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Vortrag 2Fast jeder Vierte habe seinen Job satt, vollen Einsatz zeige nur jeder neunte Arbeitnehmer, die meisten Beschäftigten (66 Prozent) machten Dienst nach Vorschrift. So lauten die wiedermal erschreckenden Ergebnisse der jüngsten Gallup-Studie zur Mitarbeiterzufriedenheit in Deutschland.

Welchen Einfluss hat das Verhalten des Vorgesetzten auf die Mitarbeitermotivation und wie ist es um die Mitarbeiterführungskompetenz deutscher Chefs bestellt? Unternehmer.de fragte bei einem nach, der es wissen muss: Alexander Groth ist Bestseller-Autor, Professional Speaker und einer der renommiertesten Führungsexperten Deutschlands.

Herr Groth, die Themen Soft Skills und emotionale Kompetenz werden immer wieder als integrale Bestandteile eines modernen Führungskräfteverständnisses beschworen. Beide Begriffe laufen Gefahr, verwässert zu werden. Wie definieren sie sich im Kontext der Mitarbeiterführung genau?

Alexander Groth: Viele Manager haben ganz gute Soft Skills, aber ihre Emotionale Intelligenz ist nicht besonders gut ausgebildet. Soft Skills ist ein Synonym für Soziale Kompetenz. Damit meint man Fertigkeiten, die für die soziale Interaktion mit anderen nützlich oder notwendig sind. Welche das genau sind, ist aber nicht so klar definiert. Emotionale Intelligenz klingt zwar sehr ähnlich, ist aber etwas anderes. Der EQ beschreibt die Fähigkeit, Emotionen bei sich und anderen wahrzunehmen und damit umgehen zu können. Außerdem zählt die Fähigkeit der Selbstmotivation dazu. Mit den Emotionen haben aber viele Vorgesetzte noch so ihre Probleme.

Aus Ihrer Erfahrung: Wie ist es um die Bereitschaft deutscher Führungskräfte bestellt, das Thema emotionale Kompetenz zu beachten? Und wie sieht es bei der praktischen Umsetzung aus?

Groth_Bild_5_13x18Alexander Groth: Viele Manager denken immer noch, Gefühle hätten im Job nichts zu suchen. Sie halten „Emotionen“ für ein nicht so wichtiges Thema. Viele von ihnen sind aber gleichzeitig nicht fähig, ihre eigenen Gefühle differenziert wahrzunehmen und sprachlich auszudrücken. Wer die eigenen Emotionen aber verdrängt oder ignoriert, der hat auch nur begrenzt die Fähigkeit, sich in die eigenen Mitarbeiter einzufühlen. Deshalb funktionieren viele Change Vorhaben nicht. Die Führungskräfte planen diese zwar minutiös im Ablauf, können dann aber nicht mit den Emotionen und dem daraus fast immer resultierenden Widerstand umgehen. Das Problem sind meistens tatsächlich weniger die Mitarbeiter, die Widerstand zeigen, als die Vorgesetzten, die damit nicht umgehen können.

Stichwort internationaler Vergleich: Welchen Stellenwert haben die Themen Soft Skills und emotionale Intelligenz in ausländischen Führungsetagen verglichen mit Deutschland?

Alexander Groth: Bei uns ist der Stellenwert, glaubt man den Stellenanzeigen, extrem hoch. In der Praxis erlebe ich aber häufig, dass Führungskräfte mit schlechter sozialer und grauenhafter emotionaler Kompetenz geduldet werden, weil sie hohe Leistungen erbringen. Dass dies auf Kosten der Mitarbeiter geschieht und die Fluktuation in die Höhe schießt, wird billigend in Kauf genommen. Hier liegt leider oft der Unterschied zwischen der Unternehmenskommunikation und dem gelebten Alltag. Da ist man in vielen Ländern der Erde weiter als bei uns.

Untersuchungen wie die Gallup-Studien erinnern an Schreckensszenarien: Immer weniger Arbeitnehmer identifizieren sich mit ihrem Job, immer mehr kündigen innerlich. Und viele geben dafür ihrem Vorgesetzten die Schuld. Lässt sich diese „Schuldfrage“ eindeutig beantworten?

