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Die sprichwörtliche Angst vorm leeren Blatt kennen nur Anfänger – so scheint es. Doch weit gefehlt: Jeder Schreibprofi kann Anlaufschwierigkeiten haben. Der Unterschied zum Laien besteht nur darin, dass er weiß, wie er damit umgeht.

Denn zwei Seelen wohnen, ach! in unserer Brust: Die eine ist der chaotische Künstler, der sich aus dem Unbewussten nährt, assoziativ arbeitet, in Bildern denkt und mit jeder Menge Ideen um sich wirft. Diese Kraft ist notwendig, um den Text interessant zu machen und neue Perspektiven zu öffnen. Die zweite Kraft ist der Zensor: Er nimmt das Geschriebene genau unter die Lupe, kürzt, verwirft und ordnet. Doch kommt der Zensor dem Künstler zu früh in die Quere, geschieht gar nichts. Vor lauter Perfektionismus versiegen die Ideen. Die Folge: eine Schreibblockade.

Sie können lernen, mit diesen Blockaden umzugehen. Egal ob Sie nach Worten ringen, um einen Geschäftsbericht oder einen Text für Ihre Website zu schreiben: Die Techniken, mit der Sie sich von Schreibblockaden befreien und das leere Blatt füllen, sind die gleichen. Hier einige Tipps:

Tipp Nr.1: Sammeln Sie sich – und ausreichend Material

Bevor Sie sich an den ersten Textentwurf machen, sollten Sie Material zusammensuchen. Recherchieren Sie. Lesen Sie. Diskutieren Sie mit Experten, Laien, Freunden. Hören Sie sich dabei zu. Beginnen Sie mit lockeren Notizen – die werden Ihnen später als Grundlage für den Text dienen. Nichts ist schwerer, als sich an den Tisch zu setzen und aus dem Stand loszutexten. J. K. Rowling hat für die Vorarbeiten zu Harry Potter mehrere Jahre gebraucht! Erst dann schrieb sie den ersten Band.

Tipp Nr.2: Nicht zu schnell, erst virtuell: Mindmaps helfen

Ein Text entspricht nicht der Vielschichtigkeit, Gleichzeitigkeit und Komplexität von Geschichten und Sachverhalten. Er ist linear. Denken und Erfahrung sind es nicht. Darum helfen Mindmaps, den Text vorab zu gliedern. Und zwar nicht linear, sondern thematisch: Teilen Sie Ihr Thema in Gruppen ein, zeichnen Sie Verbindungslinien und versuchen Sie, das Thema grafisch zu erfassen. Die lineare Gliederung folgt erst danach. Mittlerweile gibt es kostenlose Software, wie z. B.  mindmeister oder view your mind, die Ihnen dabei hilft.

Tipp Nr.3: Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier: die Gliederung

„Wenige schreiben, wie ein Architekt baut, der zuvor seinen Plan entworfen und bis ins einzelne durchdacht hat; – vielmehr die meisten nur so, wie man Domino spielt.“ Das sagte Arthur Schopenhauer über die Wichtigkeit einer Gliederung. Darum: Unterteilen Sie Ihren Text in Unterkapitel, Absätze und Sinneinheiten. Eine Gliederung macht Ihren Text nicht nur stringenter – sie ist auch eine große Hilfe gegen Schreibhemmungen. Denn wie bei der Skizze eines Malers sind die groben Linien schon zu erkennen. Das Schreiben ist dann ein Ausarbeiten und Anreichern. Dadurch vermeiden Sie es, mitten im Text die Orientierung zu verlieren und stecken zu bleiben.

Tipp Nr.4: Die Gedanken sind frei: Der Stift darf es auch sein

Das so genannte Freewriting ist eine ideale Methode, um in den Schreibfluss zu kommen. Die Idee besteht darin, den Zensor zu überlisten, indem man das kritische Denken abschaltet und die Kraft des Unbewussten nutzt. Dazu braucht man nur ein leeres Blatt und einen Stift. Und schon geht’s los: Schreiben Sie über eine festgesetzte Zeit hinweg (z.B. 3 Minuten) ununterbrochen, ohne den Stift abzusetzen. Egal worüber, egal was kommt. Wenn Ihnen nichts einfällt, schreiben Sie: „Mir fällt nichts ein“. So gewöhnen Sie Ihr Unbewusstes daran, sich zu öffnen und Sie mit Ideen zu versorgen.

Tipp Nr.5. Nobody’s perfect: Vermeiden Sie es, druckreif zu schreiben

Die Sammlung des Materials, die Visualisierung des Themas, die Gliederung und das Freewriting sollen den Künstler in Ihnen darauf vorbereiten, seine kreative Genialität zu entfalten. Das kann er aber nur, wenn er nicht gleich vom Zensor unterbrochen wird. Darum gilt für Ihren ersten Entwurf: Perfekt schreiben ist verboten! Spaß, Leichtigkeit und eine Prise Verrücktheit sind die richtigen Zutaten für den Schreibprozess. Außerdem ganz wichtig: Vermeiden Sie Störungen. Wenn Sie richtig im Fluss sind, kann das Klingeln des Telefons Gift sein. Handy und Mail-Programme einfach ausschalten.

Tipp Nr.6: Wenn der Stift stehen bleibt, sollten Sie in Bewegung kommen

Wenn der Schreibfluss versiegt, erzwingen Sie nichts. Machen Sie lieber eine Pause. Wenn Sie längere Texte schreiben, hören Sie am besten immer dann auf, wenn Sie wissen, wie es weitergeht. Schreiben Sie sich nicht leer. Und wenn die Ideen doch einmal streiken: Stehen Sie auf und bewegen Sie sich. Gehen Sie spazieren, joggen oder tanzen. Neue Ideen entstehen paradoxerweise dann, wenn wir nicht zu viel grübeln. Darum hilft Bewegung – aber auch Autofahren oder Abwaschen können Wunder wirken.

Tipp Nr.7: Die Überarbeitung ist wichtig – aber überarbeiten Sie sich nicht

„Die Rohfassung, das sind Exkremente“, sagte Hemingway. Die letzte Seite seines Romans „Wem die Stunde schlägt“ soll er fast hundert Mal überarbeitet haben. Die Überarbeitung Ihres ersten Rohentwurfes ist also ein wichtiger Teil des gesamten Prozesses. Als Faustregel gilt: Planen Sie für die Überarbeitung ungefähr so viel Zeit ein, wie für das Schreiben des Entwurfes. Doch Vorsicht: Halten Sie auch hier Ihren Perfektionismus im Zaum. Eine konzentrierte Überarbeitung ist wichtig – aber auch sie muss ein Ende haben. Darum: Wenn Ihnen nicht von Auftraggebern oder äußeren Umständen Deadlines gesetzt werden, setzen Sie sich selbst eine. Sonst wird Ihr Text womöglich nie fertig.

(Bild: © Stefan Rajewski – Fotolia.de)

Stephan Rau

Stephan Rau arbeitet als freier Werbetexter, Textcoach und Sprecher in Hamburg und Berlin. Er studierte Germanistik, Romanistik, Linguistik und Sprachphilosophie in Berlin, Freiburg und Barcelona. In PR-Agenturen und Marketingabteilungen ließ er sich zum Werbetexter und Textspezialisten ausbilden. Er ist zertifizierter KfW-Textcoach und Vorstandsmitglied im Texterverband Deutschland – dem Fachverband für freie Werbetexter. Mehr Infos: www.stephanrau.de.

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