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Mitmenschlichkeit und Empathie sind Eigenschaften, denen viele Unternehmen keine Relevanz beimessen. Dr. Sandra Maxeiner und Dipl.-Psychologin Hedda Rühle zeigen, dass dies ein Fehler ist. Sie erläutern, warum Unternehmen die Empathie-Fähigkeit ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter fördern sollten.

Empathie: Wie Unternehmen mal anders motivieren können! (Teil IV)Wer sich in Unternehmen umschaut, fühlt sich bestätigt in der Annahme, dass das Handeln von Vorgesetzten und Mitarbeitern immer selbstbezogener wird. Nur der persönliche Erfolg zählt, alles andere scheint Nebensache. Viele kreisen um sich selbst und kümmern sich vorrangig um ihre eigenen Interessen.

Das, was sie nicht unmittelbar betrifft, ist ihnen gleichgültig.

  • Mitgefühl,
  • Rücksichtnahme und
  • Hilfsbereitschaft

scheinen immer seltener zu werden in einer Gesellschaft, die von Wettbewerb und Individualisierung geprägt ist, und in der nur zählt, wer Leistung bringt.

Dabei ist es doch gerade in Unternehmen der Mensch hinter der Funktion, der zu einer förderlichen Unternehmenskultur beiträgt – und nicht der unnahbare, strebsame Alleskönner, der nur auf seine Aufgabe und seine Karriere fixiert ist. Doch Mitgefühl zu zeigen und die eigene menschliche Seite nicht im Unternehmen abzulegen, sondern sie als Stärke einzubringen, erfordert Mut.

Dieser Mut wird belohnt, denn Mitgefühl und Anteilnahme helfen nicht nur uns über uns selbst hinauszuwachsen und unseren Horizont zu erweitern, sondern sind auch für Unternehmen ein wertvolles Kapital: Mitarbeiter, die Aufmerksamkeit und Fürsorge erfahren, haben eine stärkere Bindung an ihr Unternehmen, fühlen sich wohler bei der Arbeit und sind leistungsfähiger.

Empathie, die Fähigkeit, sich in die Vorstellungs- und Gedankenwelt von Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern und Kunden einfühlen zu können, gehört daher zu den wertvollen Fähigkeiten.

Wie man Empathie trainiert!

Manche sind von Natur aus mitfühlender als andere. Doch die gute Nachricht ist: Empathie lässt sich lernen. Zu diesem Schluss kam eine Studie der University of Wisconsin.

Mentale Zustände lassen sich wie Muskeln trainieren und Unternehmen können Mitarbeiter wie Führungskräfte motivieren, ihr Mitgefühl zu üben, beispielsweise indem sie freie Stunden für soziales Engagement fest in die Arbeitszeit einplanen und Meditationskurse anbieten.

Menschen, die an Mitgefühl-Meditationen teilnahmen, konnten ihren Sinn für Empathie nachhaltig stärken. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher vom Waisman Center der University of Wisconsin-Madison und vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Dabei waren die meisten der Meditationstechniken, die die Forscher anwandten, so simpel, dass sie von jedermann umgesetzt werden konnten.

Im Ergebnis fanden die Wissenschaftler im Gehirn von Probanden nach einem einwöchigen Mitgefühlstraining bereits messbare Veränderungen. Durch das mentale Training entdeckten die Teilnehmer ihr Mitgefühl wieder neu. Außerdem wurden Netzwerke aktiviert, die mit positiven Gefühlen und einem Erleben von Belohnung einhergehen.

Zuhören, beobachten, achtsam sein!

Natürlich kann man Mitgefühl auch ohne Meditation trainieren, indem man

  • sich Zeit nimmt,
  • aufmerksam ist,
  • hinsieht,
  • genau beobachtet,
  • zuhört und
  • darauf achtet, wie man mit anderen Menschen kommuniziert.

Auch eine ehrenamtliche Tätigkeit ist eine sehr gute Möglichkeit, um nicht nur seine Empathiefähigkeit zu schulen, sondern tagtäglich Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zu praktizieren.

Viele Vereine, kirchliche Träger und Initiativen bieten Gelegenheiten, sich für andere Menschen zu engagieren. Die Angebote reichen von der Mitarbeit in der Essenausgabe einer Suppenküche über Hilfen für Kinder, Jugendliche und benachteiligte Gruppen bis zum Hospizhelfer (ehrenamtlicher Sterbebegleiter).

