Skip to main content

Doch zurück zu Dr. Maier. Was wird er seinen Chefs im nächsten Vorstandsmeeting bezüglich des Fortschritts des Lean-Programms berichten können? Hat er sich eventuell täuschen lassen von diesen „Wundermitteln“ aus Japan? Warum bleibt der erhoffte Durchbruch zu dauerhaft mehr Qualität verbunden mit niedrigeren Kosten aus – trotz Kanban, Wertstromanalysen, Teamwork und visualisierten Kennzahlen? Dabei waren er und sein Lean-Team so gut ins Lean-Programm gestartet. Schon bald konnten sie erste Ergebnisse vorzeigen. Nach einer Wertstromanalyse und dem Einsatz der passenden Lean-Methode wurde zum Beispiel die Durchlaufzeit in der Fertigung reduziert – sprich die Produkte kamen schneller zum Kunden.

Das Vermeiden von Verschwendung und die damit einhergehende Steigerung der Wertschöpfung entlang der Supply Chain lassen sich, wie viele Praxis-Beispiele zeigen, sehr gut mittels der bekannten Lean-Methoden und -Tools managen. Schwierig wurde es immer dann, wenn Unternehmen versuchen, die Art und Vorgehensweise der Lean-Methoden und -Tools zum Arbeitsalltag, also integralen Bestandteil des Arbeitens in ihrer Organisation werden zu lassen. Dann kommt es oft zu Widerständen bei den Mitarbeitern. So war das auch im Unternehmen von Dr. Maier. Und immer wieder das leidige Thema Kommunikation. Die Fakten sprechen doch für sich. Oder?

Lean Management erfordert eine neue Einstellung

Der US-Amerikaner Mike Rother, ein Guru der Lean-Szene und Autor unter anderem des Buchs „Die Kata des Weltmarktführers: Toyotas Erfolgsmethoden“ beschreibt den Zusammenhang zwischen Lean-Tools und -Methoden und Lean Management gerne mit der Eisberg-Analogie. Dabei stellen die Lean-Tools und -Methoden den sichtbaren Teil des Eisbergs dar und das Lean Management dessen größeren, unsichtbaren Teil, der sich unter der Wasseroberfläche befindet. Viele Unternehmen lassen beim Einführen eines Lean-Programms den unsichtbaren Teil des Eisbergs entweder völlig außer Acht oder sie verschieben seine Bearbeitung auf den Tag X, wenn die „wirklichen Lean-Themen“ angegangen werden. Sie vergessen, dass es bei der Lean-Philosophie vor allem um die Bereitschaft geht, Verhaltensweisen grundlegend zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern und damit einen grundlegenden Kulturwandel im Unternehmen herbeizuführen.

Das oft im Zusammenhang mit Lean zitierte „weniger ist mehr“ kann man auch so interpretieren, dass es weniger um die Tools als die richtige Einstellung geht, um Lean Management und Lean Production dauerhaft und mit Erfolg in Unternehmen einzusetzen. Ein Schraubenschlüssel allein reicht nicht; mindestens ebenso wichtig sind der Kopf, der ihn drehen möchte, und die Hand, die ihn dreht. Dem zufolge steht bei Lean der Mensch Mitarbeiter im Fokus. Er muss für ein Überprüfen und gegebenenfalls Revidieren seiner Einstellungen und Gewohnheiten gewonnen werden. Wie schwierig jedoch schon kleinste Abweichungen von Gewohnheiten sind, kann jeder beurteilen, der als Rechtshänder mal versucht hat „mit links“ seine Zähne zu bürsten oder einen Teller auszulöffeln. Wie schwer mögen da erst grundlegende Verhaltensänderungen, wie im Lean-Ansatz gefordert, sein? Sicherlich zu schwer, um sie zu vernachlässigen oder im Nebenbei von Nicht-Fachmännern erledigen zu lassen.

Lean als Gedanke beziehungsweise Philosophie mit Lean Production als Umsetzungsvehikel kann nur dauerhaft Erfolge bringen, wenn es dem Management und der Belegschaft gelingt, die harte Nuss „Mindset und Verhalten“ anzugehen und neue, flexible, angepasste Verhaltensweisen im Unternehmen zu verankern. Basierend auf dieser neuen Einstellung, die im Wesentlichen auf dem Lösen von Problemen und kontinuierlicher Verbesserung beruht, kann aus der Anwendung von erprobten Lean-Methoden eine wichtige Stütze der Kundenorientierung, Flexibilisierung, Steigerung des Outputs und somit letztendlich des andauernden Erfolgs eines Unternehmens werden.

Ziel: Probleme sichtbar machen und lösen

Was hilft Dr. Maier diese Erkenntnis beim Treffen mit seinen Vorgesetzten? Er sollte versuchen, dem Management seines Unternehmens darzulegen, dass der bereits praktizierte Einsatz von Lean-Methoden zwar ein wesentlicher, aber eben nur ein Schritt in Richtung „neue Arbeitsweise“ ist; des Weiteren sollte er versuchen, sein Management davon zu überzeugen, dass

  • Lean Management nur funktionieren kann, wenn im Unternehmen ein Geist herrscht, der Fehler zulässt und Probleme sichtbar macht statt sie zu verstecken,
  • dauerhafte Erfolge bei der Einführung von Lean nur durch eine grundlegende Änderung der Einstellung und des Verhaltens der Mitarbeiter erreichbar sind und
  • bei der Einführung von Lean “der Weg das Ziel“ ist, und es sich hierbei nicht nur um ein weiteres Management-Projekt handelt, das am Tag x abgeschlossen ist.

So verstanden kann Lean Management eine wichtige Säule im Unternehmen sein, um sich auf ständig ändernde Marktanforderungen und immer neue interne und externe Herausforderungen flexibel , schnell und effektiv einstellen zu können. Denn jeder Mitarbeiter und das ganze Unternehmen lernt hierbei, aus Fehlern zu lernen sowie scheinbar Selbstverständliches und Unabänderliches zu hinterfragen und entwickelt sozusagen eine Routine darin, sich ständig zu verbessern.

Seiten: 1 2

Dominique Keith

Dominique Keith arbeitet für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Sie ist auf das Themenfeld Lean- und Changemanagement spezialisiert. Kontakt unter: dominique.keith@krauspartner.de, Tel.: 07251/989034.

Der Artikel hat dir gefallen? Gib uns einen Kaffee aus!

Leave a Reply