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Plötzlich Nachfolger? Die ersten Schritte als neuer Chef! [Teil I]

Neue Aufgabe? Neue Rolle!

Diese Tatsache ist den wenigsten Nachfolgerinnen und Nachfolgern bewusst. Meist kommen Aussagen nach dem Motto:

„Wieso, ich bleibe doch der selbe, der ich bisher war.“

Das stimmt so nicht ganz. Nachfolger und Nachfolgerinnen verwandeln sich vor den Augen anderer in Chefs.
Die Rollen ändern sich. Bislang galt das Verhalten des Juniors als lässig, wenn er bei Meetings oder Abläufen „nur“ mit am Platz stand. Doch als Chef reicht dies bei weitem nicht aus, wird der neuen Rolle absolut nicht gerecht. Jetzt wird Klartext verlangt:

  • Konkretes Handeln ist gefordert
  • Der Nachfolger soll erklären, entscheiden und vor allem führen

Bislang hatten sich die Aufgaben auf Zustimmen und dabei sein beschränkt. Eine enorme Aufgabe und Veränderung steht jetzt an. Doch keine Sorge, geändertes Verhalten durch geänderte Rollen sind stets bis zu einem gewissen Punkt lernbar. Das ist entscheidend! Das Wesen, das eine Person zu einem Individuum macht, bleibt bestehen. Im Gegenteil, gerade jetzt wird es hervortreten.

Sei kein Clown, sondern du selbst!

Entsprechend dieses Kerns ändert sich das Verhalten. Das Schlimmste wäre ein Mensch, der nicht er selbst, also nicht wahrhaftig ist! Er wäre ein Clown! Das gesamte Umfeld spürt diese Unaufrichtigkeit, das Vorspielen eines Wesens. Doch für diese Entfaltung zu einer ausgereiften Führungs-Persönlichkeit bedarf es eines vertrauensvollen Umfelds.

1. DIE Voraussetzung vor der Übergabe: Ein verlässliches Team!

Zuerst einmal schaffen Sie sich ein Team von Mitarbeitern Ihres Vertrauens, also eine solide Arbeitsgruppe. Mit diesem Team werden Sie in der Vorbereitung der Betriebsübergabe viel Neues, aber auch Bekanntes erleben und erarbeiten. Sie brauchen Menschen, die Ihnen ehrlich, wertschätzend und offen Kritik entgegenbringen.

Loyale & motiverte Mitarbeiter – darauf muss ein Chef bauen

Welche jedoch ebenso mit Ihnen gemeinsam motiviert neue Geschäftsideen und Strategien entwickeln. Und auch mit kühlem Kopf etwaige Kosten solide kalkulieren, während Sie Visionen schildern. Haben Sie dieses Team, wird Ihnen Ihre neue Rolle deutlich bewusst – und die ersten Schritte in eine neue Zukunft sind gemacht.

2. Eine Übergabe braucht Zeit: Testphasen helfen

Nichts geschieht von heute auf morgen. Geben Sie sich Zeit, wenn möglich ein bis drei Jahre bis zum Übergabetermin.

Ein Tipp: Starten Sie mit einer Vertriebsaufgabe

Beginnen Sie den Übergabeprozess mit einer Vertriebsaufgabe. Hier erstellen Sie ein auf zwei Jahre angelegtes Vertriebskonzept. Damit haben Sie eine Art Spielwiese, auf der Sie sich und Ihre Mannschaft erproben und testen können. Gleichzeitig tauchen Sie tief in die Zusammenhänge

  • des Marktes,
  • der Kunden,
  • Ihrer Produkte,
  • in die Abläufe Ihrer Firma und
  • der Zukunft Ihrer Branche ein.

Arbeiten Sie bei einzelnen Teilprojekten mit Testphasen.

Verärgerte Mitarbeiter verhindern: Testphasen ankündigen

Allerdings sollten Sie diese Testphasen in Ihrem Unternehmen konkret bekannt geben. Dies bewahrt Sie vor Häme, falls angestrebte Ergebnisse nicht erreicht werden. Sollte der Testfall nicht so ausfallen wie erhofft, dann macht es eben aus diesem oder jenen Grund keinen Sinn, das Gesamtziel weiter zu verfolgen.

3. Leiten Sie erste Änderungen ein

In der Firma möchte der Nachfolger Vieles anders machen.

  • Wann ist der richtige Zeitpunkt?
  • Wie sollte man am Besten vorgehen?

Zuerst einmal präsentieren Sie dem Seniorinhaber Ihre Idee. Begründen Sie Ihren Vorschlag. Holen Sie dazu seine Meinung ein. Jetzt gilt es genau hinzuhören. Denn die ersten Äußerungen des Seniors sind entscheidend, schreiben Sie sich diese genau in Stichpunkten auf. Sie sollten dies ruhig und sachlich notieren.

