Skip to main content

Auch wenn der Winter unmittelbar bevorsteht und sich vermutlich jeder über eine schöne weiße Weihnacht freuen würde – das böse Wort „Schneeballsystem“, das von zahlreichen Medien in Zusammenhang mit dem Strom-Discounter Teldafax ins Rennen geworfen wurde, brachte in den vergangenen Wochen eine wahre Lawine an Presseberichten, Gegendarstellungen und gegenseitigen Anschuldigungen ins Rollen. Teldafax sieht sich im Fadenkreuz einer gezielten Kampagne, die den anstehenden Verkauf des Unternehmens sabotieren soll – bleibt jedoch in etlichen Fragen noch Antworten schuldig.

Von Unternehmer.de-Reporterin Linda Csapo

„Bekannt aus Funk und Fernsehen!“ steht gleich dreimal stolz auf der Homepage der Teldafax Holding AG. Der Billig-Stromanbieter sonnt sich gern in dem Licht der medialen Aufmerksamkeit, bevorzugt an der Seite starker Männer: So ist etwa Fußball-Liebling Rudi Völler Gesicht und Stimme der aktuellen millionenschweren TV- und Radiokampagne. Das Firmenlogo des Bayer Leverkusen-Sponsors ist außerdem jedes Wochenende in den Bundesligastadien zu sehen, der smarte Kapitän Michael Ballack trägt es besonders medienwirksam auf der Brust.

Im September sponserte Teldafax den Boxweltmeisterkampf Wladimir Klitschkos gegen Samuel Peter. „Teldafax steigt in den Ring!“ lautete die Überschrift der dazugehörigen Pressemitteilung. Doch es war eben nicht diese Art erwünschter Öffentlichkeit, die Teldafax in den vergangenen Wochen zuteil wurde; das Unternehmen musste selbst viele Fausthiebe einstecken, teilte aber auch ordentlich aus. Im öffentlichen Hin und Her um Gerüchte über Insolvenzverschleppung, Überschuldung und dubioser Geschäftspraktiken war ein offener Schlagabtausch mit dem Handelsblatt der bisherige Höhepunkt einer herbstlichen Wirtschaftsfarce.

Hauptverwaltung Teldafax in Troisdorf

Das Handelsblatt attestierte dem Troisdorfer Unternehmen im Oktober eine langjährige finanzielle „Schieflage“: Teldafax sei seit eineinhalb Jahren überschuldet. Tatsächlich schrieb das Unternehmen, das in Deutschland seit vier Jahren als unabhängiger Energieanbieter agiert, in den vergangenen Jahren noch Verluste, was aber bei einem Start-Up Unternehmen mit hohen Aufbauinvestitionen an und für sich noch nichts Ungewöhnliches sein muss. Doch 2008 konnte Teldafax Stromsteuern in Höhe von 18 Millionen Euro vorübergehend nicht bezahlen, bis zum Jahr 2009 summierten sich die Ausstände auf 28 Millionen. Diese sind inzwischen zwar bezahlt. Jedoch stammte die letzte Konzernbilanz aus dem Jahr 2007. Nach wie vor sind die Jahresabschlussberichte aus den Jahren 2008 und 2009 nicht testiert: der zuständigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO fehlen hierfür laut eigener Aussage noch grundlegende Informationen. Das ist, bei aller Fairness, nicht gerade vertrauenerweckend.

Anzeige gegen ehemaligen Finanzchef

Zudem zitiert das Handelsblatt interne Papiere, die ihm vorliegen und die den Stromdiscounter in kein sehr schönes Licht tauchen. Zunächst heißt es noch in einem Bericht der Teldafax-Controlling-Abteilung vom 7. September 2009: „Der vorläufige Jahresbericht 2008 der Teldafax Energy weist ein negatives Eigenkapital von ca. 40 Millionen Euro aus. Die damit bestehende bilanzielle Überschuldung ist laut Paragraph 19 Insolvenzrecht kein Insolvenzgrund, solange die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist.“ Knapp zwei Wochen später, am 22. September fand am Firmenhauptsitz in Troisdorf eine außerordentliche Sitzung mit den Vorständen, den Wirtschaftsprüfern von BDO sowie Vertretern der Anwaltskanzlei Görg statt. Laut Protokoll attestierten zunächst auch die Sanierungsspezialisten, dass derzeit „noch keine Insolvenzverschleppung stattgefunden“ habe. Sollte dies allerdings der Fall sein, heißt es weiter, werde die Kanzlei, um sich nicht der „Beihilfe schuldig zu machen“ ihre Beratungen einstellen. Was dann drei Wochen später auch geschehen ist.

