Skip to main content

Der Innovationsdruck auf Unternehmen nimmt ständig zu: Neue Konkurrenten erscheinen, die Erwartungen der Kunden steigen, und Marktanteile und Gewinnmargen sinken. Im schlimmsten Fall tritt sogar die Commoditisierung ein, und eine tödliche Preisspirale nach unten beginnt. Durch diese Entwicklungen wächst der Bedarf an Ideen für Produktinnovationen – nicht nur für Verbesserungen an bestehenden Produkten, sondern auch für Zusatzangebote und Neuprodukte.

Unternehmen entwickeln diese Ideen oft in einem Ideenworkshop und speisen die besten unter ihnen in ihren Innovationsprozess ein. Es gibt verschiedene Ideenfindungsmethoden, die sich für unterschiedliche Innovationsziele eignen. Eine dieser Methoden ist der „Blick über den Tellerrand“ nach erfolgreichen Produkten aus fremden Branchen.

Inspiration in der Fremde suchen

Selbstverständlich hält ein Unternehmen Ausschau nach interessanten Neuerungen seiner Konkurrenten, um sie gegebenenfalls zu kopieren. Diese Tätigkeit ist zwar notwendig, aber sie ist eine rein defensive Maßnahme, die dazu dient, nicht an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Um proaktiv Wettbewerbsvorteile für seine Produkte entwickeln zu können, braucht es dagegen innovative Ideen. Eine mögliche Quelle für solche Ideen sind Angebote aus anderen Branchen. Diese Ideen haben den Vorteil, dass sie in der eigenen Branche unbekannt sind und dadurch Produkte inspirieren können, die im eigenen Markt neue Kundenvorteile bieten und als innovativ gelten. Dabei ist es wichtig, besonders erfolgreiche und vielschichtige Produkte als Vorbild zu betrachten, deren erfolgsstiftende Merkmale auch bekannt sind.

Ein Produktbeispiel: LEGO-Spielbausteine

Eine vorbildhaftes Produktbeispiel sind die Spielbausteine von LEGO. Sie haben den Vorteil, dass sie seit Jahrzehnten erfolgreich sind und dass jeder sie kennt.

Die folgende Liste enthält 25 charakteristische Eigenschaften des Spielzeugklassikers. Jede Eigenschaft kann als Anregung genutzt werden, um das eigene Angebot zu verbessern oder zu erweitern

25 Produktmerkmale, die für Erfolg stehen

1. Es gibt immer wieder neue Produktvariationen.
2. Das Produkt kann problemlos gereinigt werden.
3. Es gibt sowohl Standard- als auch Spezialprodukte.
4. Alle Komponenten sind miteinander kombinierbar.
5. Es gibt auch Freizeitparks mit dem Produkt.
6. Die Produktvarianten sind nach Kundenreife gestaffelt.
7. Die Anleitungen versteht selbst ein Kind.
8. Vielfältige Sensoren ermöglichen ein vielseitiges Verhalten.
9. Jedes Teil kann nachbestellt werden – und sei es noch so klein.
10. Besonders gelungene Nutzerkreationen werden ins Programm übernommen.
11. Das Produkt unterstützt die Entwicklung seiner Nutzer.
12. Jeder kennt es, auch wenn er es nie selbst benutzt hat.
13. Das Produkt kann auch gemietet werden.
14. Manche Ausgaben sind begehrte Sammlerstücke.
15. Kunden können mit spezieller Design-Software eigene Kreationen entwerfen.
16. Es gibt einen Kinofilm mit dem Produkt.
17. Das Produkt hält praktisch ewig.
18. Es gibt dafür einen lebhaften Gebrauchtmarkt.
19. Nutzer können ihre eigenen Vorstellungen damit realisieren.
20. Spezialeditionen werden mit Kooperationspartnern zusammen entwickelt.
21. Fortschrittliche Varianten können vom Nutzer selbst programmiert werden.
22. Es eignet sich sehr gut als Geschenk.
23. Das Produkt wird in Schulen und Universitäten im Unterricht eingesetzt.
24. Das Produkt wächst mit dem Kunden mit.
25. Es gibt jedes Jahr zu Weihnachten eine Sonderausgabe.

Tipps für die Anwendung in einem Ideenworkshop

  • In einer Ideenrunde oder einem moderierten Ideenworkshop sollte die Liste schnell abgearbeitet werden – entweder es entsteht auf Anhieb eine Idee, oder man geht zügig zum nächsten Eintrag über.
  • Es kann hilfreich sein, die Liste in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen oder die einzelnen Einträge auf Kärtchen oder Präsentationsfolien interaktiv einzusetzen.
  • Als Erstes sollten die Teilnehmer die Gelegenheit erhalten, Eigenschaften des Vorbildproduktes selbst vorzuschlagen; Wenn das Produktbeispiel gut bekannt ist, kann die vorbereitete Liste in einer Folgephase eingesetzt werden, oder sie dient lediglich als Reserve.
  • Bei vielen Produkteigenschaften wird es den Workshop-Teilnehmern nicht gelingen, sie auf die eigene Situation sinnvoll anzuwenden. Das ist ganz normal und sollte nicht als Versagen empfunden werden.
  • Es sollten mehrere Beispiele angeboten werden – am besten aus verschiedenen Branchen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, gute Ideen zu finden. Andere Beispiele sind etwa: BMW, Amazon, Harvard (oder eine andere Eliteuniversität), Nestlé etc. Für jedes dieser Beispiele können vorbereitete Merkmalslisten wie die von LEGO verwendet werden.
  • Der schwierigste Aspekt für die Teilnehmer ist die Übertragung der Eigenschaften der fremden Angebote auf die eigene Situation. Hierfür ist ein gewisses Abstraktionsvermögen notwendig.

Die Betrachtung von Angeboten aus fremden Branchen ist eine sehr wirksame Technik zur Anregung von Produktideen. Sie setzt zwar eine gute Vorbereitung durch den Meeting-Leiter bzw. Moderator voraus, gehört aber dafür aus Teilnehmersicht zu den einfacheren Ideenfindungsmethoden.

Graham Horton

Graham Horton ist Professor an der Universität Magdeburg und Mitgründer der Zephram GbR. Zephram unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung und Bewertung von Ideen für neue Produkte und Dienstleistungen und bei der Durchführung ihrer Innovationsprojekte. Er schreibt regelmäßig über Ideenfindung und Innovation in seinem Blog „Impulse für Innovation“.

Der Artikel hat dir gefallen? Gib uns einen Kaffee aus!

Leave a Reply