Besprechung des Feedbacks: Nur Kritik? Nicht unterkriegen lassen!

Erst wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Gesprächspartner alles gesagt hat, was ihm wichtig ist, greifen Sie einen Punkt nach dem anderen auf und sprechen ihn durch. Lassen Sie Ihrem Gegenüber immer wieder Zeit mitzudenken. Pausen, die entstehen sind dabei hilfreich. Hasten Sie nicht zu schnell durch das Gespräch – und wenn Sie am Ende den Eindruck haben, das erste Ansprechen der Veränderungen hat wenig überzeugt. Kein Problem.

Vereinbaren Sie einen neuen Gesprächstermin

Fragen Sie den Senior konkret nach einem weiteren Gesprächstermin oder machen Sie einen Terminvorschlag. Wichtig ist in diesem Moment, dass beide Seiten den Termin ernst nehmen und ihn in ihren Terminkalender eintragen. Sollte der erste Gesprächstermin nicht eingehalten werden, fragen Sie ganz direkt:

„Wie ernst ist es Dir mit der Vorbereitung der Nachfolge?“

Dann verabreden Sie einen weiteren konkreten Termin. Bitte beachten Sie: Diskussionen über Gesprächsinhalte nicht im Vorbeigehen führen. Bestehen Sie auf

  • Zeit,
  • geschlossene Tür,
  • angenehme Atmosphäre und
  • Ruhe für Ihren Austausch.

5. Rechnen Sie mit Skepsis Ihrer Mitarbeiter

Das ist normal. Nicht jeder Mitarbeiter ist einem gewogen. Natürlich haben Sie Mitarbeiter, deren Skepsis spüren Sie bei jedem Blick oder Handgriff, den Sie tätigen. Sie haben das eine oder andere schon versucht, doch ihr Gefühl sagt Ihnen:

„Ich konnte nicht überzeugen, die Skepsis ist nach wie vor da.“

Dadurch ergeben sich zwei Möglichkeiten für die Sie sich je nach Ihrem Wesen entscheiden werden:

1. Warten Sie ab und reflektieren erneut

Entweder Sie belassen es bei der Skepsis frei nach dem Motto:

„Ach, das lass ich erst mal. Der wird sich auch noch überzeugen lassen.“

Dann ist es Ihre Aufgabe, es nicht zu vergessen. Am besten Sie schreiben sich den Termin für in etwa einem Vierteljahr in Ihr Terminbuch zur Wiedervorlage. Dann reflektieren Sie neu. Vielleicht hat sich bis dahin schon wieder etwas geändert.

2. Handeln Sie sofort

Oder Sie kommen gleich an den Punkt sich zu sagen:

„So will ich das nicht, das soll sich ändern.“

Dann ist Ihr Handeln gefordert.

Hier einige Praxistipps für Ihr Vorgehen:

  • Verabreden Sie mit jedem einzelnen Mitarbeiter einen Gesprächstermin, selbst wenn das normalerweise unüblich in Ihrem Unternehmen ist.
  • Bitten Sie den Mitarbeiter zu einer festen Uhrzeit, an einem bestimmten Tag in Ihr Büro oder in das Besprechungszimmer.
  • Benennen Sie auf die Frage nach dem Grund für die Unterredung einen Austausch zur Situation des Unternehmens, der Abteilung, der Produktion.

6. Skeptische Mitarbeiter? Suchen Sie das Gespräch!

Das ist auch der Einstieg in das Gespräch:

„Ich möchte mich mit Ihnen austauschen. Ihre Meinung und Einschätzung ist mir wichtig. Wenn ich ehrlich bin, spüre ich bei Ihnen eine zurückgehaltene Skepsis mir gegenüber und meinen Anweisungen. Bitte sagen Sie mir doch einmal, wodurch diese Skepsis genährt wird.“

Tja, und jetzt heißt es für Sie, wie auf einem heißen Stuhl sitzen, nichts zu sagen und abzuwarten. Je mehr Raum Sie Ihrem Mitarbeiter geben, je mehr Sie schweigen – umso mehr fordern Sie ihn auf seine Sichtweise darzulegen. Wichtig ist jetzt wirklich zu schweigen. Sollten Sie hier zu sprechen beginnen, erleichtern Sie dem Mitarbeiter seinerseits nichts sagen zu müssen.

Mit Kritik umgehen: Lassen Sie Mitarbeiter offen reden

Schauen Sie ihm freundlich und offen ins Gesicht Ihres Gegenübers und warten Sie auf das, was er schließlich äußert. Selbst wenn Ihr Gegenüber verschlossen wirkt und vom Thema abzulenken versucht, bleiben Sie am Ball und versuchen Sie die Gründe für seine Skepsis zu erfahren.

