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Bei Stichworten wie Markenmanagement oder Markenführung schalten viele Existenzgründer oder mittelständische Unternehmen spontan ab: „Viel zu teuer; nicht meine Priorität“, so oder so ähnlich denken viele. „Hauptsache ich habe eine Visitenkarte mit Logo.“ – Aber aufgepasst, das ist ein Trugschluss: Denn jeder Existenzgründer oder Kleinunternehmer ist eine Marke.

Ob er will oder nicht. Da können Logo und Firmendarstellung im Flyer und im Internet sogar kontraproduktiv sein. Wie kann das passieren?

Kundenbindung: Wie Marken entstehen

Früher einmal wurde die Marke als physisches Kennzeichen für die Herkunft eines Markenartikels oder auch anhand bestimmter Qualitätsmerkmale festgemacht.

Heute kommt eine wichtige Perspektive hinzu: Nämlich das Bild, das Kunden von Ihnen als Person und damit von Ihrem Unternehmen im Kopf haben. Nicht das Logo prägt die Marke. Es ist vielmehr der Existenzgründer oder der mittelständischer Unternehmer, der mit seiner Persönlichkeit wie kein Zweiter die Wahrnehmung seines Unternehmens prägt.

Das Logo ist ein Spiegelbild dafür. Aber wie entsteht dieses Bild in den Köpfen? – Das ist nicht so einfach zu beantworten. Pauschal gesagt: Oft ist es das relevante Drumherum, das die Marke verfestigt: die Art, wie Sie und Ihre Mitarbeiter gegenüber Kunden, Zulieferern und anderen Partnern auftreten. Beispiele dafür haben Sie selbst sicher schon erlebt.

Markenbildung: Was nimmt Ihr Kunde wahr?

Versetzen Sie sich für einen Moment in Situationen, in denen Sie selbst Kunde sind: beispielsweise in der Autowerkstatt oder beim Zahnarzt. Als Kunde solcher erklärungsbedürftigen Dienste können wir im Detail meist weder die Leistung des Zahnarztes noch der Werkstatt beurteilen.

Das, was Sie wahrnehmen und bewerten, ist daher oft das Drumherum:

  • Haben Sie einen Termin vereinbart und müssen trotzdem ewig warten?
  • Haben Sie in der Praxis ständig den Eindruck, ein Fall à la „zwei-eins-distal“ zu sein oder werden Sie namentlich begrüßt und bekommen erstmal einen Kaffee angeboten?
  • Muss ich als Kunde erst den Mechaniker unter der Hebebühne hervorholen, um mein Auto zur Inspektion anzumelden oder spricht mich jemand aktiv an?
  • Erreichen Sie auch nach 18 Uhr jemand in der Praxis oder in der Werkstatt?

Hier findet gelebte Kundenbindung statt – oder genau das Gegenteil. Und genau hier wird das Markenfundament angelegt.

Wahrnehmung als Risikomanagement

Diese Beispiele zeigen, dass Markenbildung in den Köpfen von Unternehmensleitung und Mitarbeitern beginnt und durch das Verhalten geprägt wird: Sie als Chef leben die Marke vor, Ihre Mitarbeiter ziehen nach.

Dies ist in hierarchischen Unternehmen das gelernte Verhalten, und genau hier liegt die Chance, auch mit kleinen Budgets Markenmanagement zu betreiben: Jeder im Unternehmen – vom Auszubildenden bis zum Chef – prägt seinen Teil der Wahrnehmung.

Genau hier entsteht das tägliche Drumherum um die Kernleistung, das in all seinen Facetten das Markenbild prägt. Markenbildung bedeutet zu erst überlegtes Handeln und erst in zweiter Linie aufwändige Kampagnen oder Medienarbeit.

Es ist vor allem bei erklärungsbedürftigen Kernleistungen – von der Autowerkstatt bis zum Zahnarzt – der Wohlfühlfaktor, der Ihre Marke erfolgreich macht. Und genau hier schlummern die Risiken und Chancen unüberlegter Kommunikation: Markenbildung endet beim Logo, sie beginnt aber im Kopf des Existenzgründers und in seinem Verhalten.

Markenbildung ist Prozessmanagement mit Bodenhaftung

Das tägliche Verhalten ist über weite Strecken kein Schicksal, sondern gezielt trainierbar. Das Umsetzungsproblem entsteht dabei oft in einem natürlichen Spannungsfeld: Es ergibt sich aus dem Wunschbild, das der Chef und vielleicht auch sein Team im Kopf hat, und dem, was alle zusammen im täglichen Geschäft tatsächlich leisten können.

Darum sind lehrbuchhafte Markenbildungsprozesse, in denen Teams zusammensitzen und nach Werten und Kernbotschaften für ihre Marke suchen, mit größter Vorsicht anzuwenden. Die große Gefahr besteht darin, dass hier kein authentisches Selbstbild entsteht, sondern vielmehr ein Wunschkonzert, das das Team der Autowerkstatt oder der Zahnarztpraxis gerne von sich am Markt abgeben wollte.

Die Versuchung ist allzu groß, dem Unternehmen ein leuchtendes Markenbild zu geben, das aus der Ferne prima ausschaut, dessen Betrachtung aus der Nähe aber umso eher zu einer Enttäuschung wird.

Neues Briefpapier, ein neues Logo oder gar ein neuer Unternehmensname mit einer bunten Broschüre, die nicht zu dem passen, was der Kunde erlebt, bedeuten risikoreiches Enttäuschungspotenzial.

Zu empfehlen ist daher, von kritischen Markenerlebnispunkten auszugehen und hier systematisch besser zu werden: in kleinen Schritten mit definierten Trainingsfortschritten zur Soll-Marke. Prozessmanagement mit Bodenhaftung und nicht schillernde Logo- und Bilderwelten sind der Schlüssel zum erfolgreichen Markenmanagement für Existenzgründer und im Mittelstand.

Kurzcheckliste Markenbildung

  • Erarbeitung häufiger Kundenkontaktpunkte
  • Definition von Wahrnehmungsrisiken
  • Formulierung von Verhaltensregeln
  • Prozessmanagement zur Verankerung mit: Konzeption von Trainingsmöglichkeiten und Etablierung von Trainingsroutinen
  • Schärfung des Markenversprechens
  • Überprüfung der Bilderwelten in Unternehmensmedien

(Bild: © Andrey Zyk – Fotolia.de)

Prof. Dr. Jan Lies

Prof. Dr. Jan Lies aus Münster ist Professor für PR- und Kommunikationsmanagement an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) in Hamburg. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist nachhaltiges Marken- und Reputationsmanagement für Existenzgründer und Mittelstand. Der promovierte Volkswirt ist freier Strategieberater und Texter sowie Herausgeber des Handbuchs Public Relations mit mehr als 100 Stichworten.

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