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Der falsche Umgang mit Fehlern verursacht dreifache Folgekosten: Für die fehlerhafte Leistungserstellung, für die Mängelregulierung und solche, die aus der Abwanderung enttäuschter Kunden entstehen. Deshalb heißt es, eine konstruktive Aus-Fehlern-lernen-Kultur zu entwickeln.

Das bedeutet, nicht nur den Fehler schnellstmöglich zu beseitigen, sondern auch, gemeinsam zu besprechen, wie Fehler in Zukunft vermieden werden können.

Viele Vorgesetzte zögern jedoch, Fehlergespräche zu führen, weil sie Angst haben vor einer unangenehmen Reaktion des Mitarbeiters (er/sie ist verletzt, wird böse, sperrt sich, weint), mit der sie nicht umgehen können. Oder sie befürchten, sich unbeliebt zu machen bzw. im Gegenzug selbst kritisiert zu werden.

Konflikte lösen

Klare, offene und ehrliche Signale sind allerdings die wertvollsten Geschenke, die eine Führungskraft seinen Mitarbeitern geben kann. Mitarbeiter absichtlich im Unklaren über die Qualität ihrer Leistungen zu lassen, ist grausam. Unausgesprochene oder schwelende Konflikte verursachen eine permanente und gesundheitsschädliche Hochschaltung der Stresssysteme. Ein fair geführtes Gespräch sorgt hingegen wie ein reinigendes Gewitter wieder für gute Luft.

Wer seinen Mitarbeitern berechtigte Kritik vorenthält, nimmt ihnen die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Kritikgespräche sind also in Wirklichkeit Fördergespräche und damit Geschenke. Sie sind notwendig, um den Mitarbeiter auf unerwünschte Auswirkungen seines Verhaltens hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zu geben, seine Leistungen zu verbessern. Entscheidend dabei ist, zu wissen, wie man sie führt.

Zwei Leitfragen

In einem Fehlergespräch gibt es letztlich nur zwei Fragen, die interessieren: Was war die Ursache? Und: Wie können wir es in Zukunft besser machen? In dem Bewusstsein, dass besprochene Fehler Lernchancen sind, werden alle experimentierfreudig auf die Suche nach passenderen Lösungen gehen. Ein Meister der Gesprächsführung sind Sie dann, wenn der Mitarbeiter sich nach dem Fehlergespräch besser fühlt als vorher und sich sogar ausdrücklich bedankt.

Hier finden Sie eine ausführliche Checkliste, die Ihnen hilft, Fehler-Gesprächsziele zu erreichen