Der Grund ist in der Regel:

  • fehlendes Vertrauen in Ihre Entscheidungskraft,
  • in Ihr Durchhaltevermögen,
  • in Ihre Beurteilungskraft.

So etwas in der Art. Also nicht beleidigt sein, wenn derartige Äußerungen kommen. Denn dies sind die tatsächlichen Ängste Ihres Mitarbeiters. Sie sollten sie unbedingt ernst nehmen.

7. Gewinnen Sie das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter

Jetzt heißt es Vertrauen schaffen. Wie das gelingt?

Durch Ihre Offenheit und Ehrlichkeit, nachvollziehbare Handlungen und Entscheidungen.

Nachvollziehbarkeit ist die Kunst, die es zu erlernen gilt: Mitarbeiter brauchen neben dem Vertrauen auch das Gefühl:

„Ich kann mich zu 100 Prozent auf den Chef verlassen, ich kann auf ihn bauen“.

Damit dieses Gefühl entsteht, müssen Sie Ihre Entscheidungen nicht im Detail, aber im Großen und Ganzen kurz erläutern und begründen. In der Regel machen Sie dies Ihrer Führungscrew gegenüber. Bitten Sie also Ihre Führungscrew die Mitarbeiter stets zu informieren um so die Entscheidungen der Führungscrew nachvollziehbar zu machen.

Vertrauen lässt sich nur durch richtiges Handeln herstellen

Die Kunst hierbei ist abzuwägen:

  • Wie viel Information brauchen meine Leute? und
  • Ab wann verwirre ich Sie mit meinen Details unnötig?

Stellen Sie sich die Frage immer wieder. Es sind die kleinen Dinge, die zur Atmosphäre beitragen und nicht ein heftiger Paukenschlag. Ein Grundvertrauen ist meist gegeben, aber erst die lange Kette von

  • Aussagen,
  • Entscheidungen,
  • Taten und
  • Verhalten

lassen das Vertrauen so wachsen, das zu einer soliden Firmenloyalität wird.

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Ursula Widmann-Rapp

Ursula Widmann-Rapp ist seit 25 Jahren anerkannte Nachfolge-Expertin, Sparring-Partnerin und Business-Coach für Führungsverantwortliche in Familienbetrieben und mittelständischen Unternehmen. Ihre Unterstützung bietet sie Online, als auch direkt vor Ort in den Unternehmen an. In ihrem Blog gibt sie sowohl ihre Erfahrungen, wie auch neue Ideen weiter. Ursula Widmann-Rapp ist Initiatorin und Leiterin der BDVT Fachgruppe Unternehmensnachfolge im Berufsverband für Trainer, Berater und Coaches (BDVT).

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4 Comments

  • Ulrike Dolle sagt:

    Der Artikel zeigt, dass Unternehmensnachfolge kein Zuckerschlecken ist, sondern sehr anspruchsvoll und sorgfälltig geplant und (durch)geführt werden muss. In diesem Artikel ist ein Leitfaden beschrieben, der sehr gute Orientiertung und umsetzbare Handlungsempfehlungen gibt.

  • Clasus von Kutzschenbach sagt:

    Glückwunsch! Urslua Widmann-Rapp hat im Beitrag „Plötzlich Nachfolger …“ die wesentlichen Punkte auf dtreffend und konsequent auf den Punkt gebracht!

  • Ulrike Wyrwich sagt:

    Ich glaube, dass ein sehr großer Bedarf besteht, eine
    Unternehmensnachfolge sehr sorgfältig vorzubereiten. Und dazu gehören
    (neben den von Bruno genannten Aspekten) auch Sozialkompetenz,
    Interkulturelle Kompetenz und eine individuelle
    Persönlichkeitsentwicklung. Bin gespannt, wie’s weitergeht…

  • Bruno Schmalen sagt:

    In vielen Gesprächen habe ich erlebt, wie wichtig das Thema ist, und wie schwierig die damit verbundenen Aufgaben oft werden.
    Gut, dass das Thema hier mit dem Blick des Trainers und Coaches bearbeitet wird. Bisher waren es oft die Steuerberater und Unternehmensberater, die das Thema unter betriebswirtschaftlichen und fiscalischen Aspekten in den Fokus gerückt haben. Das ist wichtig und hilfreich, beschreibt aber nur einen Teil der Aufgabe. Unternehmensnachfolge ist ein Projekt, das, soll es erfolgreich sein, eben auch mit Kompetenzentwicklung, mit Personalentwicklung und mit Organisationsentwicklung zu tun hat. Ich bin gespannt auf die weiteren Folgen.
    Bruno Schmalen, Vizepräsident BDVT e.V., der Berufsverband für Trainer, Berater und Coaches in Deutschland

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