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Strategische Entscheidungen in Unternehmen fallen nicht vom Himmel. Sie reifen allmählich und müssen von den Verantwortlichen gezielt herbeigeführt werden – selbst wenn sie das Gefühl haben: Eigentlich können wir uns nicht entscheiden, zum Beispiel weil wir die künftige Entwicklung des Marktes oder der Technik noch nicht kennen.

Eine neue Arbeitswoche beginnt und wie jeden Montagmorgen sagt der Vertriebsleiter zu seiner Assistentin: „Ich möchte nicht gestört werden.“ Dann beugt er sich über die neusten Controllingzahlen und bei deren Studium verdichtet sich bei ihm das Gefühl: „Wir müssen etwas tun. Sonst laufen uns die Mitbewerber den Rang ab.“ Oder: „….Sonst brechen unsere Umsätze weg.“ Oder: „…“

Dieses dumpfe Gefühl hatte der Vertriebsleiter schon lange. Deshalb sprach er hierüber schon informell mit einigen Führungskollegen. Außerdem beauftragte er einen Marktforscher, zu untersuchen, wie das Unternehmen und seine Produkte im Markt wahrgenommen werden. Nun liegen auch diese Zahlen auf dem Tisch und auch sie zeigen nach Auffassung des Vertriebsleiters deutlich: Es muss etwas geschehen, sonst haben wir in absehbarer Zeit ein Problem. Also setzt er das Thema offiziell auf die Agenda für das nächste Treffen des Führungsteams.

Entscheidungsbedarf erkennen

So oder so ähnlich verläuft stets der Prozess, wenn Unternehmen beschließen, Weichen neu zu stellen, beispielsweise um einen Bereich neu zu strukturieren oder eine neue Produktlinie zu starten. Zunächst haben ein oder zwei Entscheidungsträger das Gefühl „Wir müssen etwas tun, sonst …“, weil sie z.B. gewisse Zahlen alarmierend finden. Also beobachten sie die Entwicklung. Und bestätigen sich ihre Annahmen oder Befürchtungen, setzen sie das Thema offiziell auf die Agenda des Unternehmens – verknüpft mit dem Appell: „Wir sollten etwas tun, damit wir …“

Häufig ist das Vermitteln, dass ein Entscheidungs- und Handlungsbedarf besteht, sogar im Führungskollegen-Kreis nicht leicht, denn strategische Entscheidungen nehmen die Zukunft gedanklich vorweg. Sie beruhen auch auf Annahmen – zum Beispiel darüber, wie sich der Markt entwickelt, oder was technisch künftig möglich ist. Diese Annahmen lassen sich nur begrenzt mit Zahlen belegen. In sie fließen auch subjektive Einschätzungen ein.

Entsprechend sind oft die ersten Reaktionen auf solche Vorstöße. „Warum glauben Sie, dass wir unsere Strategie ändern sollten? Unsere Zahlen sind doch gut.“ Deshalb können strategische (Grundsatz-)Entscheidungen oft nicht im Konsens getroffen werden. Vielmehr müssen irgendwann Personen, die das Sagen haben, das Heft in die Hand nehmen und verkünden: „Wir machen das – basta.“

Informationen sammeln, Szenarien entwerfen

Trotzdem sollten strategische Entscheidungen zumindest im oberen Führungskreis soweit möglich im Konsens getroffen werden – damit sie auf einer soliden Basis stehen. Denn wie soll die Notwendigkeit einer Veränderung den Mitarbeitern vermittelt werden, wenn diese nicht einmal alle Führungskräfte sehen?

Besteht Einigkeit darüber „Wir müssen etwas tun“, ist noch lange nicht die Grundlage für eine solide Entscheidung gelegt, denn vielfach sind die Zahlen, Daten und Fakten, aus denen sich gewisse Prognosen ableiten lassen, widersprüchlich. Also gilt es zu ermitteln, welche Entwicklungen nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich sind. Hierauf aufbauend kann dann ermittelt werden, welche Handlungsoptionen bestehen.

Sind die Optionen klar, können Zukunftsszenarien entworfen werden. Die Verantwortlichen können sich fragen: Was geschieht, wenn wir auf die Entwicklung A wie folgt reagieren? Welche Konsequenzen hat das? Welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden? Das Entwerfen solcher Szenarien fällt Unternehmen oft schwer – unter anderem, weil die beteiligten Personen dieselben Daten und Fakten häufig unterschiedlich bewerten.

Hinzu kommt: Jede Organisation entwickelt im Laufe ihres Bestehens gewisse Vorlieben, Informationen zu bewerten und zu verarbeiten. Deshalb bevorzugt sie auch gewisse Lösungswege, während sie andere (vor)schnell verwirft oder gar nicht wahrnimmt. Das wissen viele Unternehmensführer. Deshalb engagieren sie, wenn strategische Entscheidungen anstehen, häufig externe Berater – als Impulsgeber und als Moderatoren für den Entscheidungsprozess.

Das Herbeiführen von strategischen (Grundsatz-)Entscheidungen ist meist ein langwieriger und mühsamer Prozess. Deshalb atmen Topmanager anschließend oft erleichtert auf und lehnen sich entspannt zurück. Dabei beginnt nun erst die eigentliche Arbeit, denn dadurch, dass eine Entscheidung gefällt ist, ist sie noch lange nicht kommuniziert und schon gar nicht umgesetzt.

Architektur für Umsetzung schmieden

Also hängt mit dem Treffen einer strategischen Entscheidung untrennbar die Aufgabe zusammen, eine Architektur zu schmieden, wie den Mitarbeitern vermittelt wird,

  • warum die Entscheidung getroffen wurde,
  • welche Ziele das Unternehmen damit verfolgt und
  • welche Konsequenzen sich hieraus für die Organisation und die Mitarbeiter ergeben.

Besagte Architekturen zu schaffen, ist in Großunternehmen zumeist nicht die Aufgabe des Top-Managements. Sie wird in der Regel an ein Planungs- oder Steuerungsteam delegiert. Das Delegieren dieser Aufgabe entlässt die oberen Führungskräfte aber nicht aus der Verantwortung für das Gelingen des Gesamtprozesses – auch deshalb nicht, weil das Verhalten der Mitarbeiter stark davon abhängt, wie sehr sich die Führung für das Erreichen der Ziele engagiert. Deshalb muss die oberste Führung beim schwierigen Prozess der Umsetzung Präsenz zeigen. Sie muss zudem dafür sorgen, dass aus der Grundsatzentscheidung die nötigen Folgeentscheidungen abgeleitet werden, denn sonst stellt sie irgendwann fest: Unsere Entscheidung war zwar richtig, doch leider wurde sie nicht umgesetzt.

(Bilder: © looobyloooby – iStockphoto.com)

Johann Scholten

Johann Scholten ist einer der drei Geschäftsführer der WSFB-Beratergruppe Wiesbaden (Tel.: 0611/15766-0; E-Mail: jscholten@wsfb.de), die Unternehmen bei Veränderungsprozessen begleitet und deren Mitarbeiter trainiert.

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