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Im ersten Teil wurde aufgezeigt, was für ein längeres Verweilen von Führungskräften in hohen Positionen spricht. Der zweite Teil erläutert die Contras und die Konsequenzen für die Personal- beziehungsweise Führungskräfteentwicklung.

Pro Wechsel

Nachfolgern Platz machen: Wenn die Führungskräfte in einer Organisation sehr lange in ihren Funktionen bleiben, dann hat der Managementnachwuchs meist wenig Entwicklungsperspektiven. Dies ist für sehr gute Mitarbeiter oft ein Grund, die Firma zu wechseln, um beruflich voran zu kommen. Eine relativ kurze Verweildauer in den (qualifizierten) Führungspositionen eröffnet den guten Nachwuchskräften Karrierechancen und mindert die Gefahr, sie zu verlieren.

Verschiedene Bereiche kennen lernen, Bereichsdenke reduzieren:
Ein Problem vieler Unternehmen ist das Bereichsdenken. Es gibt manchmal regelrechte Kriege zwischen den Bereichen. Eine Ursache hierfür ist das fehlende Verständnis für die Belange des Anderen. Zuweilen haben Trainees, die mehrere Bereiche durchlaufen haben, ein besseres Verständnis der Gesamtzusammenhänge als die Manager der Bereiche. Dieses Manko kann nur dadurch behoben werden, dass der Managementnachwuchs sehr verschiedene Funktionen im Unternehmen wahrnimmt und keinen „Kaminaufstieg“ vollzieht.

Die „ganzheitliche Sicht“ über das Unternehmen hilft, die unterschiedlichen Interessenlagen zu verstehen und die richtigen Entscheidungen im Sinne des Gesamtunternehmens zu treffen. Ein weiterer Aspekt ist eine veränderte Haltung, wenn ein Manager weiß, dass er nicht ewig in seiner Funktion bleibt. Morgen kann er aufgrund einer Rotation vielleicht schon auf dem Stuhl des anderen sitzen. Unternehmen, die Führungskräfte oft rotieren lassen, „entpersonifizieren“ die Managementaufgabe. Der Chef muss seine Aufgaben so erledigen, dass er jederzeit wechseln kann und einen „sauberen Laden“ hinterlässt.

Begrenzte Zeit, um die Hierarchiestufen zu durchlaufen:
Auch pragmatische Gründe erschweren oft ein längeres Verbleiben in einer Funktion. Wenn ein Top-Manager alle Hierarchieebenen erlebt und sich in den verschiedensten Funktionen bewährt haben soll, dann darf er nicht länger als vier Jahre in einer Funktion bleiben. Sonst „rennt ihm die Zeit“ davon. Deshalb muss der Personalbereich Potenzialträger regelmäßig aus ihren Funktionen herauslösen, um sie weiterzuentwickeln – selbst wenn sie dies anfangs nicht wollen. Nur so kann der Nachwuchs auf die Übernahme einer Top-Funktion vorbereitet werden.

Internationale Erfahrungen sammeln: Internationale Erfahrung wird immer wichtiger. Jeder Top-Manager sollte einige Jahre im Ausland verbracht haben. Doch auch diese Zeiten dürfen nicht zu lange sein. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Kandidat den „Anschluss“ an die Entwicklung im Mutterkonzern verliert. Die internationale Erfahrung hilft ihm aber, Entscheidungen „über den Tellerrand hinweg“ zu treffen und nicht nur die nationale Brille aufzuhaben.

Konsequenzen für die Personalentwicklung

Die Übersicht der Pro’s und Contra’s zeigt: Es gibt kein Patentrezept. Eine gute Führungskräfte- beziehungsweise Managemententwicklung erfordert ein Wechselspiel zwischen Kontinuität und Wechsel. Leider gibt es in den Unternehmen oft „Glaubenskrieger“: Auf der einen Seite die „Kontinuitätsverfechter“, die das „Job-Hopping“ verfluchen; auf der anderen Seite die „Wechsler“, die ich-zentriert ihren Karriereweg im Unternehmen gehen und oft frustrierte Mitarbeiter hinterlassen, die sich betrogen fühlen. Hier liegt eine bisher vernachlässigte Aufgabe der Führungskräfteentwicklung. Sie muss die Wechselprozesse professionell begleiten, ihre Hintergründe erklären und die Mitarbeiter im Übergangs- und -gabeprozess stärken.

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für die Führungskräfteentwicklung?

  1. Die (Miss-)Erfolge einer Führungskraft sollten auch über die Dauer ihres Wirkens in einer Funktion hinaus in die Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit einfließen – auch um „Schaumschläger“ frühzeitig zu identifizieren.
  2. Es sollte darauf geachtet werden, dass Führungskräfte nicht zu kurz in den einzelnen Funktionen verweilen (zum Beispiel weniger als zwei Jahre).
  3. Bei einem Führungswechsel sollte der Prozess des Abschiednehmens professionell gestaltet und aktiv gefördert werden – zum Beispiel mit entsprechenden Workshops.
  4. Ganz gleich wie viel Wechsel ein Unternehmen im mittleren Management anstrebt, sollte darauf geachtet werden, dass an der Unternehmensspitze weitgehend Kontinuität besteht.

Weitere Artikel dieser Serie:

Managemententwicklung: Laufbahnplanung für künftige Top-Manager (Teil I)

(Bild: © pdesign – Fotolia.com)

Dr. Georg Kraus

Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die fast 50 Trainer, Berater und Coachs arbeiten. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist Autor des Change Management Handbuch sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.

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