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just dripping 01Ein kleines fränkisches Kurzwarengeschäft steigt zu Europas größtem Versandhaus auf. Doch die Erfolgsgeschichte wird mit einem spektakulären Zusammenbruch beendet. Ein Überblick über acht Jahrzehnte Quelle.

Von Unternehmer.de-Reporterin Linda Csapo

1920er Jahre

Der gebürtige Fürther Gustav Schickedanz eröffnet 1922 in seiner Heimatstadt eine Großhandlung für „Kurzwaren en gros“. Er beliefert vornehmlich Einzelhändler mit Kurz-, Weiß- und Wollwaren. Nach dem Vorbild US-amerikanischer Versandhäuser gründet Schickedanz 1927 ein „Versandhaus für Textilien und Haushaltsartikel.“ Das damalige Firmenmotto lautet „Einkauf direkt an der Quelle“.

Die erste illustrierte Preisliste erscheint 1928 – der Grundstein für den späteren Quelle-Katalog. Im Sortiment befinden sich Textilien, Näh- und Strickmaterial, Köperpflegeartikel, sowie Haus- und Gartenwerkzeug. Zwei Jahre später erscheinen die „Quelle-Informationen“ bereits in einer Auflage von 30.000 Stück. Das Sortiment umfasst bis zu 5.000 Artikel.

Bei einem schweren Autounfall im Juli 1929 verliert Schickedanz seine erste Frau Anna, den gemeinsamen Sohn Leo sowie seinen Vater.

  • 1930er Jahre

1934 ist Quelle das erfolgreichste Kaufhaus in Deutschland. Ihre Kartei umfasst 250.000 Kunden, die „Neusten Quelle-Nachrichten“ erscheinen in einer Auflage von 150.000 Exemplaren. 1935 erwirbt Schickedanz die Rechte an der Marke „Tempo“ sowie die Vereinigten Papierwerke in Nürnberg. 1939 setzt das Versandhaus Quelle bereits 40 Millionen Reichsmark um.

  • 1940er Jahre

1942 heiratet Gustav Schickedanz seine ehemalige Angestellte Grete Lachner. 1943 wird Tochter Madeleine geboren.

Nach Kriegsende sind sowohl die Gebäude des Quelle-Stammhauses als auch seine Kundenkartei weitgehend vernichtet. Die Alliierten stellen das Unternehmen unter eine treuhänderische Verwaltung. Gustav Schickedanz wird als ehemaliges Mitglied der NSDAP inhaftiert und mit einem dreijährigen Berufsverbot belegt.

1948 beginnt mit der Währungsreform der Wiederaufbau in Deutschland. Im selben Jahr wird Schickedanz als „Mitläufer“ eingestuft und aus der Haft entlassen. Ein Jahr später erhält er die Vollmacht über sein neugegründetes Unternehmen zurück.

  • 1950er Jahre

Innerhalb von drei Jahren vervielfacht sich die Kundenkartei von 100.000 (1950) auf 1,6 Millionen im Jahr 1953.

Ab 1954 erscheint der erste „echte“ Hauptkatalog: Fotografien lösen die Produktzeichnungen ab, es kommen immer mehr farbige Seiten hinzu. Der Katalog erscheint von nun an halbjährlich. Bis Ende des Jahrzehnts werden insgesamt 50 Millionen Kataloge, Wurfsendungen und Prospekte an die Kunden versandt.

1955 wird das Versandgebäude Nürnberg mit hochmodernen Logistiksystemen in Betrieb genommen. Im selben Jahr bietet Quelle erstmals eine Finanzierung der Produkte über die neu gegründete „Noris Kaufhilfe“, der späteren Noris-Bank, an.

Mit Quelle-Österreich wagt das Unternehmen 1959 erstmals den Sprung ins Ausland.

