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Viele im Arbeitsleben müssen gar nicht selbst Texte verfassen, sondern sie abschließend beurteilen: Bedienungsanleitungen, Fachpressetexte oder werbliche Texte für Werbebroschüren oder für die Website. Was aber unterscheidet einen guten Text von einem nicht so guten Text? Und kann ein Nichtprofi diesen Unterschied überhaupt aufdecken? Es gibt fünf Merkmale für gute Texte, die Indizien dafür liefern, wo noch Verbesserungspotenzial ist.

1. Aktiv formulieren

Diese Forderung, aktiv zu formulieren, findest du in fast jedem Ratgeber zum guten Schreibstil an erster Stelle. Doch was bedeutet das? Statt: Der Passant wird vom Autofahrer nach dem Weg gefragt, lautet der aktiv formulierte Satz:

Der Autofahrer fragt den Passanten nach dem Weg.

Auch wenn es zunächst unglaublich erscheint: Es gibt kaum einen Satz, der sich durch die Auswahl des entsprechenden Subjekts und des passenden Verbes nicht aktiv formulieren lassen würde. Das gilt auch bei technischen Texten, die auf den ersten Blick kein Subjekt haben.

Beispiel: Das Öl wird durch die Leitungen gefördert.

Eine aktive Formulierung könnte hier heißen:

Die Leitungen transportieren das Öl.

Das Indiz für passive Formulierungen sind die Wörter „werden“ oder „wird“. Wenn du eines dieser Wörter findest, streiche sie an und gib den Text an den Texter zurück. Nach der Überarbeitung sollte das Ergebnis dann eine aktive und damit besser lesbare Formulierung sein.

EXTRA: 11 Texter-Tipps: Diese Elemente braucht dein Artikel [Infografik]

2. Ein „echtes“ Subjekt

Für eine aktive Formulierung ist ein „echtes“ Subjekt erforderlich. Ein nicht echtes Subjekt ist das Kurzwort „man“, das man immer dann einsetzen kann, wenn man nicht mehr weiß, was man so schreiben kann oder wen man so meinen kann.

Auch dieses Wort verdient von dir als KorrektorIn einen „Austauschkringel“ und die Bitte um Verbesserung. Entweder kann es der Leser sein, um den es geht, oder beispielsweise:

  • der Zuhörer/ die Zuhörerin
  • der Kunde/ die Kundin
  • der Interessent/ die Interessentin
  • der Arbeiter/ die Arbeiterin
  • der Studierende
  • der Mitarbeitende

Jedes „man“ lässt sich eliminieren. Oder aktiv formuliert:

Ein Texter sollte in der Lage sein, das Wort „man“ zu konkretisieren.

„Man“ ist also ebenfalls ein No-Go-Wort, das du als Verantwortlicher mit der Bitte um Verbesserung anstreichen kannst, wenn es dir in einem Text entgegenspringt.

3. Hauptsachen stehen in Hauptsätzen

Um etwas besonders herauszuheben, sind Satzanfänge wie „Es besteht die Möglichkeit, dass …“ besonders beliebt. Und dann kommt das Wesentliche im Nebensatz. Denn der Hauptsatz ist schon mit der völlig nichtssagenden Aussage „Es besteht die Möglichkeit“ besetzt.

Wesentliche Gedanken sollten in einem Hauptsatz stehen.

Das Indiz für LeserInnen sind Kurzsätze, auf die nach dem Komma ein „dass“ folgt. Diese Kurzsätze können (meist) komplett eliminiert werden. Dazu zählen neben dem Satz mit „der Möglichkeit“ auch Formulierungen wie:

  • Das Wichtigste ist, dass …
  • Besonders hervorzuheben ist, dass, …
  • Ich bin auch der Meinung, dass …
  • Außerdem ist noch hinzuzufügen, dass …

Normalerweise lassen sich all diese Sätze so umformulieren, dass die Hauptsache, also die wesentliche Aussage, tatsächlich im Hauptsatz steht. Einige Beispiele:

  • Es besteht die Möglichkeit, dass Sie für den gleichen Preis zwei Fahrscheine erhalten.
  • Sie können zum gleichen Preis zwei Fahrscheine erhalten.
  • Besonders hervorzuheben ist, dass dieser Entscheidung wegbereitend ist.
  • Diese Entscheidung ist wegbereitend.

4. Kurze Sätze: Ein Gedanke pro Satz

Wenn Sachen wichtig sind, stehen sie in Hauptsätzen. Und deshalb hat jede bedeutende Sache auch ein Recht auf einen eigenen Satz. Sonst wären sie nicht bedeutend. Im Umkehrschluss bedeutet das:

In jedem Hauptsatz sollte nur ein Gedanke dargestellt werden.

Ein zweiter Gedanke gehört in einen zweiten Satz. Wenn du also mehrere Gedanken in einem Satz feststellst, ist das immer ein Grund zur Überarbeitung des Textes. Meistens werden dann aus einem langen Satz mehrere kurze Sätze, die das Wesentliche dann aber jeweils prägnant darstellen.