Der damalige Finanzchef von Teldafax, Alireza Assadi, wies laut eigener Aussage im Oktober 2009 die Vorstände ebenfalls darauf hin, dass er die Firma für „überschuldet und illiquide“ halte. Er bereitete einen Insolvenzantrag vor. Am 26. Oktober wurde er vom Aufsichtsrat als Vorstand abberufen.

Teldafax behauptet heute, die Görg-Anwälte seien nie offiziell beauftragt worden und hat gleichzeitig Anzeige gegen „Wirtschaftskriminelle“ erstattet, die die Medien „gezielt mit einer Fülle von missverständlichen und falschen Informationen über das Unternehmen“ beliefert hätten. Gemeint ist Assadi. Dieser ist sich jedoch keiner Schuld bewusst: er habe „lediglich auf Nachfrage die Situation beschrieben, wie sie damals war.“

„Wir haben das Vorkassenprinzip nicht erfunden“

Klaus Bath, Vorstandsvorsitzender Teldafax

Das Teldafax-Management ist jedenfalls „entsetzt über die Flut der Veröffentlichungen und die darin enthaltenen Mutmaßungen, Gerüchte beziehungsweise größtenteils falschen Sachverhalte“, wie es die Vorstandsvorsitzenden Klaus Bath und Gernot Koch, Vorstand Operations von Teldafax, in einer Pressemitteilung formulieren. In einem offenen Brief an die Chefredakteure des Handelsblattes werfen sie den Journalisten zudem vor, sich auf Dokumente zu berufen, die sie durch illegale Aktivitäten Dritter zugespielt bekommen hätten. Alle Vorwürfe werden entschieden dementiert, insbesondere auch die Mutmaßungen, man betreibe ein Schneeballsystem. Das Handelsblatt verschweige ganz bewusst, dass die Investitionen in Neukunden mit einem in Kauf genommenen Verlust ein übliches und geprüftes Wirtschaftsverhalten sei. Dieses Verhalten sei nicht zuletzt deshalb notwendig, um sich als aufstrebender unabhängiger Anbieter überhaupt gegen die alteingesessenen Energieriesen behaupten zu können.

„Auch das Vorkassenprinzip haben nicht wir erfunden“, so Bath weiter. Und tatsächlich ist das Geschäftsmodell von Teldafax an und für sich nichts Ungewöhnliches mehr: Handy-Prepaidkarten etwa kennt jeder, und nach demselben Prinzip funktioniert auch der Vertrag mit den Strom- und Gaskunden: Die Abnehmer bezahlen ihren zu erwartenden Verbrauch im Voraus und erhalten dafür den Strom zu besonders günstigen Konditionen. Derzeit bieten etwa 76 Energielieferanten Verträge mit jährlicher Vorkasse an, darunter auch Flexstrom, Prioenergie und stromistbillig.de. TelDaFax ist also mitnichten eine Ausnahme. Doch die Tarife von Teldafax liegen zum Teil so dramatisch unter den Preisen der örtlichen Anbieter – zum Teil um bis zu 40 Prozent -, dass sich das Geschäft gar nicht lohnen könne. In online Preisvergleichs-Portalen wird Teldafax so gut wie nie unterboten.

„Absoluter Unsinn“

Das Modell, so der Vorwurf von Verbraucherschützern und Mitbewerbern, könne nur aufgrund aggressiver und permanenter Gewinnung von Neukunden – und deren Vorauszahlungen – funktionieren. Und ja, ein unprofitables System, das sich nur durch exponentielles Wachstum aufrechterhalten könnte, ist früher oder später naturgemäß zum Zusammenbruch verdammt und würde somit sämtliche Merkmale eines Schneeballsystems erfüllen. Und Schneeballsysteme sind in Deutschland schlichtweg illegal.