  • Das Gesprächsziel definieren: Bevor Sie den Mitarbeiter zum Gespräch bitten, machen Sie sich am besten ein paar Stichpunkte. Definieren Sie vor allem Ihr Gesprächsziel, und das am besten schriftlich, wie zum Beispiel: „Der Mitarbeiter hat sein Fehlverhalten erkannt, er macht sich motiviert daran, es abzustellen und kommt so zu einer Leistungsverbesserung.“ Definieren Sie ein optimales Ziel, und für den Fall, dass sich dieses nicht erreichen lässt, ein Minimalziel. So können Sie im Verlauf des Gesprächs immer mal wieder den ‚Helikopter-Blickwinkel‘ einnehmen, sich also von oben auf die Situation schauend fragen: „Ist es zielführend, was ich da gerade sage/tue?“
  • Unter vier Augen: Führen Sie Fehlergespräche am besten persönlich, d.h. möglichst nicht am Telefon – und immer unter vier Augen. Also gilt: Nie vor Dritten tadeln, schon gar nicht vor Kunden. Nie Unbeteiligten darüber berichten. Wer sich vor anderen gedemütigt fühlt und sein Gesicht verliert, geht in die Konfrontation oder in die innere Kündigung. Er sinnt auf Vergeltung und wird Sie für Ihr Fehlverhalten bestrafen: Durch Dienst nach Vorschrift, durch Boykott oder durch üble Nachrede. Und: Egal, wer das ‚Theater‘ beobachtet, die Menschen halten immer zum Schwächeren. Das ist das David-Prinzip.
  • Der passende Ort: Wählen Sie für Ihr Gespräch einen neutralen, ruhigen Ort. Ihr Chefzimmer ist dazu denkbar ungeeignet, denn dort haben Sie als Platzhirsch die besseren Karten. Und der Mitarbeiter wird automatisch in die Defensive gehen. Setzen Sie sich am besten über Eck nebeneinander und nicht gegenüber, das verhindert Konfrontation. Im Gehen funktionieren schwierige Gespräche übrigens besser, da durch Bewegung die in solchen Situationen freigesetzten Stresshormone besser abgebaut werden können. Halten Sie etwas zu essen und zu trinken bereit. Sorgen Sie ggf. für Taschentücher in Reichweite.
  • Der Zeitpunkt: Auf Fehlverhalten müssen Mitarbeiter zeitnah angesprochen werden. Also gilt: Keine Fehler sammeln wie Rabattmarken, um irgendwann zum Rundumschlag auszuholen, keine alten Geschichten aufwärmen, kein ‚Tag des Jüngsten Gerichts‘. Nehmen Sie sich genügend Zeit, planen Sie auch ausreichend Redezeit für den Mitarbeiter ein. Ein Fehler-Gespräch zwischen Tür und Angel bewegt gar nichts. Fragen Sie den Mitarbeiter, ob/wann ihm der Zeitpunkt recht ist. So fühlt man sich der Situation nicht ausgeliefert, sondern behält ein gewisses Maß an Kontrolle. Nie sollten Kritikgespräche gleich am frühen Morgen geführt werden, denn dann gehen Laune und Motivation für den Rest des Tages nach unten. Auch der späte Nachmittag sowie der Freitag Nachmittag sind wenig geeignet, denn dann nimmt der Mitarbeiter die schlechten Gefühle mit nach Hause. Führen Sie Ihre Kritikgespräche besser kurz nach der Mittagspause: Am Vormittag arbeitet der Mitarbeiter noch produktiv. Nach dem Gespräch hat er genügend Zeit, geeignete Maßnahmen einzuleiten, um den Fehler zu korrigieren. Bis zum Abend ist dann die Wahrscheinlichkeit groß, dass er das Ganze verarbeitet hat.
  • Der Gesprächsbeginn: Fragen Sie den Mitarbeiter zunächst um Erlaubnis, ihm ein Feedback geben zu dürfen (‚Ich möchte Ihnen eine Rückmeldung geben, weil ich meine, dass Sie da etwas verbessern können, OK? Passt es Ihnen jetzt gerade?‘- Pause und Antwort abwarten). So bereiten Sie den Boden für Offenheit und Aufnahmebereitschaft anstelle bloßer Unterordnung. Und der Mitarbeiter fühlt sich nicht überrumpelt. Misstrauen wäre die Folge. Stellen Sie etwas Positives an den Anfang des Gesprächs und halten Sie sich an das Harvard-Konzept: Hart in der Sache, weich zu den Menschen.