Kurze Sätze haben in unserer globalisierten Welt noch einen weiteren Vorteil: Viele Texte werden übersetzt. Kurze griffige Sätze lassen sich viel leichter von einer Sprache in eine andere Sprache transferieren als Bandwurm- und Schachtelsätze. Ist dann noch das Subjekt unklar, kann es zu völligen Sinnveränderungen bei der Übersetzung kommen.

EXTRA: Was macht gute Sprache aus? 5 Tipps für überzeugende Texte

5. Sie oder sie, ihr oder Ihr.

Heißt es jetzt „Können sie ihre Tasche tragen“, „Können Sie Ihre Tasche tragen“ oder „Können Sie ihre Tasche tragen“? Und gibt es überhaupt einen Unterschied? Alle drei Sätze sind richtig – es kommt nur darauf an, was gemeint ist.

  • Im ersten Fall stehen mehrere Personen um eine Frau herum und zwei Unbeteiligte fragen sich, ob die Herumstehenden der Frau wohl die Tasche tragen können.
  • Im zweiten Fall spricht jemand eine Person direkt an und fragt diese Person, ob sie selbst ihre eigene Tasche tragen könne.
  • Und im dritten Fall wird jemand direkt angesprochen, ob er nicht die Tasche der Frau tragen könne.

Alle drei Varianten sind grundsätzlich denkbar – und auch eindeutig bei richtiger Verwendung der Groß- und Kleinschreibung.

Doch wie ist die korrekte Schreibung? Verwende zum Überprüfen einfach anstelle von „Sie“ und „Ihre“ die Wörter „du“ und „dein“ („Du“ und „dein“ werden immer kleingeschrieben – außer am Satzanfang.). Dann heißen die drei Sätze:

  • „Können sie ihre Tasche tragen“
  • „Kannst du deine Tasche tragen“
  • „Kannst du ihre Tasche tragen“.

Es ist jeweils eindeutig, wer angesprochen ist und wer etwas tun soll. In der Höflichkeitsform werden dann die Wörter „du“ und „dein“ in „Sie“ und „Ihre“ umgewandelt und großgeschrieben, alles andere bleibt klein. Auch wenn die Personen aus dem ersten Satz wichtige Persönlichkeiten sind, denen Respekt zu zollen ist, ist das „sie“ nur kleingeschrieben.

Dr. Stefanie Jerems

Dr. Stefanie Jerems ist freiberufliche Autorin und spezialisiert auf technische Texte. Sie hat Physik studiert, in der Elektrotechnik promoviert und sich zur Schweißfachingenieurin weiterqualifiziert. Mit diesem Wissenshintergrund kann sie technische Sachverhalte korrekt einordnen und auf den Punkt gebracht darstellen – in Kundenreportagen, Werbetexten, Presseinformationen und auf Websites. Gerne auch für Ihr Unternehmen! (Tel. 07143 965681, E-Mail: s.jerems@gmail.com)

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6 Comments

  • Ich werde auch weiterhin das Du als Anrede nach den alten Rechtschreibregeln großschreiben. Das ist für mich ein Zeichen von Respekt.

  • Paul Bock sagt:

    Hallo Frau Dr. Jerems,

    ein guter Artikel. Denn er beschränkt sich auf nur fünf wichtige Punkte.Lange Beiträge ermüden den Leser. Die Tatsache, dass „du“ und „dein/e“ etc. klein geschrieben werden, war mir bisher leider nicht bekannt. Vielen Dank für Ihre
    Tipps.

    Fröhliche Grüße

    Paul Bock
    oekobeobachter.com
    https://schreibstueberl.wordpress.com

  • Stefan Scheller sagt:

    Danke für diese guten Impulse, die eigenen Formulierungen immer wieder zu überdenken. Gerade als Blogger ist das wertvoll.
    Etwas seltsam finde ich jedoch den Tipp mit dem „Du“ statt „Sie“. Im Businessumfeld wird es sich kaum umsetzen lassen fremde Menschen plötzlich schriftlich zu dutzen.

    • Stefanie Jerems sagt:

      Hallo Herr Scheller,

      es ging mir nicht darum, die Menschen plötzlich zu duzen, sondern für sich herauszufinden, ob ein Sie nun groß- oder kleingeschrieben werden muss. Kann das Sie (theoretisch) durch ein Du ersetzt werden, wird es großgeschrieben, bleibt es als sie bestehen, wird es kleingeschrieben.
      Das Sie als Anrede ist für mich im Businessumfeld selbstverständlich.

  • Kartoffelpferd sagt:

    Das Beispiel, Zitat: „Die Leitungen transportieren das Öl.“ Zitatende, ist etwas unglücklich gewählt. Leitungen sind nun einmal passive Vorrichtungen und können nichts transportieren. Wenn, dann „gelangt (fließt, kriecht…) das Öl durch die Leitungen“.

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