Ohne dieses unschöne Wort zu verwenden, habe einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsanstalt GKK Partners zufolge, das dem Handelsblatt ebenfalls vorliegt, Teldafax erst im Sommer ein neues Vorkassen-Tarifmodell auf den Markt gebracht, dessen einziges Ziel es sei, „kurzfristig Liquidität zu generieren.“ Diese angestrebte Liquidität in Höhe von 56 Millionen Euro sei Voraussetzung, um Altschulden zu begleichen. Weiter heißt es in dem Gutachten: „Die Geschäftsführung nimmt in Kauf, dass dieser Festtarif sich voraussichtlich insgesamt als nicht kostendeckend erweist.“

„Das ist absoluter Unsinn“, so Gernot Koch. „Wir müssen nicht täglich 100.000 neue Kunden gewinnen, damit wir einen Kundenstamm von 500.000 vorweisen können.“ Etwa 70 Prozent der Teldafax-Kunden seien darüber hinaus gar keine Vorauszahler, sondern beglichen ihre Rechnungen monatlich. Alle anderweitigen Behauptungen seien „unwahr, falsch und geschäftsschädigend.“

„Wir sind überzeugt, dass die losgetretene Medienkampagne in erster Linie dazu dient, Teldafax zu beschädigen und so den Verkaufsprozess, in dem sich das Unternehmen befindet, zu torpedieren.“

„Sehr komfortable finanzielle Situation“

Denn tatsächlich stand Teldafax seit Wochen in Verhandlungen mit einem möglichen Investor, der die rettende Geldspritze injizieren sollte. Im Vorfeld fiel immer wieder der Name des russischen Stromunternehmens Energostream, der sich nun auch auf dem deutschen Strommarkt engagieren wolle. Doch auch der ebenfalls unabhängige Energieanbieter Flexstrom spielte öffentlich mit dem Gedanken, den angeschlagenen Erzrivalen übernehmen zu wollen: Im Gegensatz zu Teldafax befindet sich Flexstrom seit zwei Jahren in den schwarzen Zahlen, 2010 soll der Gewinn bei einem Umsatz von etwa 270 Millionen Euro zwischen zehn und elf Millionen Euro liegen. Zu einer Übernahme der Teldafax-Kunden und Mitarbeiter sei Flexstrom laut Vorstandschef Robert Mundt finanziell jedenfalls in der Lage gewesen und hätte erwogen, ebenfalls ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Doch davon wollte Teldafax offenbar nichts wissen: Denn seit 4. November sind die Verträge nun trotz aller angeblichen Sabotagekampagnen unter Dach und Fach, auch wenn man noch nichts Genaueres dazu sagen möchte.

Es dürfte sich aber aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich um Energostream handeln. Früheren Informationen zufolge wollte der Investor 75 Prozent der Anteile von den Altaktionären übernehmen, laut Financial Times sind 100 Millionen Euro im Spiel. Entsprechend groß ist die Erleichterung in der Chefetage: „Die Entscheidung unseres Aktionärs kommt genau zum richtigen Zeitpunk“, freut sich Klaus Bath. „Wir befinden uns jetzt finanziell in einer sehr komfortablen Situation und können damit schneller wachsen, als geplant.“ In diesem Jahr will Teldafax eine halbe Milliarde Euro erwirtschaften, im kommenden Jahr erstmals schwarze zahlen Schreiben.

Auch die Teldafax-Kunden haben sich bislang offenbar von den Untergangsszenarien nicht abschrecken lassen: Alleine im Oktober konnte das Unternehmen 50.000 neue Abschlüsse verbuchen. Ein rasanter Zuwachs: Insgesamt versorgt Teldafax damit etwa 500.000 Strom- und 150.000 Gas-Kunden.

Die TV-Spots mit Rudi-Völler sind im Herbst 1105 mal im Fernsehen gelaufen, die Radiospots 1.740mal.

(Bild: © Semen Barkovskiy – Fotolia.com)

unternehmer.de

unternehmer.de ist das Wissensportal für Fach- und Führungskräfte im Mittelstand, Selbständige, Freiberufler und Existenzgründer.

Der Artikel hat dir gefallen? Gib uns einen Kaffee aus!

Leave a Reply