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Die aktuelle Wirtschaftkrise wird zu zahlreichen Firmenübernahmen und -zusammenschlüssen führen. Bei jeder Fusion prallen jedoch zwei gewachsene Unternehmenskulturen aufeinander. Dies birgt einen gewaltigen Sprengstoff. Entsprechend professionell müssen die kulturellen Changeprozesse, die mit jeder Fusion verbunden sind, geplant, gemanagt und gesteuert werden, damit die Ziele erreicht werden.

Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise wird zu einer wieder steigenden Zahl von Firmenübernahmen und -fusionen führen, nachdem der Markt für „Mergers and Acquisitions“ (M&A) 2008 eher danieder lag. Viele dieser Transaktionen werden recht kurzfristig, aus der Not heraus erfolgen – so zum Beispiel im Finanz-, Automobil- und Logistiksektor.

In anderen Branchen hingegen, wie zum Beispiel der Pharmabranche, wird der hohe Kostendruck zu höheren Transaktionsvolumina führen.

Analysiert man den Erfolg von Fusionen und Übernahmen in den letzten Jahren, dann macht sich Ernüchterung breit. Studien belegen, dass nur jede dritte Transaktion zu einer Steigerung des Unternehmenswertes führte. Jede zweite Transaktion vernichtete hingegen Kapital.

Zentrale Ursache hierfür war neben einer falschen Akquisitionsstrategie und einer mangelhaften Transaktionsvorbereitung häufig ein falsches Integrationsmanagement. So wurde zum Beispiel in der Post-Merger-Phase, in der die erhofften Wertsteigerungen erreicht werden sollten, häufig ein zentraler Erfolgsfaktor vernachlässigt: die Kulturintegration.

Erfolgsdeterminante Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur ist ein zentraler Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Diese Erkenntnis hat sich seit dem Bestseller von Peters und Waterman (1982) „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ bei den meisten Managern durchgesetzt.

Dabei werden unter Unternehmenskultur, die für die Mitglieder einer Organisation insgesamt typischen Überzeugungen verstanden, die ihrerseits wiederum das Wahrnehmen, Denken, Handeln und Fühlen der Mitglieder der Organisation prägen und sich in deren Handlungen und Artefakten manifestieren.

Der Zusammenhang von Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg ist durch zahlreiche Studien wissenschaftlich belegt. Doch welche Rolle spielt die Unternehmenskultur in einer unternehmerischen Sondersituation wie einer Fusion oder Übernahme?

Bei Mergers oder Firmenakquisitionen müssen zwei verschiedene Unternehmenskulturen in Einklang gebracht werden, um den Erfolg der Transaktion zu sichern. Dieser Integrationsprozess ist nicht unproblematisch, speziell wenn es um internationale Zusammenschlüsse mit unterschiedlichen Landeskulturen geht. Denn bei einer nicht ausreichenden Beachtung führen die kulturellen Unterschiede zu Widerständen und Konflikten, die erhebliche Mehrkosten verursachen und im Extremfall Fusionen sogar scheitern lassen. Das zeigen prominente Beispiele wie die gescheiterten Übernahmen von Chrysler durch Daimler-Benz und von Rover durch BMW.

Die kulturellen Risikofaktoren identifizieren

Deshalb sollte das Thema Unternehmenskultur schon in der Vorbereitungsphase eines Mergers in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken und nicht erst, wenn die Integration schon in vollem Gange ist und sich erste Konflikte abzeichnen.

In dieser frühen Phase kann eine Kulturanalyse des Zielunternehmens anhand von Informationen aus dem Internet, Aussagen von Kunden oder ehemaligen Mitarbeitern erste Erkenntnisse über potenzielle Risikofaktoren liefern.

Zuverlässigere Informationen lassen sich jedoch erst nach Bekanntmachung des Deals durch Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern, durch Befragungen und Fokusgruppen gewinnen. Dann können anhand vorab definierter Dimensionen (wie zum Beispiel Kundenorientierung, Führungsstil und Kommunikationsverhalten) die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei den beteiligten Unternehmen herausgearbeitet werden.

Dabei bedeutet eine hohe Ähnlichkeit nicht zwangsläufig das Ausbleiben von Integrationsproblemen. Gerade bei großer Ähnlichkeit der Kulturen kann es zu einer Kontrastverstärkung, also einer Überbetonung geringfügiger Unterschiede und damit zu Abgrenzungstendenzen kommen. Divergenzen in den Kulturen der beteiligten Unternehmen können sich erfolgsmindernd und erfolgssteigernd auswirken.