Solche Aufgaben schulen nicht nur das Mitgefühl, sondern sie bringen auch Anerkennung, Selbstvertrauen und geben Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, das Gefühl, nicht nur etwas Gutes für andere zu tun sondern auch für sich selbst.

Umsätze mit Mitgefühl steigern!

Während sich in Amerika bereits eine große Zahl von Veröffentlichungen mit Fragen zu „Mitgefühl im Job“ beschäftigt, wird das Thema in Deutschland noch wenig diskutiert. Dabei zeigen Erfahrungen führender US-Manager, wie die des LinkedIn-CEOs Jeff Weiner, wie wertvoll mitfühlendes Management für Unternehmen ist.

Er beschrieb eine Situation mit seinem früheren Kollegen, der ein Mitglied seines Teams in aller Öffentlichkeit niedermachte. Dabei fiel Jeff Weiner auf, dass er selbst auch schon diesen Fehler gemacht hatte. Er nahm seinen Kollegen kurzerhand beiseite und sagte:

„Wenn du das unbedingt tun willst, such dir einen Spiegel und mach‘ es zuerst mit dir selbst. Denn du projizierst deinen Blickwinkel und deine Annahmen auf diese Person“.

Mitgefühl bei der Arbeit ist den meisten Managern zunächst einmal fremd. Denn es kostet Zeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen – zu verstehen, was sie antreibt, was sie unter Druck setzt und was ihre Stärken und Schwächen sind. In leistungsorientierten Unternehmen werden solche zeitlichen Investitionen von den meisten Führungskräften als unnötig und nicht machbar angesehen.

Doch dass sich diese Investition lohnt und sich direkt auf den Gewinn eines Unternehmens auswirkt, ist durch jahrelange Forschungsarbeiten belegt.

Empathie hat Einfluss auf Geschäftserfolg!

Wie wichtig die Motivation der Mitarbeiter für den geschäftlichen Erfolg ist, zeigt das Beispiel eines Callcenter-Betreibers, der sich das Ziel setzte, für mehr Mitgefühl unter seinen Beschäftigten zu sorgen. Dazu richtete er eine Art „Wünsch dir was“-Stiftung ein, was die Kultur im Unternehmen wesentlich veränderte. Call-Center haben üblicherweise eine hohe Fluktuation, weil die Mitarbeiter es hauptsächlich mit nörgelnden, unzufriedenen Anrufern zu tun haben.

Die „Wünsch dir was“-Stiftung gab ihnen als Gegengewicht eine Möglichkeit, jeden Tag ihr Mitgefühl für ihre Kollegen auszudrücken. Als Folge davon sank die Kündigungsrate innerhalb von sechs Monaten von 97 auf 33 Prozent. Ein höchst beeindruckendes Ergebnis!

Ebenfalls belegt ist, dass Mitgefühl das Wohlbefinden der Beschäftigten und ihre Gesundheit verbessert. Je empathischer wir auf andere Menschen eingehen, desto besser fühlen wir uns, und desto mehr sind andere Menschen bereit, uns zu unterstützen, wenn wir sie brauchen.

Mitgefühl führt also nicht nur zu innerer Stärke, es stärkt auch das Wohlbefinden und das Gemeinschaftsgefühl der Mitarbeiter, fördert die Hilfsbereitschaft der Kollegen untereinander und führt letztlich dazu, dass sich Unternehmen mit diesem unschätzbaren Wettbewerbsvorteil gestärkt am Markt behaupten können.

Weitere Artikel dieser Serie:

Teil I – Depression bei Mitarbeitern: Was können Unternehmen tun?
Teil II – Alkoholismus bei Mitarbeitern: Was können Unternehmen tun?
Teil III – Coach oder Couch? Was tun, wenn Mitarbeiter psychische Probleme haben

Dr. Sandra Maxeiner und Hedda Rühle

Dr. Sandra Maxeiner ist promovierte Politik- und Sozialwissenschaftlerin und absolvierte Ausbildungen zur Heilpraktikerin für Psychotherapie sowie zum Coach. Sie ist zudem als ehrenamtliche Hospizhelferin tätig. Hedda Rühle ist Diplom-Psychologin und Dozentin für Psychopathologie, Psychologie und Psychotherapie in Berlin. Zusammen haben Sie das Buch "Dr. Psych’s Psychopathologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie" Band 1 und 2 verfasst.

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