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In Teil I haben Sie bereits erfahren, wie durch spezielle Persönlichkeitsanalyseinstrumente die Wahrnehmung der eigenen Führungsaufgaben erleichtert werden kann. Lesen Sie nun über die hilfreiche Anwendung dieser Persönlichkeitsprofile auch in Bezug zur Personalauswahl oder der Personalweiterentwicklung.

Praxisbeispiel 1: Personalentwicklung

Angenommen, ein Vertriebsleiter möchte mit einem jungen Mitarbeiter, der Key-Account-Manager werden möchte, über dessen Leistung und berufliche Zukunft sprechen. Aufgrund seiner Beobachtungen ist der Vertriebsleiter jedoch überzeugt: Dem jungen Mitarbeiter fehlen noch die erforderliche Reife und Erfahrung, um eine so verantwortungsvolle Position zu übernehmen. Er weiß aber auch: Wenn ich versuche, mit bestimmten Verhaltensweisen, die ich beobachtet habe, oder rein anhand der Vertriebszahlen dies zu begründen, endet das Gespräch im Chaos. Denn dann erwidert die Nachwuchskraft sofort: „Ja, aber …“. „Und außerdem kennen Sie meine Kunden nicht.“ Das heißt, sie rechtfertigt sich und ihr Verhalten. Und eine Folge des Gesprächs wird vermutlich sein: Die Nachwuchskraft ist sauer, weil sie sich schlecht beurteilt fühlt.

In solchen Situationen ist es oft hilfreich, zunächst ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen, das die Verhaltenspräferenzen der Nachwuchskraft beschreibt und grafisch darstellt. Denn wenn ein solches Profil vorliegt, kann der Vertriebsleiter zum Beispiel fragen: „Erkennen Sie sich in dem Profil wieder?“ Der Gesprächseinstieg erfolgt also nicht über Beobachtungen des Vertriebsleiters, sondern über ein neutrales Medium. Deshalb fällt es der Nachwuchskraft auch leichter, beispielsweise zu antworten: „Ja, auch ich denke, dass es mir recht leicht fällt, eine emotionale Beziehung zu Menschen aufzubauen. Eher schwer fällt es mir hingegen, ….“ Daraufhin kann der Vertriebsleiter erwidern: „Das deckt sich mit Beobachtungen, die ich gemacht habe. Mir fiel zum Beispiel auf, dass … Und das spiegelt sich, so mein Eindruck, auch in den Vertriebszahlen wieder.“

Das Vorliegen eines DiSG-Persönlichkeitsprofils erleichtert es Führungskräften also, in Personalentwicklungsgesprächen auch Verhaltensmuster und -weisen des Mitarbeiters zu thematisieren, die ihre Wurzeln in deren Persönlichkeit haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligten einen eher technischen oder kaufmännischen Background haben. Denn dann fehlt ihnen oft eine passende Terminologie, um über persönliche Schwächen so zu sprechen, dass keine emotionalen Verletzungen entstehen.

Praxisbeispiel 2: Personalauswahl

Von Vorteil ist das Vorliegen eines DiSG-Persönlichkeitsprofils auch, wenn es um das Treffen und Kommunizieren von Personalentscheidungen geht. Erneut ein Beispiel. Angenommen, ein Bereichsleiter steht vor der Entscheidung, welchem Mitarbeitern er die Position eines Gruppenleiters in der Produktion anvertraut. Dann kann er seine Entscheidung rein auf seine Vorerfahrung mit den Kandidaten stützen. Er kann diese aber auch bitten, dass sie DiSG-Persönlichkeitsprofile von sich erstellen lassen. Dies bietet ihm den Vorteil: Er kann anhand der Profile nochmals überprüfen, ob sich diese mit seinen Eindrücken decken. Ist dies der Fall, ist er auf der sicheren Seite. Zeigen sich jedoch Soll-Ist-Abweichungen, dann sollte er sich fragen: War meine Einschätzung richtig? Oder wurde sie zum Beispiel davon überlagert, dass ich den Kandidaten x sympathischer als den Kandidaten y finde? Oder davon, dass er ähnlich tickt wie ich – obwohl die vakante Position eigentlich einen anderen Typ erfordert? Er kann also das Profil nutzen, um seine Entscheidung zu verifizieren.

Doch nicht nur dies. Er kann das Profil auch nutzen, um seine Entscheidung zu vermitteln und zu begründen. Dies ist oft sinnvoll. Denn angenommen, es gibt vier gute Mitarbeiter, die gerne Gruppenleiter werden würden – auch weil diese etwas besser entlohnt werden. Es werden aber nur zwei Gruppenleiter benötigt. Dann ist mit der Aussage „Sie werden es nicht“ stets die Gefahr verbunden, dass der betroffene Mitarbeiter innerlich mehr oder weniger kündigt – zumindest wenn er die Begründung als nicht nachvollziehbar und eventuell sogar persönlich verletzend empfindet. Deshalb ist es in solchen Situationen hilfreich, wenn die Führungskraft dem betroffenen Mitarbeiter anhand seines DiSG-Profils darlegen kann, an welchen Punkten sein Profil (noch) von dem Soll-Profil abweicht. Denn dann kann der Mitarbeiter das „Nein“ leichter akzeptieren, als wenn die Führungskraft zum Beispiel zu ihm sagt: „Es bereitet Ihnen Probleme, anderen Menschen klare Anweisungen zu geben.“ Oder: „Es fällt ihnen schwer, wenn’s hektisch wird, einen kühlen Kopf zu bewahren.“

Dies gilt insbesondere, wenn dem Mitarbeiter zugleich eine Entwicklungsperspektive aufgezeigt wird. Zum Beispiel mit den Worten: „Aufgrund Ihres Profils und der Art, wie ich Sie und Ihre Arbeit aktuell erlebe, schlage ich vor, dass Sie im kommenden Jahr das Seminar x und das Training y besuchen. Außerdem sollten Sie verstärkt …. Danach setzen wir uns erneut zusammen und…“. Geht eine Führungskraft so vor, berücksichtigt sie zum einen die Erfordernisse des Betriebs, zum anderen verhält sie sich der Situation und dem Gegenüber angemessen. Oder anders formuliert: Sie praktiziert einen situativen Führungsstil.

Weitere Artikel dieser Serie:

Mehr Führungs-KRAFT entfalten (Teil I)

(Bild: © Felix Möckel – iStock.com)

Julia Voss

Julia Voss ist Geschäftsführerin des Trainings- und Beratungsunternehmens Voss+Partner, das offene und firmeninterne Trainerausbildungen durchführt. Die Trainer-Ausbildung von Voss+Partner wurde von der Stiftung Warentest aufgrund ihrer hohen Qualität ausgezeichnet. (infovoss@voss-training.de; Tel.: 040/7900767-0).

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