  • Die Gesprächsführung: Sagen Sie, in welche Richtung das Gespräch gehen wird, damit Klarheit besteht. Seien Sie ernst, beschönigen Sie nicht, verniedlichen Sie nicht, entschuldigen Sie sich nicht, auch nicht danach. Wichtig: Keine Wutausbrüche und kein Gebrüll: Führen Sie das Gespräch erst dann, wenn der eigene Zorn verraucht ist, sonst schwappen die Emotionen schnell über. Eskalation macht konstruktive Lösungen nahezu unmöglich. Weiter gilt: Nicht nach Schuldigen, sondern nach Ursachen forschen, Fehlverhalten beschreiben und nicht werten, Auswirkungen sichtbar machen, aber nicht verurteilen, Konsequenzen aufzeigen aber nicht drohen. Vermutungen als Vermutungen und Gefühle als Gefühle formulieren. Keine Anschuldigungen auf Verdacht oder aufgrund von Hinweisen Dritter äußern, Sie erreichen damit nur Abwehrhaltung und Abschottung. Also: Keine Unterstellungen, sondern nur klare Fakten nennen („Lassen Sie mich beschreiben, was ich festgestellt habe.“), ehrlich, taktvoll und sauber argumentieren, keine Verallgemeinerungen (immer, ständig, nie), keine Ironie, kein Spott, keine spitzen Bemerkungen, nicht persönlich werden, nie unter der Gürtellinie agieren. Den Mitarbeiter nicht fertig machen! Persönliche Angriffe und ständige Kritisiererei erzeugen Widerspruch, Ängste oder Mutlosigkeit, vielleicht sogar Hass und Rachegelüste. Das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters muss intakt bleiben. Sie brauchen ihn am Ende größer und nicht kleiner – er soll es ja in Zukunft besser machen. Wer sich als Versager fühlt, wird dies schließlich auch sein.
  • Die Wortwahl: Finden Sie konstruktive Formulierungen wie etwa so: …“Gut, dass der Fehler jetzt aufgetaucht ist. Was er bewirkt hat, darüber bin ich wirklich nicht glücklich, doch nun lassen Sie uns sehen, wie wir das aus der Welt schaffen und was wir in Zukunft daraus lernen können.“  Fehler können auch als Anliegen oder Lernchance präsentiert werden. Drücken Sie sich positiv aus. Also nicht: “Sie sind aber langsam heute!“ sondern: „Diese Arbeit hat diesmal, soweit ich das gesehen habe, unverhältnismäßig viel Zeit gebraucht, oder?“ Am besten arbeiten Sie mit den sogenannten Ich-Botschaften. Sie klingen etwa so: Ich habe wahrgenommen …. – Aus meiner Sicht …“- „Es hat mich überrascht, dass …“ – „Ich finde es schade, dass …“. Falsch ist dagegen: ‚Ich bin von Ihnen enttäuscht‘. Das verletzt und wird als persönlicher Angriff gewertet.
  • Die nonverbalen Signale: Achten Sie auf Ihre nonverbalen Signale: Seien Sie dem Gesprächspartner zugewandt, halten Sie Blickkontakt, selbst wenn Ihnen das Gespräch unangenehm ist, legen Sie Freundlichkeit in Ihren Blick und in Ihre Stimme. Ein sehr wirkungsvoller kleiner Trick: Gehen Sie mit Ihrer Stimme ein wenig nach unten, sprechen Sie ruhig und langsam. Die Hände sind auf dem Tisch, kein Kuli in der Hand, keine aggressiven Gesten. Vermeiden Sie Herrschaftsgehabe und nonverbale Abfälligkeiten wie Augenrollen, Schnauben, Gähnen, aus dem Fenster schauen und gelangweilt tun, wenn der Mitarbeiter spricht.
  • In den Dialog treten: Ein Fehlergespräch ist kein Verhör, sondern ein Dialog. Geben Sie dem Mitarbeiter immer Gelegenheit zu einer Stellungnahme bzw. zu einer eigenen Darstellung. Das klingt zum Beispiel so: ‚Mir ist aufgefallen … – Und wie werten Sie Ihr Verhalten?‘ oder: ‚Das ist meine Erwartung an Sie … – Und wie sehen Sie das?‘ Lassen Sie ihm nun ausreichend Redezeit, hören Sie fair und sachlich hin, fragen Sie nach. Deuten Sie durch nonverbale Zeichen, wie etwa ein Nicken, Verstehen an. Wollen Sie nämlich Verständnis für Ihren Standpunkt erreichen, dann zeigen Sie am besten zunächst Verständnis für den des Mitarbeiters. Verstehen heißt ja nicht, einverstanden zu sein.
