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Seminare und Trainings müssen „maßgeschneidert“ sein. So lautete jahrelang das Credo im Weiterbildungsbereich. Doch zunehmend macht sich in den Unternehmen die Erkenntnis breit: Oft genügen Seminarkonzepte von der Stange, die dem Bedarf der Zielgruppe angepasst werden.

„Ich dachte, ich hör’ nicht recht.“ Verkaufstrainer Klaus Maier* erinnert sich noch gut an einen Termin, den er vor einem Jahr beim Personalleiter einer Handelskette hatte. Wortreich erklärte er diesem, wie er für Kunden Seminare konzipiert. „Zuerst führe ich eine Feldanalyse durch, um den Bedarf zu erkunden. Dann vereinbare ich mit ihnen die Ziele der Maßnahme. Anschließend entwickle ich ein Seminar, das … “

Weiter kam Maier nicht, da ihn der Personalleiter knurrig unterbrach: „So einen aufwendigen Kram können wir uns nicht leisten. Haben Sie kein Standardseminar, mit dem Sie unsere Mitarbeiter trainieren können?“

Maier war pikiert und versuchte den Einwand mit den gewohnten Trainer-Argumenten zu entkräften. „Aber das Seminar soll doch die Philosophie Ihres Hauses widerspiegeln, und nur wenn es Ihren Mitarbeitern auf den Leib geschneidert ist, … “

Weit kam Maier damit nicht, denn der Personalleiter erklärte ihm klipp und klar: „Wenn Sie wirklich ein im Fachhandel erfahrener Trainer sind, dann erwarte ich, dass Sie sozusagen aus dem Stand unsere Mitarbeiter trainieren können. Denn letztlich haben die Verkäufer alle die gleichen Defizite – egal, ob sie für das Kaufhaus X oder Y arbeiten. Deshalb bin ich nicht bereit, eine aufwendige Produktentwicklung zu bezahlen.“

Mitarbeiter-Training: Kosten-Nutzen-Relation muss stimmen

Solche Reaktionen erfahren Trainer seit einigen Jahren immer häufiger. Denn in den Unternehmen hat sich eine neue Denke breit gemacht. Diese Erfahrung sammelt Prof. Dr. Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW), Hannover, immer wieder.

Auf der einen Seite erachten sie ein Weiterbilden der Mitarbeiter als unverzichtbar. Also investieren sie hierfür Zeit und Geld. Zugleich sollen aber Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen. Also schauen sie zunächst sehr genau hin, wer und was geschult wird, und entscheiden dann: Was ist uns das Erreichen dieses Ziels wert?

Eine Folge hiervon ist: „In den meisten Unternehmen existieren nebeneinander mehrere Personalentwicklungskonzepte“, wie Dr. Georg Kraus betont. Der Unternehmensberater aus Bruchsal erläutert dies an einem Beispiel. Vor einiger Zeit fragte er den Bereichsleiter Personal einer Kapitalanlagegesellschaft nach deren Mitarbeiterqualifizierungsstrategie.

Dessen Antwort: „Wir haben zwei. Bei den ‚Stars und Sternchen’ – also zum Beispiel den Kandidaten für obere Führungspositionen und den stark umworbenen Fondsmanagern – lautet unsere Maxime ‚den Allerwertesten pudern’.“ Das heißt, für diese Mitarbeiter werden aufwendige Entwicklungsprogramme konzipiert und für sie gibt es auch individuelle Fördermaßnahmen wie Einzelcoachings. Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Ziel: Trainings standardisieren, Kosten minimieren

Anders sieht die Strategie in den Verwaltungsbereichen, im so genannten Backoffice aus. Dort lautet die Maxime „die Weiterbildung soweit wie möglich standardisieren und die Kosten minimieren“.

Das heißt: Dort findet in der Regel keine langfristige Personalentwicklung statt. Die Weiterbildung erfolgt weitgehend bedarfsorientiert. Doch nicht nur dies. Dort kommen auch zumeist standardisierte Trainingskonzepte zum Einsatz und als Trainer fungieren vielfach firmeninterne Fachkräfte oder die Vorgesetzten.

Solche Doppelstrategien lautstark verkünden, das tun Unternehmen in der Regel nicht. Sie schmücken sich lieber mit den aufwendigen Förderprogrammen für die „Stars und Sternchen“ – auch um als attraktive Arbeitgeber zu erscheinen.

„Faktisch gibt es aber in fast allen Großunternehmen eine differenzierte Personalentwicklungsstrategie“, weiß Dr. Georg Kraus. „Alles andere wäre betriebswirtschaftlicher Nonsens.“

Dass sich das Denken der Unternehmen gewandelt hat, spürt auch Wolfgang J. Schmitt, Würzburg. Sein Unternehmen verkauft unter der Marke Trainplan® fix und fertig ausgearbeitete Seminarkonzepte. Seit circa drei Jahren registriert Schmitt eine „deutlich gestiegene Nachfrage“ nach solchen Konzepten. „Die Unternehmen nutzen diese verstärkt, um speziell ihre Mitarbeiter auf der operativen Ebene zu schulen.“

Aus mehreren Gründen: Zum einen erachten sie es als wenig sinnvoll, wenn diese oft personenstarken Mitarbeitergruppen von zahlreichen Einzeltrainern trainiert werden, die alle mit verschiedenen Konzepten und Unterlagen arbeiten. „Eine gewisse Standardisierung ist hier auch aus Qualitätssicherungsgründen gewünscht.“

Zum anderen fragen sich die Unternehmen immer häufiger: Müssen wir, wenn es um das Schulen von Standardthemen geht, das Rad immer wieder neu erfinden? Oder ist es nicht effektiver, auf bewährte Konzepte zurückzugreifen und diese unserem Bedarf anzupassen?

Mitarbeiter-Training: Lieber Standardseminare als Selbstlernmedien

Für Prof. Dr. Müller-Siebers hat der zunehmende Rückgriff der Unternehmen auf standardisierte Seminarkonzepte gerade in den Bereichen, in denen viele Mitarbeiter arbeiten, wie zum Beispiel in der Produktion oder in der Verwaltung, durchaus positive Aspekte.

Denn was wäre die Alternative? Die Unternehmen würden bei diesen Personengruppen aus Kostengründen entweder ganz auf ein Schulen der Mitarbeiter verzichten oder verstärkt auf Selbstlernmedien wie E-Learning-Programme setzen.

Letzteres haben die Betriebe in den zurückliegenden Jahren vielfach getan. Die Folge, so der Eindruck von Müller-Siebers: Gerade die Mitarbeiter, die am ehesten eine persönliche Unterstützung beim Lernen benötigt hätten, weil sie die geringste Erfahrung mit dem Selbstlernen haben, mussten mit diesen Medien lernen.

„Die Führungskräfte und die hochqualifizierten Spezialisten hingegen, die meist eine akademische Ausbildung haben, fuhren weiterhin auf Seminar.“

*Name geändert

(Bild: © ioannis kounadeas – Fotolia.de)

Bernhard Kuntz

Bernhard Kuntz (geb. 1958) ist Inhaber des PR-und Redaktionsbüros Die ProfilBerater. Er ist auf die Themen Marketing und Verkauf sowie Personal- und Unternehmensführung spezialisiert. Er ist Autor der Bildungs- und Beratungsmarketing-Fachbücher „Die Katze im Sack verkaufen“ (2005) und „Fette Beute für Trainer und Berater“ (2006). Außerdem veröffentlichte er die PR-Ratgeber für Dienstleister und Berater „Warum kennt den jeder?" (2008) und "Mit PR auf Kundenfang" (2010).

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