Alexander Groth: Der Vorgesetzte ist laut einer Untersuchung nach den „besseren Karrierechancen“ der zweithäufigste Grund dafür, dass Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen. Wenn man bedenkt, was der Austausch eines qualifizierten Wissensarbeiters an Aufwand und Kosten verursacht, ist das nicht hinnehmbar. Viele Führungskräfte müssten beispielsweise lernen, statt schwächen- mehr stärkenorientiert zu führen. Die Gallup-Studie muss man aber in mehrerlei Hinsicht relativieren. Wir Deutschen neigen beispielsweise viel mehr als andere Nationen zum pessimistischen Bewerten.

Wie viel menschliche Nähe ist zwischen Führungskraft und Mitarbeitern möglich, wie viel Distanz nötig?

Alexander Groth: Eine Führungskraft sollte für ihre Mitarbeiter echtes Interesse haben, ihre Stärken und Ziele kennen und wissen, wie zufrieden sie mit ihrer Arbeit im Generellen sind. Dafür muss sie sich Zeit nehmen und sich regelmäßig mit ihnen zusammensetzen. Smalltalk auf dem Gang reicht da nicht. Führungskräfte, die keine oder nur Pseudo-Mitarbeitergespräche führen, sollten sich fragen, was sie unter Führung verstehen. Etwas professionelle Distanz in manchen Dingen schadet aber auch nicht. Die Mitarbeiter sollen die Führungskraft respektieren und nicht lieben.

Stichwort Personalauswahl: Die einzelnen Persönlichkeitsstrukturen eines Mitarbeiterteams entscheiden doch sicherlich maßgeblich über Effizienz und Erfolg des Teams. Macht es Sinn, sich bei der Auswahl professionell psychologisch beraten zu lassen?

Alexander Groth: Es macht sicherlich Sinn, erfahrene interne Personaler bei Auswahlgesprächen als Beobachter hinzuzuziehen. Noch wichtiger ist es aber, sich klarzumachen, welche zentralen Stärken ein Bewerber mitbringen soll. Beschränken Sie sich auf ein bis drei wichtige Eigenschaften, die Sie für die zu besetzende Stelle benötigen. Ob diese vorhanden sind, sollten Sie dann mit einer guten Fragetechnik herausarbeiten. Das kann man lernen. Dafür muss man kein Psychologe sein.

Sie kommen als Redner regelmäßig mit Chefs jeglicher Couleur in Kontakt: Welche Probleme werden Ihnen von Führungskräften immer wieder geschildert? Und was ist Ihr Rat?

Alexander Groth: Die wohl schwierigste Herausforderung für Menschen in verantwortungsvoller Position ist die Life-Balance. Der Job fordert zu viel Lebenszeit und greift immer weiter in das Privatleben über. Die Trennung ist weitestgehend aufgehoben. Durch Blackberry und Co. ist man jederzeit erreichbar und findet selbst am Wochenende und im Urlaub keinen Abstand mehr. Mein Rat: Schalten Sie die Geräte aus. Sorgen Sie dafür, dass Sie in einer stark beschleunigten Welt entschleunigte Zeit für das Wesentliche haben. Es ist paradox: Früher mussten nur die Sklaven arbeiten. Die Oberschicht widmete sich den schönen und interessanten Dingen. Heute sind die Manager, als Mitglied der Oberschicht, die modernen Arbeitssklaven. Statt zu merken, wie eindimensional ihr Leben geworden ist, brüsten sich viele mit ihrer 60-Stunden-Woche. Ob man Zeit für sich selbst, Freunde und Muße hat, ist aber keine Frage von Zeitmanagement, wie die meisten glauben, sondern von grundsätzlichen Lebensentscheidungen.

Herr Groth, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

Das Interview führte Unternehmer.de-Redakteur Mathias Sauermann.

(Bild: © ristaumedia.de – Fotolia.com)

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