  • 1960er Jahre

1960 wird ein neuer Vertriebsweg eingeführt: So genannte „Sammelbesteller“ werden zu wichtigen Partnern. Das Auslandsgeschäft wird weiter ausgebaut: 1962 wird Quelle-Luxemburg gegründet, 1965 Quelle-Frankreich. Mit Quelle-Reisen und Quelle-Fertighäusern wird das Angebotsspektrum innovativ erweitert. Quelle wird mit 30.000 Angestellten, 20 Kaufhäusern und 112 Verkaufsstellen zum größten Versandhaus Europas. Der Werbeslogan im Jahrzehnt des Wirtschaftswunders: „Erstmal sehen, was Quelle hat.“

  • 1970er Jahre

Während Quelle weiterhin floriert und auch im Ausland expandiert, stirbt 1977 Unternehmensgründer Schickedanz. Seine zweite Ehefrau Grete übernimmt die Verantwortung.

1979 richtet Quelle als eines der ersten Versandhäuser eine 24-Stunden-Bestellhotline ein. Auch der Kauf auf Rechnung wird möglich.

  • 1980er Jahre

1984 werden die Quelle Versicherungen aus der Taufe gehoben. (Der Direktversicherer wird 2009 als Karstadt Quelle Versicherung komplett von der Ergo Versicherungsgruppe übernommen und ist von der Insolvenz nicht betroffen.)

1989 dringt Quelle mit der deutsch-sowjetischen Firma „Intermoda“ als erstes Versandunternehmen in den Markt der damaligen UdSSR ein.

  • 1990er Jahre

1990 wird die erste Quelle-Bestellagentur in den neuen Bundesländern eröffnet. In Leipzig wird 1994 das Versandzentrum gebaut. Im selben Jahr stirbt Grete Schickedanz – ihre Tochter Madeleine führt die Geschäfte weiter.

1999 fusionieren Quelle und die Karstadt AG zu zum Handelskonzern KarstadtQuelle.

  • Ab 2000

Quelle startet mit einem neuen Logo ins Jahrtausend. 2002 wird das 75. Firmenjubiläum begangen – ein zweistelliges Umsatzwachstum gibt noch allen Anlass zur Feierlaune. Im selben Jahr wird die Quelle Neckermann Spezialversand GmbH gegründet.

2004 schreibt der Handelskonzern jedoch tiefrote Zahlen – die Führungsspitze wird mit Christoph Achenbach erneuert. Dieser kündigt ein radikales Sparprogramm an: Der Verkauf von großen Unternehmensanteilen soll über eine Milliarde Euro bringen, zudem sollen 5.700 Stellen gestrichen werden. KarstadtQuelle gerät dennoch in eine existenzielle Schieflage.

Im Mai 2005 übernimmt auf Wunsch von Madeleine Schickedanz Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff den Posten des Vorstandsvorsitzenden.

2007 wird die Karstadt Quelle AG in Arcandor umbenannt. Der Konzern wird in die Sparten Primondo mit der Kernmarke Quelle, sowie Karstadt Warenhaus und dem Reiseanbieter Thomas Cook umstrukturiert.

Ab April 2009 führt Arcandor nach hohen Verlusten Gespräche über Staatshilfen: Man erhofft sich einen Kredit von 437 Millionen Euro, sowie eine Staatsbürgschaft von 650 Millionen Euro. Am 3. Juni spricht sich die EU-Kommission gegen Staatshilfen aus – der Konzern sei „nicht förderungswürdig, weil er schon vor dem 1. Juli 2008 in Schwierigkeiten gewesen ist.“

Am 9. Juni beantragt Arcandor Insolvenz. Einige Tage später kündigt Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg an, dass der Druck des Winterkatalogs nicht finanziert werden könne. Noch vor Bewilligung eines Massekredits von 50 Millionen Euro durch Bund und Länder geht der Katalog am 19. Juni dennoch in Druck – das finanzielle Risiko tragen die Druckereien.

Am 15. August wird die Suche nach einem Investor für den Arcandor-Konzern beendet. Fortan geht es um den Verkauf der einzelnen Sparten. Am 1. September wird das Insolvenzverfahren eröffnet.

19. Oktober: Insolvenzverwalter Görg verkündet das Aus für Quelle – es habe sich kein Investor gefunden. Zum ersten November verlieren die verbliebenen 4.000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz.

(Bild: © Horst Brandt – Fotolia.com)

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