  • Keine Rechtfertigungen! Im Fehlergespräch geht es um Ursachen und Lösungen und nicht um Sündenböcke. Fragen Sie also nach dem Wie („Wie kam es, dass …?“) und nicht nach dem Warum („Warum haben Sie …?“) Wer sich rechtfertigen muss, entmündigt sich. Überhören Sie Ausreden und Ausflüchte (‚Bitte, kommen wir wieder zur Sache! Ich stelle Ihnen nochmal die Frage: …‘). Akzeptieren Sie auch nicht, dass die Schuld auf andere geschoben wird. (‚Was war denn Ihr Anteil dabei?‘ Oder: „Darum geht es jetzt gar nicht. Kommen wir noch mal zu …“)
  • Die Lösung finden: Lassen Sie nach Möglichkeit den Mitarbeiter die Lösung selber finden, dann wird er sie auch umsetzen wollen. (‚Was werden Sie nun tun?‘ Oder: ‚Lassen Sie uns schauen, wie sich das in Zukunft anders machen lässt. Wie ließe sich denn aus Ihrer Sicht die Sache verbessern? … Ja, ich glaube, das bringt uns weiter! Bis wann können Sie …?‘). Machen Sie ihrerseits Angebote statt Vorschriften, geben Sie Anregungen und keine Ratschläge. Nichts ist schlimmer als ein oberlehrerhafter Ratschlag im falschen Augenblick oder ein Chef, der ständig herausstellt, um wie viel besser er es selbst gemacht hätte. Wer im Rahmen solch zugegebenermaßen oft schwieriger Gespräche den Mitarbeiter nicht abkanzelt und entwürdigt, sondern konstruktiv aufbaut, fördert nicht nur dessen Selbstachtung, sondern auch dessen kritische Selbsteinschätzung.
  • Die Zielvereinbarung: Schließen Sie jedes Gespräch mit einer klaren Zielvereinbarung ab, mit der der Mitarbeiter einverstanden ist („Wenn Sie damit einverstanden sind …“- Antwort abwarten). Halten Sie dies zusammen mit einem Zeitplan in einer schriftlichen Notiz fest. Drücken Sie Ihre Erwartung aus, dass er sich daran hält. Machen Sie deutlich, dass dies eine klare Absprache ist und keine unverbindliche Absichtserklärung. Diskutieren Sie fragenderweise mit dem Mitarbeiter die etwaigen Konsequenzen, etwa so: „Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach tun, wenn wir uns in zwei Wochen wieder zusammensetzen und feststellen, dass sich nichts verändert hat?“
  • Dank und Reflektion: Bedanken Sie sich am Ende fürs Zuhören und für die konstruktive Lösung. Reflektieren Sie für sich bzw. gemeinsam mit dem Mitarbeiter, wie das Gespräch gelaufen ist und was Sie (beide) beim nächsten Mal besser machen können.
  • Das Follow-up: Beobachten Sie die Umsetzung. Machen Sie aber keine heimlichen Kontrollen. Nicht nachtragend sein. Sprechen Sie für sichtbare Verbesserungen ein sofortiges Lob aus. Führen Sie ein Endgespräch über den Stand der Dinge. Am besten legen Sie dazu den konkreten Termin bereits beim Fehler-Gespräch fest. Setzen Sie dabei den Mitarbeiter nicht unter Druck, definieren Sie dennoch eine ambitiöse Zeitspanne. Und stellen Sie klar: Die einzigen Fehler, die nicht toleriert werden können, sind Absicht, Nachlässigkeit und Schlamperei. Ansonsten ist ein Fehler erst wirklich ein Fehler, wenn er zum zweiten Mal passiert. Fehler also ja, aber bitte nicht zweimal!

(Buchtipp: Anne M. Schüller: Kundennähe in der Chefetage)

(Bild: © sk_design – Fotolia.de)

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Ihre jüngsten Bücher heißen „Die Orbit-Organisation“ und „Querdenker verzweifelt gesucht“.

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