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Was ist hier bei uns eigentlich gerade los, dass wir tagtäglich supererfolgsstrahlende Top-Manager vor Gericht stehen sehen wie gemeine Ladendiebe? Ist das nur der Neid einer überreizten und rachsüchtigen Gesellschaft, der sich da an der Wirtschaftselite prozessual abarbeitet? Vielleicht auch, weil wir sonst kaum mehr Feindbilder besitzen? Oder sitzen da wirklich nur noch Schurken am Ruder unserer Firmen, die Gut und Böse nicht auseinanderhalten können?

Alles in allem, unabhängig von allen Gerichtsverfahren, das Fazit ist ernüchternd: Vertrauen und Beliebtheit der Unternehmer in Deutschland sind auf ein „all-time low“ abgestürzt, dahinter rangieren – je nach Statistik – nur noch Berufe wie Journalisten, Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre. Die Bosse können anstellen, was sie wollen: Niemand vertraut ihnen, niemand mag sie. Was machen all die Chefs falsch? Was machen sie anders als Feuerwehrleute und Hebammen, die solche Vertrauens-Tabellen regelmäßig anführen?

Immerhin beherbergen wir auf deutschem Boden 1200 Weltmarktführer, rangieren an der Spitze der europäischen Arbeitsmarktstatistik, haben uns ein Dolce Vita wie im italienischen Mezzogiorno angewöhnt und fühlen uns, alles in allem, sehr wohl hier in unserem Land. Ohne sichere Arbeitsplätze, ohne gute Bezahlung, ohne sichere Rente und hohem Versorgungsstandard würden wir da ganz anders denken. Da wäre doch wohl ein vorderer Platz für den Unternehmer drin, oder?

Der Manager: kühl, unnahbar, makellos?

Nun sagen mir ja die modernen Marketing-Gurus, es käme nicht auf Fakten, sondern auf Wahrnehmungen an. Nun gut, dieses Bild, wenn der Feuerwehrmann aus dem dunklen Rauch heraus über die Leiter herabsteigt und ein kleines Baby in den Armen hält – das kriegt der Manager eben nicht hin. Wenn er, nur mal als Beispiel, mit einem Baby im Arm die Vorstandstreppe herunterkäme, das sähe ja aus, als hätte die Sekretärin gerade eben von ihm entbunden.

Feuerwehr und Hebammen bedienen sicher einmal unsere tiefsitzenden Heils- und Rettungserwartungen, nachdem die Kirche sich in dieser Rolle selbst aus dem Spiel genommen hat. Aber Feuerwehrleute und Hebammen haben eben noch einen ganz anderen Vorteil: Es geht, offensichtlich und sehr sichtbar, immer um Menschen. Es geht um menschliche Existenzen, um Sein oder Nichtsein, Glück oder Elend. Hochemotional, berührend, eben menschlich.

Wenn ich sehe, wie manche deutsche Top-Manager sich nach außen hin darstellen, neudeutsch „positionieren“, dann spricht daraus das genaue Gegenteil: Kühl, unnahbar, nüchtern, von allen Emotionen entbeint – das sind immer noch die typischen Manager-Tugenden. Keine Fehler, keine Schwächen, keine Emotionen – der Mensch als funktionierender Apparat. Kein Makel, nichts, was sie nicht können, nichts, was man ihnen noch beibringen kann, nichts, was sie falsch machen. Ein deutscher Manager macht keinen Fehler. Er ist emotionslos perfekt. Sebastian Vettel – auch wenn der kein Feuerwehrmann ist – sagt ja wenigstens nach dem verlorenen Rennen mal: „In der Schikane habe ich mich verbremst“ – er hat etwas ganz Menschliches getan: Er hat einen Fehler gemacht. Und er hat ihn zugegeben.

Verborgen und versteckt: Das Vertrauensproblem

Kühle aber neigt zur Arroganz, Unnahbarkeit zur Abschätzigkeit. Ihre Trutzburgen, meist noch im obersten Geschoss eines Stahlklotzes versteckt, machen sie noch unnahbarer. Ob sie weinen, lachen, trauern, Schmerz empfinden, Angst und Sorge – niemand sieht es. Es wird alles sauber versteckt hinter den Wortfloskeln von Mitarbeitern als wichtigster Ressource, durchschrittenen Tälern und neuen strategischen Optionen. Die entbeinte Floskelsprache spiegelt den Urheber. Um griffig zu werden, mussten sie eine eigene Führungsphilosophie erfinden: „Management by walking around“. Das, was wir täglich tun, was ein normaler Mensch täglich tut, wird dann als Führungsstil ausgegeben.

Nicht die Prozesse, nicht die Haftstrafen für Manager sind unser Problem, nicht eine vermeintliche Korruptheit, die, soweit ich sehe, nie flächendeckend existiert hat. Hier schlagen zum Teil extrem harte Compliance-Vorschriften und ein anglo-amerikanisches Rechtsverständnis zu, die Manager für alles und jedes vor Gericht zerren, um Millionen und Milliarden zu erstreiten. Das Vertrauensproblem rührt nicht daher.

Es liegt begründet in einer falschen Positionierung und Kommunikation unserer Wirtschaftselite. Die Kühle, die Unnahbarkeit, die Zahlengläubigkeit, die Nüchternheit, die Abgeschlossenheit, die Anonymität – so ein Bild kann kein Vertrauen erzeugen. Um Feuerwehrleute und Hebammen zu überholen, brauchen wir: Menschlichkeit, Berührbarkeit, Nähe. Menschlichkeit, die nicht in Marketing- und PR-Aktionen abgleitet, sondern Menschlichkeit, die uns berührt. Denn die Manager in Deutschland – sie hätten es verdient: Ihr Vertrauen.

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Dr. Klaus-Ulrich Moeller

Dr. Klaus-Ulrich Moeller ist Kommunikationsberater, Kolumnist, Speaker und Autor. Er war PR-Chef bei der Deutschen Lufthansa, der TUI und beim weltweiten Beratungskonzern PricewaterhouseCoopers. Viele Jahre hat er mit Unternehmern im Unternehmernetzwerk Vistage International gearbeitet. Als Journalist schreibt er satirische Kolumnen. Für die Aufdeckung der STERN-Affäre um die gefälschten Hitler-Tagebücher erhielt er den renommierten Theodor-Wolff-Preis. Mehr Informationen unter: www.creative-comm.de.

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