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Momente der Wahrheit aus Sicht des Kunden

Aus dem Blickwinkel des Kunden betrachtet entstehen die ersten Kontakte zu einem Unternehmen schon sehr viel früher:

  • Der potenzielle Kunde hat einen latenten Kaufwunsch und es kommt ihm dazu ein adäquater Anbieter in den Sinn. Dieser allererste Gedanke manifestiert sich je nach Vorerfahrungen beziehungsweise Unternehmensreputation als eher positives oder negatives Gefühl.
  • In seinem Umfeld oder in den Medien hört beziehungsweise liest er ganz beiläufig etwas über ein Unternehmen und seine Angebote. Diese Meinung ist positiv oder negativ – und sie wird den ersten Eindruck färben.
  • Der Interessent befragt Kollegen oder Freunde, was sie zu einem Unternehmen und dessen Angeboten und Services sagen können. Und deren Meinung zählt – meistens jedenfalls.
  • Er durchforstet das Internet und stößt dabei auf zu- oder abratende Einträge in Foren und Blogs oder auf Meinungs- und Bewertungsportalen. Google nennt das den ‚Zero Moment of truth‘. Und solche ‚Momente der Wahrheit‘ beeinflussen das weitere Interesse erheblich.

Weil dieses vorentscheidende Suchverhalten der Kunden immer noch viel zu wenig im Vordergrund steht, wird übersehen, dass man es sich oft genug mit seinen Interessenten bereits verscherzt hat, noch bevor diese einen ersten direkten Kontaktversuch starten. Spätestens nun ist dann klar, wie intensiv man sich im Rahmen eines Touchpoint-Projekts gerade mit solchen vorgelagerten ‚Momenten der Wahrheit‘ beschäftigen muss.

Wie man Customer Touchpoints sichtbar macht

Durch diese Vorübungen ist der Blick durch die Kundenbrille geschärft und es kann an die nächsten Schritte gehen. Zwecks Abbilden der Ist-Situation lässt sich zum Beispiel eine Collage erstellen. Diese könnte je nach Branche folgenden Titel tragen:

  • eine typische Kundenreise durch unser Unternehmen
  • oder: die Erlebnisse eines Kunden beim Kauf von Produkt x.
  • oder: Wie es einem typischen Kunden vor, während und nach Inanspruchnahme unserer Dienstleistung y ergeht.

Hierzu wird der Verlauf einer typischen ‚Customer Journey‘, also der Reise des Kunden durch das Unternehmen bildlich dargestellt. Dabei wird nicht nur geschrieben, es wird auch gemalt und geklebt. Ausgewählte Geschichten werden zum Besten gegeben und beispielhafte Kundenmeinungen vorgeholt. Mitgebrachte Produkte werden in ihre Bestandteile zerlegt oder schriftliche Unterlagen entsprechend aufgedröselt. Plus- und Minuspunkte werden gelistet. Dos und Don’ts werden per Storyboard oder Video dokumentiert.

Das Ganze lässt sich an Pinnwänden darstellen, die chronologisch nebeneinander stehen und durch den Weg des Kunden miteinander verbunden sind. Diese kann man im weiteren Verlauf des Projekts mit in seine Abteilung nehmen, um den Fortschritt zu dokumentieren und die Verbindungsstellen zu anderen Bereichen immer vor Augen zu haben. Inzwischen lassen sich dazu auch internetfähige Multimediawände benutzen, die man mit Fingerbewegungen wie bei einen iPad bedient.

Eine typische ‚Kundenreise‘ durch das Unternehmen, detailliert dokumentiert und an Pinnwänden dargestellt.

Wie man Customer Touchpoints optimiert

Auf Basis dieser oder einer ähnlichen Darstellung wird eine Prioritätenliste der zu bearbeitenden Touchpoints erstellt. Nach Erfassung der dortigen Ist-Situation wird die jeweils gewünschte oder notwenige Soll-Situation definiert und ein Maßnahmenplan entwickelt. Dieser wird in den angepeilten Zeitlinien ausgeführt. Dann wird das Ergebnis anhand passender Messgrößen überprüft und optimiert.

Dabei darf man bloß nicht in die alte Denke der Prozessorganisation zurückverfallen, nämlich, die Touchpoints aus einer Innensicht heraus zu betrachten. Nach solcher Denke sähe das in einem Autohaus dann zum Beispiel am Touchpoint Reparaturannahme fälschlicherweise so aus:

  • Wir übernehmen das Auto des Kunden.
  • Wir führen die erforderlichen Reparaturen aus.
  • Wir informieren den Kunden, dass sein Auto abholbereit ist.
  • Usw.
  • Wir verabschieden den Kunden.

Im Customer Touchpoint Management betrachten wir diesen Vorgang aus Kundensicht. Die Formulierungen sehen dann richtigerweise so aus:

  • Der Kunde ruft zwecks Terminvereinbarung bei uns an.
  • Der Kunde fährt mit dem Wagen vor.
  • Usw.
  • Der Kunde wird verabschiedet.
  • Der Kunde fährt nach Hause.

Dabei werden die zu optimierenden Touchpoints in Ober- und Untertouchpoints sortiert und optisch sichtbar gemacht. Danach wird bei den ausgewählten Touchpoints nach Enttäuschungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren gefahndet. Sodann wird nach passenden Verbesserungen und schließlich nach Begeisterungsideen gesucht. Gerade von letzteren kann man gar nicht genug haben. Oft sind es nämlich die emotionalisierenden Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen. ‚The big litte things‘ sagt Management-Vordenker Tom Peters dazu. Bei mir heißen sie ‚Sternenstaub‘.

(Das Buch zum Artikel von Anne M. Schüller: Touchpoints: Auf Tuchfühlung mit den Kunden von heute)

Seiten: 1 2

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Ihre jüngsten Bücher heißen „Die Orbit-Organisation“ und „Querdenker verzweifelt gesucht“.

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