Einerseits steigt bei großer Unähnlichkeit das Potenzial für Kulturkonflikte, andererseits können sich gerade aus der Vielfalt Synergiepotenziale ergeben, die es zu nutzen gilt.

Entscheidend ist, dass die kulturellen Konfliktpotenziale erkannt und bei der Planung der Integration berücksichtigt werden. Bei der Durchführung dieser Risikoanalyse reicht das Spektrum der Möglichkeiten von wissenschaftlich fundierten Befragungsinstrumenten, wie dem „Organizational Culture Inventory®“, bis hin zu einem eher pragmatisch-intuitiven Vorgehen mit Interviews von ausgewählten Führungskräften und Mitarbeitern zu vorab definierten Themenfeldern.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, bei der Cultural Due Diligence auf externe Unterstützung zurückzugreifen, um einen unverstellten Blick auf die Charakteristiken der Unternehmenskultur sicherzustellen.

Die Kulturintegration planen und die Zielkultur definieren

In der Post-Merger-Integration müssen Unternehmensstrategien, Geschäftsprozesse und Systeme, Organisationsstrukturen, Mitarbeiter und Kulturen zusammengeführt werden. Ausgangspunkt der Integrationsplanung ist die Entscheidung über die erforderliche Integrationstiefe der beteiligten Unternehmen.

Diese Entscheidung ist in Abhängigkeit von strategischer Interdependenz und dem erforderlichen Grad organisatorischer Autonomie zu treffen. Durch einen geringen Integrationsbedarf sind Stand-Alone-Lösungen oder Holding-Strukturen gekennzeichnet. Um Synergiepotenziale vollständig ausschöpfen zu können, ist meist ein hohes Maß an Integration (Symbiose, Absorption) notwendig.

Die Entscheidung über die Integrationstiefe bestimmt maßgeblich die Form der kulturellen Zusammenführung. Hier bestehen folgende Möglichkeiten:

  1. Übernahme einer Kultur, in der Regel der des Käufers
  2. Symbiose der Kulturen („Best of Both“)
  3. Kulturpluralismus, das heißt beide Kulturen bleiben nebeneinander bestehen

Die Übernahme einer anderen Kultur kann zu großen Widerständen bei der „unterlegenen“ Organisation führen, ist aber durch große Klarheit gekennzeichnet. Bei der Notwendigkeit einer hohen Integrationsgeschwindigkeit ist dies ein geeigneter Weg.

Kulturpluralismus reduziert den Integrationsaufwand enorm. Das friedliche Nebeneinander birgt allerdings auch die Gefahr der Auseinanderentwicklung. Der dritte Ansatz, die Verschmelzung der beiden Kulturen mit dem Ergebnis einer völlig neuen gemeinsamen Kultur, ist am schwierigsten realisierbar und sehr zeitaufwendig. Jedoch wird mit der Wertschätzung beider Kulturen einem Verlierergefühl und Ablehnungsreaktionen vorgebeugt.

Eine neue gemeinsame Kultur schafft die Basis für ein stärkeres Zusammenwachsen und erleichtert beiden Seiten die Identifikation mit dem neuen Unternehmen.

Entscheidend für den Erfolg dieser Vorgehensweise ist es, schnell Klarheit zu schaffen, wie die Zielkultur des neu geschaffenen Unternehmens aussehen soll – das heißt welche Normen, Werte und Prinzipien nun gelten und wie diese in der täglichen Arbeit umzusetzen sind. Bei der Entwicklung der Zielkultur ist ein top-down oder bottom-up-Ansatz möglich. Aufgrund des Zeitdrucks bei der Integration wird häufig ein top-down-Vorgehen bei der Entwicklung der Zielkultur bevorzugt.

Wichtig ist, dass eine Verknüpfung der Zielkultur mit der Unternehmensstrategie erfolgt. Die Umsetzung der Unternehmensstrategie soll durch die gemeinsame Kultur unterstützt werden. Mit dieser Maßgabe sind auch Mitarbeiter und Führungskräfte auf breiter Ebene in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Glaubwürdigkeit und Akzeptanz für den Umsetzungsprozess werden damit gefördert.

Nachdem die Zielkultur definiert ist, müssen die nächsten Schritte festgelegt werden, um die Mitarbeiter mit den neuen kulturellen Maßstäben vertraut zu machen. Die Umsetzung kann nur mit Unterstützung eines schlagkräftigen Projektteams und eines weit verzweigten Netzwerks von Sponsoren, Promotoren und Multiplikatoren („Change Agents“) erfolgen.

