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BusinessmanDas Internet ist nicht nur ein effizienter, sondern auch ein vergleichsweise kostengünstiger Empfehlungsgenerator mit hoher Reichweite. Mundpropaganda im Web funktioniert auf subtile Weise und ist oft nur auf den zweiten Blick als solche zu erkennen. Sie kann durch puren Zufall entstehen oder von einem Unternehmen gezielt losgetreten werden.

Das virale Marketing verdankt seinen Namen der dramatischen Schnelligkeit und der exponentiellen Wirkung, mit der sich eine Botschaft – meist per E-Mail oder über Foren, Blogs und Chats – virusartig im Internet ausbreitet, ohne dass darauf Einfluss genommen werden kann, wen sie wann erreicht. Ein früher Vertreter des viralen Marketing war das Computerspiel Moorhuhn, das am Ende zwei Drittel aller Computer ‚infiziert’ haben soll. Ein weiteres Beispiel ist das Kinderlied vom Schni-schna-Schnappi-Krokodil, das vom Internet aus die Charts eroberte.

Der überwältigende Vorteil des viralen Marketing ist der, dass die Botschaft meist von einem Menschen kommt, den man kennt – und nicht von einem anonymen Anbieter. Wenn die Empfehlung ohne erkennbaren äußeren Einfluss ausgesprochen wird, wirkt sie glaubwürdig und ehrlich. So kann im Web jeder User als kostenloser Verkaufshelfer agieren. Allerdings kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, ob die Botschaft eine positive oder eine negative Richtung nimmt. Was einmal in Umlauf gerät, ist nicht mehr zu stoppen. Und (fast) nie mehr zu löschen. Das macht virales Marketing so spannend – und auch gefährlich.

Wie eine virale Kampagne konzipiert wird

Wie bei jeder Vertriebsmaßnahme werden auch bei einer viralen Werbekampagne zunächst die Ziele (Bekanntheit, Sympathie, Adress-Generierung, Abverkauf, Erinnerung, Newsletter-Bestellung, Visits etc.) definiert, die anvisierten Zielgruppen festgelegt sowie der optimale Zeitpunkt für den Kampagnenstart bestimmt. Danach geht es um den passenden viralen Auslöser, den Lockvogel sozusagen.

Niemand wird eine Botschaft freiwillig verbreiten, die ihm selbst nicht gefällt. Nur, wenn Sie etwas bieten, worüber es sich zu reden lohnt, womit demzufolge der Absender beim Empfänger punkten kann, wird ersterer für Sie aktiv.

Dabei soll der Überträger nicht nur animiert werden, die Botschaft aktiv zu verbreiten, er soll außerdem den Empfänger der Botschaft zur Weitergabe motivieren. Ihre Kampagne muss also beiden Seiten Nutzen versprechen. Dies kann gelingen, wenn Sie beispielsweise

  • etwas Unterhaltsames bieten
  • den Spieltrieb anregen
  • etwas völlig Neues bieten
  • etwas Einzigartiges bieten
  • etwas Sensationelles bieten
  • etwas Nützliches bieten
  • etwas zum Gewinnen ausloben

und wenn darüber hinaus

  • für die Nutzer möglichst keine Kosten entstehen
  • die Botschaft leicht übertragbar ist
  • der Absender (wenn möglich) für seine Arbeit belohnt wird.

Virales Marketing: Auf den Lockvogel kommt es an

Virale Botschaften sollen sich ‚wie von alleine’ weiterverbreiten. Je attraktiver der Content, desto höher ist der zu erwartende Effekt. Nur was richtig gut ist, kommt durch. Hier einige Beispiele:

