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Fehlbesetzungen sind nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer

Widmen wir uns kurz einer groben Kostenkalkulation, die eine Fehlbesetzung in Gang setzen kann. Die Spannweite von Schätzungen einer falschen Platzierung geht von drei Monatsgehältern bis zu dem Dreifachen des Jahresverdienstes (z.B. Kramer, Sarah, Teurer Fehlgriff, aus: Berlin Maximal, Wirtschaftsmagazin für den Mittelstand der Region Berlin Ausgabe 3/2010). Ferner wird vermutet, dass jede fünfte Entscheidung für einen neuen Mitarbeiter sich innerhalb der ersten sechs Monate als eine Fehlentscheidung entpuppt. Daher die inzwischen bis zu einem halben Jahr währenden Probezeiten. Das lassen sich Anfänger gefallen – Profis allerdings nicht.

Eine betriebswirtschaftliche Kostenrechnung für die „Fehlinvestition“ muss diverse Größen beinhalten: Funktion und Gehaltsstufe, variable Anteile und deren präzise Messung, sowohl interne Kosten für die Suche (z.B. Anzeigenschaltung) als auch externe (Einschalten von Personalberatern). Oft vernachlässigt werden Kosten im Rahmen der Einarbeitung. Hier sollte nicht nur die individuelle Leistung, sondern ebenfalls weitere betroffene Abteilungen in den Blick geraten, sowie Personenkreise, mit denen der neue Kollege zu tun hat bzw. in die hinein sein Wirken ausstrahlt. Das können Kollegen anderer Abteilungen oder Teams genauso sein wie Kunden oder Mitbewerber, bei denen die Person infolge von Fehlleistungen oder anders motivierten kontraproduktiven Verhaltens Schaden anrichten kann. Gemäß dem systemischen Blick sollten auch sachliche oder fachliche Fehl- oder so genannte Minderleistungen und deren Breitenwirkung grob geschätzt werden.

Laut einer Kienbaum Studie aus dem Jahr 2005 belaufen sich die direkten und indirekten Kosten einer Fehlbesetzung auf der Ebene eines Geschäftsführers oder einer vergleichbaren Funktion auf das bis zu Dreifache des Jahresgehaltes des Funktionsträgers. Rechnet man direkte und indirekte Kosten ein, können die Kosten faktisch zwischen dem 1,5- bis 3-fachen des Jahresgehalts liegen. Bei einem Geschäftsführer mit 110 – 160 Tausend Euro kann sich die Summe dann leicht im Bereich von 165 bis 480 Tausend Euro einpendeln.

Kienbaum etwa veranschlagt für die Rekrutierung eines Nachfolgers einer Führungskraft rund 140 000 Euro. Darin enthalten sind die Kosten für das Schalten von Anzeigen, verlorene Arbeitszeit durch Bewerbermanagement und Bewerbungsgespräche sowie Reisekosten. Hinzu kommen verminderte Arbeitsleistung während der Einarbeitungszeit und – in der Idealrechnung – deren Auswirkungen. Wenn die Beschäftigung nicht mit Ablauf der Probezeit beendet wird, fällt häufig der Aufwand für eine Abfindung und/oder potentielle gerichtliche Kontroversen an, die in die gesamte Summe bereits einkalkuliert sind. Man kann den Kreis der Kostenschätzung noch erweitern, indem Kosten für entgangenes Geschäft, für eine wiederholte Suche, für Neubesetzung und Einarbeitung bis hin zu möglichen Negativ-Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens einbezogen werden. Diese Ausführungen deuten an, inwiefern Personalentscheider unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein zeigten, wenn sie sich solche Kalkulationen sich öfter vergegenwärtigen würden.

Der Mythos vom fertigen Experten

Öfter hören wir, ein Kandidat sei „ideal“ – mit dem Zusatz: „wenn er nicht diese oder jene Macke hätte“ oder „leider fehlt ihm aber diese oder jene Erfahrung oder Fähigkeit“. Was tun? Wie das Risiko einer Fehlbesetzung minimieren? Unsere Aufforderung dazu: Personalentscheider sollten „ideal“ ersetzen durch „in dem Zusammenhang, in dem die Position steht, der oder die Geeignetste“. Sie sollten Abschied nehmen von der Idee, einen „fertigen“ Experten oder Manager zu erhalten, der kontextunabhängig brilliert, und stattdessen bedenken, dass auch der glänzendste Kopf und der versierteste Profi sich am neuen Ort einleben müssen und „on the job“ Fertigkeiten entfalten können, die vorher nicht sichtbar waren. Das learning on the job – verballhornt in der Wendung: „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ – bildet das Faktum ab, dass die Leistungsfähigkeit eines Kandidaten mit dem, was er konkret zu bewältigen hat, zunimmt.

Fünf Tipps um Fehlbesetzungen zu vermeiden

  1. Verfallen sie nicht der Ähnlichkeitsfalle im Bewerbungsgespräch. Beurteilen Sie den Kandidaten im Kontext mit den Aufgaben. Die Ähnlichkeitsfalle ist allgegenwärtig. Ähnlichkeit provoziert – wenn die Analogie erlaubt ist – Inzest.
  2. Lassen Sie sich bei sensiblen Stellenbesetzungen nicht alleine von Ihrem Bauchgefühl oder Intuitionen leiten. Sie nutzen dann zwar Ihr Kompendium aus Erfahrungen, Wissen, emotionaler Stimmung und Implikationen. So hilfreich dieser Kompass sein kann – er führt sehr häufig in die Irre.
  3. Man erliegt häufig der Illusion, ein dominant extravertierter Bewerber sei prinzipiell der geeignete Kandidat für eine Führungsposition. Dies schon deshalb, weil er sowohl verbal als auch durch seine Beziehungsausrichtung beeindruckt. Das ist sicher eine Fehleinschätzung. Sie sollten mehr auf den Kontext achten, in dem der Kandidat in einer definierten Rolle mit definierter Verantwortung agieren wird – und dabei stark in Rechnung stellen, dass Reden keine Ziele realisiert.
  4. Machen sie nicht automatisch Ihre fachlichen Koryphäen zu Führungskräften, beurteilen Sie sie nach den gleichen Kriterien, wie Sie auch externe Anwärter beurteilen. Denn fachliche Koryphäen tragen Erhebliches zum Unternehmenserfolg bei – allerdings nicht zwangsläufig in Führungspositionen!
  5. Einstellungstest und Assessment Center geben nur zum Teil valide Aussagen. Die Geübten und in Testverfahren erfahrenen Kandidaten schneiden immer besser ab als die ungeübten, unerfahrenen nicht Geeigneten.

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