Die Integration zweier Unternehmen ist ein nicht zu unterschätzender Kraftakt, der viele Ressourcen bindet. Das Thema Kulturintegration muss deshalb auf der Prioritätenliste des Top-Managements immer wieder durch neue Impulse (zum Beispiel Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung) nach oben gebracht werden.

Die Kulturintegration umsetzen

Die Praxis zeigt, es gibt drei zentrale Bausteine für eine erfolgreiche Kulturintegration:

  1. Information und Kommunikation,
  2. persönlicher Kontakt und Zusammenarbeit von Mitarbeitern beider Unternehmen sowie
  3. unterstützende Maßnahmen, die langfristig wirken und Nachhaltigkeit sicherstellen.

Zu 1: Zwischen Kommunikation und Unternehmenskultur besteht ein kausaler wechselseitiger Zusammenhang. Die Unternehmenskultur bestimmt die Kommunikation ist aber zugleich auch Ergebnis von Kommunikation. Deshalb ist die Entwicklung einer spezifischen Kommunikationsstrategie für das Thema Kulturintegration zentral.

Im Mittelpunkt stehen hier vor allem die internen Zielgruppen: Mitarbeiter, Führungskräfte und Arbeitnehmervertreter. Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist jedoch auch die Kommunikation gegenüber externen Zielgruppen, wie Kunden und potenzielle Bewerber, denn die Unternehmenskultur strahlt an den Schnittstellen (Vertrieb, Recruiting) auch nach außen und wird sehr deutlich wahrgenommen. In einem ersten Schritt zielen die Kommunikationsmaßnahmen darauf ab, bei den Mitarbeitern Akzeptanz für die neue Situation zu schaffen.

Dazu müssen Sinn, Vorteile und Ziele der Transaktion klar vermittelt werden. In einem zweiten Schritt wird die Kommunikation zu einem wichtigen Hebel, um die Veränderungsbereitschaft in Richtung Zielkultur zu entwickeln sowie eine Identifikation mit dem neuen Unternehmen zu erreichen. Dazu müssen die Vorteile, die dieser Veränderungsprozess für jeden Einzelnen bringt, deutlich gemacht werden.

Mangelnde Information und Kommunikation wird schnell durch Gerüchte („Flurfunk“) ersetzt, die Unsicherheit und Ängste schüren. Hier ist die Unternehmensleitung gefragt. Sie muss in der Integrationsphase Präsenz bei den Mitarbeitern zeigen und ihnen Strategie sowie Ziele des neu entstandenen Unternehmens erklären. Mitarbeiterversammlungen, Informationsstände vor der Kantine oder „breakfast meetings“, bei denen Mitglieder der Unternehmensleitung den Mitarbeitern der verschiedenen Unternehmensbereiche und Standorte Rede und Antwort stehen, sind wichtige Plattformen dafür.

Hierbei wollen die Mitarbeiter nicht nur Informationsempfänger sein. Sie möchten vielmehr ihre Fragen, Anregungen und Kritik direkt loswerden und möglichst ungefilterte Antworten bekommen.

Neben der Möglichkeit zum persönlichen Austausch sollten weitere Kommunikationskanäle genutzt werden. So geben eine extra geschaltete Hotline, Intranetforen oder eine E-Mail-Adresse für Rückmeldungen an das Projekt-Team den Mitarbeitern (weltweit) die Möglichkeit, Feedback zu geben und sich an der Entwicklung der Kultur zu beteiligen. Neben diesen Dialogplattformen sollten Informationen zur neuen Unternehmenskultur und zu ersten Erfolgen bei deren Umsetzung für jeden Mitarbeiter zugänglich sein. Geeignete Medien sind zum Beispiel Intranet-Portale, Mitarbeiterzeitungen, Informationstafeln und Newsletter.

Alle Kommunikationsmaßnahmen müssen sich an der Zielkultur messen lassen, denn gerade in der Integrationsphase werden Signale gesetzt, wie ernst es dem Management mit der Umsetzung ist. Dabei wird von den Mitarbeitern nicht nur das Kommunikationsverhalten an sich (Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit) kritisch beobachtet, sondern vor allem, ob den Worten die angekündigten Taten folgen. Das Top-Management ist in der Anfangszeit der Integration häufig der einzig sichtbare Anhaltspunkt dafür, was künftig im Unternehmen gelten soll. Mit der Auswahl der neuen Führungsmannschaft wird der Grundstein für die neue Unternehmenskultur gelegt. Auch aus diesem Grund ist eine besondere Sorgfalt bei deren Auswahl ratsam.