  • Unterhaltsames: Wenn wir etwas besonders lustig finden, lassen wir andere Menschen gerne daran teilhaben. Eine unterhaltsame Geschichte, ein Cartoon, ein Video-Clip, ein Spiel, virtuelle Küsse, eine witzige eCard: All das wird gerne weitergeleitet. Eine meiner Trainerkolleginnen, Sabine Asgodom, hatte einmal einen strippenden Weihnachtsmann auf ihrer Webseite, der sich durch Anklicken entblätterte. Damit hat sie bei ihrer Zielgruppe, den Sekretärinnen und Assistentinnen, einen Volltreffer gelandet. Die süffisante Botschaft eroberte die Vorzimmer der Republik im Sturm.
  • Sensationelles: Was sensationell, möglicherweise sogar ein wenig makaber ist, erregt die Gemüter, lässt Emotionen hochkochen und ist in hohem Maße viral. Es wird weitererzählt bzw. als elektronische Post weitergeleitet. Der Haarpflegehersteller Alpecin landete beispielsweise mit seinem Glatzenrechner im Internet einen riesigen Coup. Zehn Tage nach Freischaltung der Webseite hatten sich schon über eine halbe Million Interessierte durch den Fragenkatalog geklickt, um eine Vorhersage über die Entwicklung ihrer Haarpracht zu erhalten.
  • Nützliches: Checklisten, Anwendertipps und Ähnliches zum Downloaden werden gerne weiterempfohlen. So gewinnen Sie zielsicher neue Kunden in den von Ihnen favorisierten Zielgruppen. Bedingung ist, dass die Unterlagen gratis bereitstehen. Kosten sind seit jeher eine Hemmschwelle im Internet, sie lassen die Klickraten schnell abebben. Zudem kommen weitere Überlegungen dazu: Ist der Anbieter vertrauenswürdig, wie bezahle ich (wenn es nicht kostenlos ist), ist das sicher etc. Achten Sie ferner darauf, dass sich Ihre Dokumente schnell aufbauen und leicht navigierbar sind. Weniger ist oft mehr, denn die Geduld im Web ist schnell zu Ende.

Virales Marketing: Die Saat muss aufgehen

Entscheidend für den Erfolg einer viralen Kampagne ist die Frage, ob es gelingt, möglichst viele Menschen zur Weiterleitung einer Botschaft zu animieren. Um dies zu steuern, ist es wichtig, die Erstempfänger sorgfältig auszuwählen. Dieser Prozess wird als ‚Seeding’ bezeichnet. Dabei spricht man vom passiven und vom aktiven Seeding. Beim passiven Seeding wird eine Botschaft einfach auf der Webseite ‚ausgesetzt‘, in der Hoffnung, dass sie von den richtigen Leuten gefunden wird.

Beim aktiven Seeding werden – unter Beachtung der rechtlichen Vorschriften – ausgewählte Kreise beispielsweise via Postings, Mails, Podcast, SMS usw. gezielt angesteuert. Hierzu können sowohl eigene Adressen als auch unterschiedlichste Multiplikatoren genutzt werden. Die Erstüberträger (Einzelpersonen, Webportale, Blogs, …) sollten Glaubwürdigkeit, Einfluss und vor allem gute Kontakte in der anvisierten Zielgruppe besitzen. Denn sie werden ja ihr persönliches bzw. berufliches Umfeld bedienen.

In der Epidemiologie wird das Weitergabe-Verhalten durch die Reproduktionsrate R ausgedrückt. Nur wenn jeder ‚Infizierte‘ mindestens eine weitere Person ‚ansteckt‘, kommt es zu einer virusartigen Ausbreitung. Das Ziel des Viralmarketing ist also eine Epidemie – im positiven Sinne. Die einzelnen Etappen, die eine Mundpropaganda-Botschaft durchläuft, nennen die Fachleute ‚Generationen‘ (G1, G2, G3 usw.).

Geben beispielsweise alle Personen in einem Szenario, das von 50 Erstempfängern ausgeht, die Botschaft an zwei noch nicht informierte Personen weiter (R = 2), so sind nach zehn Schritten (= Generationen) bereits 102.350 Personen ‚infiziert‘. Ist die Reproduktionsrate hingegen kleiner als eins, dann wird die Aktion schnell zum Rohrkrepierer.

Ein Erfolgsbeispiel

Als eines der geglücktesten Beispiele für eine virale Kampagne gilt das Video-Blog, in dem der stellvertretende Chefredakteur des fiktiven Grevenbroicher Tagblatts, Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling unter dem Motto ‚Horst Schlämmer – Ich mach jetzt Führerschein‘ auf kalauernde Weise Anfang 2007 sechs Wochen lang seine diesbezüglichen Erlebnisse beschrieb. Erst nach tagelangem medialen Rätseln, wer wohl hinter der Geschichte stecken könnte, kam heraus, dass die Sache von VW initiiert und gesponsert worden war.

Weit über acht Millionen Viewer haben die Videos, die auch heute noch auf YouTube zu finden sind, angesehen und sich schlapp gelacht. Mehr als 90.000 qualifizierte Interessenten-Adressen (Leads) soll VW daraus gewonnen haben. Der finanzielle Aufwand war, wie so oft bei gut gemachten Mundpropaganda-Aktionen, vergleichsweise gering. VW spricht von einem sechsstelligen Media-Budget – und kassierte für die Kampagne jede Menge Werbepreise.

(Bild: © Renee Jansoa – Fotolia.com)

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Ihre jüngsten Bücher heißen „Die Orbit-Organisation“ und „Querdenker verzweifelt gesucht“.

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