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Wir alle wollen, kaufen und bezahlen sie auch. Marken. Marken überstehen Krisen, fegen Konkurrenten aus den Regalen und verkaufen sich teurer als No-Names. Da liegt es mehr als nah, wenn sich auch Menschen als Marke begreifen und ebenso behandeln, denn Klappern ist längst kein Privileg mehr des Handwerks.

Wer nicht stehen bleiben will, muss sich bemerkbar machen, hervorheben und Achtungszeichen setzen. Also: Positionieren, Zielimage entwickeln und zur Marke entwickeln.

Dies gelingt hervorragend mit einem Mittel, das in Deutschland ein Schattendasein fristet, obwohl es mehrere Vorteile in sich vereint. Es ist preiswert, mit relativ wenig Aufwand herzustellen und beliebig duplizierbar. Es ist hochgradig wirksam, weil sich die Zielgruppe mindestens zehn Minuten intensiv mit diesem Mittel, seinem Sender und dem Inhalt gleichzeitig beschäftigt. Es sendet – noch bevor es überhaupt zum Einsatz kommt – die Botschaft: Hier agiert ein Spezialist, der sich aus der Masse heraushebt, eine Marke. Diese eierlegende Wollmilchsau der Markenbildung und Positionierung heißt: öffentlicher Monolog. Dazu zählen Vorträge, Vorlesungen, Statements, Präsentationen und Reden.

Schade nur, dass seine Potenzen in Deutschland von den wenigsten erkannt und genutzt werden, denn wie sehen die meisten öffentlichen Auftritte aus? Redner und Vortragende langweilen ihre Opfer mit Details, Zahlenkolonnen und überbordender Faktenfülle. Sie quälen ihre Zuhörer mit Nominalstil und Bürokratendeutsch, die in gesprochener Sprache nichts zu suchen haben. Deutsche Redner reden meist zu lange, sie meiden Humor wie der Teufel das Weihwasser und verwenden Zitate als letzten Reißaus. Beginn und Ende eines Vortrags sind öde und verwenden sattsam bekannte Standardformeln.

Selbstvermarktung: Hartnäckige Fehlannahmen

Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse räumen auf mit weit verbreiteten, aber dennoch falschen Vor- und Fehlurteilen. Motto: Was lange währt, muss noch lange nicht richtig sein. Der wichtigste Trugschluss ist zur Standard-„Regel“ in vielen Rhetorik, Kommunikations- und NLP-Kursen geworden: Bei einem gesprochenen Text werden nur sieben Prozent der Wirkung über den Inhalt kommuniziert. Der Rest der Wirkung geht angeblich auf Mimik, Gestik und Stimme zurück.

Dieses Märchen wird natürlich gern von Logopäden und Sprechtrainern verbreitet. Richtig ist: Die „Regel“ beruht auf einer Untersuchung von Mehrabian aus dem Jahr 1967, in welcher Ein-Wort-Sätze untersucht wurden. Alle anderen Komponenten der Kommunikation ließ man außer Acht: den Redner, die Situation und die Hörer. Mittlerweile ist mehrfach nachgewiesen worden, dass die Sieben-Prozent-„Regel“ schlichtweg Unfug ist.

Der zweite hartnäckige Virus lautet: Mit Sprache können wir angeblich manipulieren und Hörer in die vom Sprecher gewünschte Richtung bewegen. Stichworte: „schwarze“, „magische“, „verbotene“ oder sogar „skrupellose“ oder „verbotene“ Rhetorik. Überreden statt überzeugen soll allein mit Worten möglich sein, wenn man nur die richtigen Tricks bzw. Winkelzüge kennt und diese auch anzuwenden weiß.

Gegen diese weit verbreitete Vorstellung sprechen mindestens zwei Tatsachen:
Tatsache 1: Kommunikation ist von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig, die einander bedingen und aufeinander einwirken. Ein und derselbe Satz hat in verschiedenen Situationen verschiedene Bedeutungen.
Tatsache 2: Manipulation wendet sich gegen den Willen, gegen die Überzeugung, gegen Glaubensgrundsätze und individuelle Wahrheiten anderer Menschen. Wenn Menschengruppen scheinbar manipuliert werden, dann handeln sie entweder parallel zu ihren Glaubensgrundsätzen und Intentionen, weil sie mit den dargestellten Inhalten übereinstimmen, oder widerwillig, weil äußere Machtfaktoren dies zum Beispiel als opportun erscheinen lassen.

Wie Sie zum Besser-Redner werden:

  • Ein starker, unverwechselbarer, vor allem aber unerwarteter Beginn lenkt die Aufmerksamkeit der Hörer sofort auf den Redner und dessen Botschaften. Machen Sie das Gegenteil von dem, was die Zuhörer erwarten. Fallen Sie auf, tanzen Sie aus der Reihe, überraschen Sie! Der Beginn muss freilich dem Thema entnommen sein und darf nicht aufgesetzt wirken. Wenn er mit dem Schluss eine Einheit bildet, wird der Auftritt rund.
  • Eine zentrale Metapher, ebenfalls aus dem Thema abgeleitet, ist wie geschaffen für das Skelett des Monologs. Aus ihr werden kleine erzählende Passagen abgeleitet, die den Inhalt anschaulich und vor allem emotional übermitteln.
  • Zitate sind ein Zeichen für fehlende eigene Gedanken. Besser, viel besser: Schreiben Sie Sätze, die andere zitieren. Billiger geht Eigen-PR nimmer.
  • Bürokratiestil gehört in die Bürokratie, nicht aufs Podium. Schriftdeutsch der Juristen, das nur so strotzt vor -ung und -heit und -keit ist Gift für die Ohren derer, die Ihnen zuhören.
  • Wechseln Sie zwischen einfachen und zusammengesetzten Sätzen. Nebensätze sind wichtig, zu viel davon sind mehr als flüssig.
  • Texte, die mit Abstraktitis infiziert sind, verfehlen ihre Wirkung, denn Abstrakta haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie jeder anders versteht. Viele konkrete Begriffe, kein Fach-Chinesisch, Alltagsdeutsch. Dann klappt’s auch mit den Hörern.
  • Der wichtigste Rat zum Schluss: Sehen Sie öffentliche Monologe nicht als Last, sondern als Lust. Verstehen Sie Reden, Vorträge und Statements als einzigartige Möglichkeit, gezielt Menschen zu gewinnen. Für das beste Produkt, das Sie je kennen lernen werden: sich selbst.

(Bild: © Albert Ziganshin – Fotolia.com)

Dr. Jens Kegel

Dr. Jens Kegel ist Spezialist für verbale Unternehmenskommunikation und Selbstmarketing. Als Texter, Autor und Ghostwriter schreibt er seit Jahren für Unternehmen. Als Referent und Trainer gibt er seine umfangreichen Erfahrungen in Vorträgen und Seminaren weiter. Zugleich beschäftigt er sich mit verschiedenen Wissenschaftsbereichen, deren Erkenntnisse er für Praktiker aufbereitet.

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