Zu 2: Neben der Kommunikation sind persönliche Kontakte zwischen den Mitarbeitern, gegenseitige Besuche an Standorten, die Mischung von Teams, Teamentwicklung, Integrationsworkshops und Führungskräftetrainings wichtige unterstützende Maßnahmen auf dem Weg zu einer gemeinsamen Kultur.

Integrationsworkshops eignen sich als Auftaktveranstaltungen für die kulturelle Integration. Dort werden den Mitarbeitern die neue Unternehmensstrategie sowie Werte und Prinzipien der neuen Unternehmenskultur erklärt. Diese Integrationsworkshops sollten Raum für Diskussionen geben, um eine Auseinandersetzung mit den Inhalten und auch das Einbringen teamspezifischer Themen zu ermöglichen. Strategie und Werte dürfen keine „Luftblasen“ des Managements bleiben, sondern müssen in den Einflussbereich jedes einzelnen Mitarbeiters gebracht werden.

Hilfreich ist dafür das Beantworten der Frage „Was heißt das für uns als Team bzw. für mich als Mitarbeiter ganz konkret bei unserer/meiner täglichen Arbeit?“ Diese Operationalisierung nebst Anwendung der Prinzipien in arbeitsbezogenen Übungen sind nützliche Hilfsmittel, um die Umsetzung im Arbeitsalltag zu erleichtern.

Zu 3: Mit einem einmaligen Workshop ist es natürlich nicht getan. Weitere Maßnahmen, welche die Entwicklung der neuen Kultur fördern und Nachhaltigkeit sicherstellen, müssen angestoßen werden. Dazu gehört auch, dass die Führungskräfte zusätzliche Unterstützung erhalten. Denn vor allem das mittlere Management ist in seiner Mittlerrolle zwischen Führungsebene und Mitarbeiter in dieser Veränderungssituation mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Unterstützen können zum Beispiel Trainings zum Thema Veränderungsmanagement oder die Übersetzung der neuen Kultur in konkretes Führungsverhalten. Denn Mitarbeiter erwarten, dass die neuen Verhaltensweisen vorgelebt werden.

Zur Sicherung der Nachhaltigkeit sind die Merkmale der Unternehmenskultur in die Human Resources Prozesse (zum Beispiel Performance Management, Recruiting) einzubeziehen. Entscheidend für den langfristigen Erfolg ist, dass Verhalten im Widerspruch zur Zielkultur sanktioniert und Verhalten, das die Umsetzung unterstützt, belohnt wird.

Den Erfolg messen

Um den Erfolg der Kulturintegration zu messen, müssen frühzeitig Messkriterien definiert werden. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten:

  • Anhand welcher Kennzahlen wird der Erfolg gemessen? Und:
  • Mit welchen Instrumenten werden die Daten erhoben?

In der Praxis haben sich Kennzahlen aus Mitarbeiter- oder Kundenbefragungen bewährt. Dazu werden Vollbefragungen zu Beginn des Kulturintegrationsprozesses durchgeführt. Damit kann der Ist-Zustand, zum Beispiel bei den Themen Kommunikation, Entscheidungsverhalten oder Kundenorientierung, bestimmt werden.

Die Auswirkungen des Integrationsprogramms lassen sich dann an den Ergebnissen erneuter Befragungen ablesen. Da dieser Veränderungsprozess Zeit braucht, sind Vollbefragungen in ein- bis zweijährigem Abstand sinnvoll. „Pulse Checks“ mit kleineren Stichproben können in der Zwischenzeit eine Indikation zum Fortschritt der Kulturintegration geben.

Autoreninfo:

Silke Grosse-Hornke und Sabrina Gurk. Sabrina Gurk, Dipl.-Psychologin, ist Senior-Beraterin bei Grosse-Hornke Private Consult und spezialisiert auf das Thema Unternehmenskultur. Über Silke Grosse-Hornke erfahren Sie mehr in der untenstehenden Autoren-Info.

(Bild: © drizzd – Fotolia.de)

Silke Grosse-Hornke

Silke Grosse-Hornke, Dipl.-Kauffrau, ist Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Grosse-Hornke Private Consult, Münster. Sie berät Unternehmen bei globalen Veränderungsprozessen wie zum Beispiel Mergers & Acquisitions (Kontakt: 0251/7035-588; E-Mail: s.grosse@grosse-hornke.de).

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