokation: „Das größte Risiko in der Verhandlung sind Sie selbst!“. An erster Stelle steht die Selbstüberschätzung (Overconfidence-Effekt).

Die Geschichte ist voll davon, ob sie nun den abstürzenden Ikarus heranziehen, den Übernahmeversuch eines Weltkonzerns durch einen Sportwagenhersteller oder die Milliardenverluste eines französischen Börsenhändlers. Leider glauben offenbar die meisten Menschen, sie seien ohnehin deutlich besser als der Durchschnitt, überschätzen ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu jeder Zeit und an jedem Ort.
Sie natürlich nicht…oder? Lassen Sie sich erst einmal darauf ein und nehmen Sie es (vorläufig) als wahr an.

Beispiel: Vorbereitung:

Dann hören Sie bereits bei der ersten brauchbaren Alternativlösung auf zu suchen, glauben ohnehin an die es schon richtende Kraft Ihrer Persönlichkeit, verzichten auf eine „übertriebene“ Vorbereitung („Hat ja bisher auch immer ganz gut geklappt, oder?), sammeln erst kurz vor Beginn Ihre Papiere zusammen, drucken sich nur noch schnell etwas aus, beruhigen sich mit Ihrer Erfahrung oder mit vorweggenommener Siegesgewissheit (Den nehm ich noch vor dem Frühstück !). Konzept und Vorgehensweise haben Sie natürlich im Kopf und die Frage, auf die Sie keine passende Antwort wissen, ist erst noch zu stellen.

Alles völlig fremd, schon klar…

Isolation, Abgehobenheit und Selbstbewusstsein verstärken diesen Effekt übrigens – dagegen hilft ein Verhandlungsbegleiter (siehe Teil 4 dieser Serie) oder allgemein eine – auch bewusst – kontroverse Sicht durch Dritte oder verschiedene Perspektiven.

Die Verhandlungsvorbereitung ist durch nichts zu ersetzen und Gegenstand eines eigenen Kapitels. Die gefühlte Qualität erst macht Sie so ruhig und aufnahmefähig, dass Sie die Signale der anderen Seite bewusst wahrnehmen können, weil Sie nicht ständig damit beschäftigt sind, die passende Antwort zu suchen oder sich Alternativen zu überlegen.

Eigene Fehler erkennen

Zum nächsten Effekt. Er ist schneller erklärt, als wirksam ausgeschaltet – und beschreibt unsere Eigenart, gemachte Fehler nur persönlichkeitsschützend und damit verklärend abzuspeichern. Das mag für die Psyche heilsam sein – leider können wir damit immer weniger aus den so wertvollen Fehlern lernen. Wir blenden Unbequemes schlicht aus, damit uns die Auseinandersetzung erspart bleibt. Sie können diesen Bestätigungsfehler (Confirmation-Bias) mit Aufzeichnungen wirksam begrenzen. Nehmen Sie sich die Zeit jede Verhandlung nachzubereiten und dabei die wesentlichen Schritte, Annahmen, Verhaltensweisen, Vorschläge und Ihre sowie die Reaktionen der Anderen notieren. Sie gewinnen damit auch die Chance, die Entwicklung Ihrer Eigenschaften im Zeitablauf zu beobachten, und ins Steuerrad zu greifen.

Flexibilität in Verhandlungen

Schnell zum dritten und letzten Effekt: Entscheidungsparalyse. Wieso halten wir manchmal so lange an Dingen fest, obschon eine Veränderung dringend geboten wäre? Warum legt uns das Sicherheitsbestreben stets nahe, die Risiken zuerst zu fürchten, bevor wir den Chancen gedanklich Raum geben? Verhandlungen sind nichts für Leute, die an Ihrer Lösung kleben, da die Bereitschaft, sich einzulassen – vielleicht hat ja die andere Seite eine vernünftige Lösung in der Tasche- und auch Abstriche zu machen, unabdingbar dazu gehört!

Was dagegen hilft? Relativieren Sie „Ihre“ Lösung, erstellen Sie sich (mindestens) ein SWOT-Diagramm, das Chancen, Risiken, Schwächen und Stärken übersichtlich zusammenfasst. Sie sehen sofort, wo Ihnen Informationen fehlen, was noch zu entwickeln und zu leisten ist.

Weitere Artikel dieser Serie:

Verhandlungstechnik (Teil I): Ordnen Sie Ihre inneren Stimmen!
Verhandlungstechnik (Teil II): Ihr Selbstbewusstsein als Erfolgsfaktor!
Verhandlungstechnik (Teil III): Stärken Sie Ihre Verhandlungsmacht!
Verhandlungstechnik (Teil IV): Nutzen Sie Ihre Verhaltensautomatismen!
Verhandlungstechnik (Teil VI): Gliedern Sie erfolgsorientiert!
Verhandlungstechnik (Teil VII): Ihre Vorbereitung ist das A und O!
Verhandlungstechnik (Teil VIII): Nutzen Sie die SWOT-Analyse!
Verhandlungstechnik (Teil X): So treten Sie gewinnend auf!
Verhandlungstechnik (Teil XI): Ihre Agenda ist der Weg!
Verhandlungstechnik (Teil XII): Strategie – aber bitte die richtige!
Verhandlungstechnik (Teil XIII): Welche Strategie ist die richtige für Sie?
Verhandlungstechnik (Teil XIV): Der Kompromiss – Fluch oder Segen?
Verhandlungstechnik (Teil XV): So gelingt Ihr Verhandlungsstart!

(Bild: © Xavier Gallego – iStockphoto.com)

Peter Ackermann

Der Unternehmensberater Peter Ackermann vertritt das Spezialgebiet "Verhandlungstechnik". Dabei wird das in 20 Jahren als Projektleiter im Anlagenbau erworbene Wissen dem Markt in Form von Verhandlungskonzepten, Strategieansätzen bis hin zur Ausbildung und Betreuung der Verhandlungsteams zur Verfügung gestellt. Eine handwerkliche Ausbildung sowie die über den zweiten Bildungsweg erworbenen technischen und kaufmännischen Diplome sichern dabei das Verständnis für die konkrete Situation des Auftraggebers ab.

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3 Comments

  • Sehr geehrter Herr Ackermann,

    zunächst einmal vielen Dank, dass Sie unser Buch empfehlen. Allerdings hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen: Mein Name ist nicht Daniel Wittig, sondern Daniel Rettig. Es wäre klasse, wenn Sie das noch ausbessern könnten…

    Herzlich,
    Daniel Rettig

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