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Diesem Motto entsprechend erscheint es sinnvoll, dass sich diese Mitarbeiter die Frage stellen, inwieweit sie auf Dauer die „Führung von unten“ übernehmen wollen. Aus dem eigenen Tun entsteht nicht nur für einen selbst Verlässlichkeit, auch die „ geführte Führungskraft“ und ebenso die Kollegen in der Abteilung verlassen sich bewusst oder unbewusst auf den „Unter-Führer“. Die so hergestellte Stabilität in der Abteilung gerät in Gefahr, wenn der Mitarbeiter seine „Unter-Führung“ beendet.
Es ist eine Illusion zu glauben, dass Führungs- und Entscheidungsschwäche einer Führungskraft nur von seinen direkten Mitarbeitern wahrgenommen wird. Nichts wird vom „System“ so schnell aufgespürt wie ein schwacher Führer. Ein Mitarbeiter, der unabgesprochen die Führungsaufgabe übernimmt und damit beweist, dass er womöglich mehr Alpha-Tier-Qualitäten als die eigentliche Führungskraft besitzt, macht sich daher nicht nur Freunde.

Wie die Kollegen reagieren

Die eigenen Kollegen reagieren unterschiedlich auf die Führungsübernahme, auch wenn sie nicht immer wissen, dass ein „Führungswechsel“ stattgefunden hat. Erleichterung macht sich bei denen breit, die es begrüßen, dass es nun wieder vorangeht und sie die lästige Aufgabe nicht selbst übernehmen müssen. Andere Kollegen – aus der eigenen als auch aus anderen Abteilungen – reagieren mit Neid und beäugen argwöhnisch jeden Schritt des „Unter-Führers“, getrieben von der Furcht, selbst ins Hintertreffen zu geraten oder benachteiligt zu werden.

Hierarchie bekommt besondere Bedeutung

In der Rolle des führenden Mitarbeiters bekommt die Hierarchie auf einmal eine besondere Bedeutung. War man es sonst gewohnt, die hierarchischen Kommunikationswege einzuhalten, weil sich eine Automatisierung eingestellt hat und Regeln beachtet wurden, kann es jetzt passieren, dass unsichtbare „dotted lines“ entstehen: Kollegen der eigenen Hierarchieebene beauftragen den „Führungskollegen“, Themen beim Chef durchzubringen, Vorgesetzte anderer Abteilungen wählen den „Unter-Führer“ als Ansprechpartner aus, um schnellere Absprachen zu erzielen. Und der Mitarbeiter selbst umgeht womöglich die Hierarchie, und damit seinen Chef, und holt sich die Entscheidungsfreigaben von der nächst höheren Führungsebene, die den „illegalen“ Weg gegebenenfalls auch gerne nutzt, um Themen voranzutreiben.
Tipp am Rande: Hier ist äußerste Vorsicht geboten, denn nur ein sehr umsichtiges und diplomatisches Vorgehen unter größtmöglicher Einbeziehung der nominellen Führungskraft kann auf Dauer die eigene Position sichern. Allzu schnell wird man sonst in kritischen Situationen zum „Bauernopfer“ im Schachspiel des Unternehmens!

Unternehmen sollten ein besonderes Augenmerk auf führungsschwache Führungskräfte legen. Da diese dazu neigen, Entscheidungen zu verzögern, stagnieren Projekte, was zu beträchtlichen Kosten führen kann – von der Demotivation der betroffenen Mitarbeiter ganz zu schweigen. Coachings zur Rollenklärung und Vermittlung von Führungsmethoden können die Führungskräfte stärken und ihr Verhalten zu Gunsten des Unternehmens und der geführten Mitarbeiter erfolgswirksam verändern.

(Bild: © Dmitry Vereshchagin – Fotolia.de)

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Julia Raddatz

Diplom-Psychologin Julia Raddatz ist in Bornheim nahe Köln/Bonn als Führungskräftecoach, Karriere-, Personal- und Teamentwicklerin tätig. Sie verfügt über fundierte Fachkompetenz, psychologischem Know-how und langjährigen Industrieerfahrungen.

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