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Santa Claus und seine Rentiere„Ich nehme mir mehr Zeit für meine Familie.“ „Ich rauche weniger.“ „Ich treibe mehr Sport.“ Solche Vorsätze fassen wir oft in der Neujahrsnacht oder in der Zeit zwischen den Jahren.

Doch kaum sind die Silvesterraketen verglüht, sind in der Regel auch die Vorsätze vergessen – weil diese nicht in einer Lebensvision von uns verankert sind.

Die Zeit zwischen den Jahren – sie ist für viele Berufstätige neben dem Urlaub die einzige Zeit, in der sie sich mehrere Tage entspannt zurücklehnen können. Denn nun geht alles etwas langsamer. Nicht einmal Rückfragen aus der Firma unterbrechen die Ruhe, denn die meisten Betriebe sind dicht.

Sind Weihnachtsessen und Verwandtenbesuche vorbei, lassen denn auch viele Menschen das vergangene Jahr Revue passieren. Was habe ich erreicht, was nicht? Was bereitete mir Freude bereitet, was nicht?

Und ehe wir uns versehen, nehmen wir uns zum Beispiel vor: Im nächsten Jahr verbringe ich mehr Zeit mit der Familie. Oder: Künftig treibe ich mehr Sport. Oder: Im neuen Jahr gehe ich öfter mit meinem Partner aus. Denn plötzlich wird uns bewusst: Das Leben ist mehr als Arbeit.

Und in uns steigen ganz „seltsame“ Fragen empor: Wofür schufte ich eigentlich tagaus, tagein? Macht mir meine Arbeit Spaß? Bin ich mit meiner Beziehung zufrieden? Wer sind meine Freunde? „Gefährliche Fragen“, wie der Frankfurter Führungskräftecoach und Lebensberater Dr. Kai Hoffmann betont. „Denn wenn wir auf sie keine befriedigenden Antworten finden, gerät unser inneres Gleichgewicht schnell ins Wanken.“

Auszeiten nehmen

Deshalb versuchen viele Menschen, diese Fragen erst gar nicht in sich hochkommen zu lassen. „Sie verplanen ihre freie Zeit wie ihre Arbeitszeit.“ Diese Erfahrung sammelt Dr. Elisabeth Heinemann, Professorin für Schlüsselqualifikationen an der Fachhochschule Worms, immer wieder. Ein Termin jagt den anderen: Nach dem Kaffeetrinken bei den Eltern noch schnell mit Freunden ins Kino gehen. Außerdem muss im Keller noch Ordnung geschaffen und auf dem PC das neue Computerspiel installiert werden. So bleibt auch in der Freizeit keine „freie Zeit“.

Dabei werden Auszeiten immer wichtiger, wenn wir auf Dauer ein er-fülltes statt ge-fülltes Leben führen möchten. Denn wir werden heutzutage, betont Heinemann, „mit stets neuen, zusätzlichen Anforderungen konfrontiert“. Wir sollen uns weiterbilden, damit unsere Arbeitskraft gefragt bleibt. Wir sollen stärker auf unsere Gesundheit achten. Und unsere Alterssicherung? Auch um sie sollen wir uns kümmern.

Egal, wohin wir schauen: Überall wird von uns mehr Eigenverantwortung gefordert, überall werden wir mit neuen Herausforderungen konfrontiert. „Herausforderungen, von denen wir oft nicht wissen, wie wir sie bewältigen sollen. Schließlich sind sie neu“, wie der Unternehmercoach Kurt-Georg Scheible, Stuttgart, betont. „Also brauchen wir Zeit, um neue Lösungswege zu entwerfen.“

Hinzu kommt: Immer häufiger müssen wir uns entscheiden. Ziehe ich nach Hamburg um, weil ich Karriere machen möchte, oder sind mir meine Freunde wichtiger? Spare ich 200 Euro monatlich fürs Alter oder kaufe ich ein neues Auto? Will ich mit meinem Partner Kinder kriegen oder unabhängig bleiben? Bei all diesen Fragen müssen wir uns entscheiden, betont Scheible. „Denn selbst wenn wir uns noch so oft einreden, alles sei zugleich möglich, faktisch ist dies eine Illusion. Wenn ich heute in Berlin und morgen in New York arbeite, während mein Partner in Shanghai an seiner Karriere bastelt, ist es schwer, gemeinsam eine stabile Liebesbeziehung und Familie aufzubauen.“

Eine Lebensvision entwickeln

Das bedeutet: Wenn wir uns für etwas entscheiden, verwerfen wir in der Regel zugleich andere Möglichkeiten. „Wer ‚Ja’ sagt, sagt zugleich ‚Nein’“, betont Julia Voss, Geschäftsführerin des Trainingsunternehmens Voss+Partner, Hamburg. Wirklich entscheiden können wir uns aber nur, wenn wir wissen, was uns wichtig ist. „Sonst fassen wir zwar viele Vorsätze, doch ein, zwei Tage später, wenn uns der Alltag einholt, sind sie wieder vergessen oder wir werfen sie bewusst über Bord.

Der Grund: Unsere Vorsätze sind nicht in einer Lebensvision verankert, die uns sagt, was uns wichtig ist. Deshalb lassen wir uns vom „Dringenden“ auffressen.

Was in unserem Leben wichtig ist, ist aber selten dringend, betont Elisabeth Heinemann. Hierfür einige Beispiele:

  • Es ist nie dringend, joggen zugehen. Es wäre aber gut für unsere Gesundheit.
  • Es ist nie dringend, mit unseren Kindern zu spielen. Es wäre aber positiv für deren Entwicklung.
  • Es ist nie dringend, sich Zeit für ein Gespräch mit unserem Lebenspartner zu nehmen. Es wäre aber gut für unsere Beziehung.
  • Es ist nie dringend, sich zu fragen: „Welche Ziele habe ich in meinem Leben?“ Es wäre aber von Vorteil, damit wir nicht in zwei, drei Jahren in eine Sinnkrise geraten.

Für die nötige Balance sorgen

Häufig hegen wir die Illusion: Wenn ich alles schneller erledige, habe ich für alles Zeit. Die Konsequenz: Wir gehen nicht mehr durchs Leben, wir rasen. Und irgendwann stellen wir resigniert fest: Nun führe ich zwar ein noch ge-füllteres, aber kein er-fülltes Leben. Dieses Lebensgefühl haben immer mehr Menschen. Entsprechend viele Ratgeber in Sachen Lebensführung werden in den Buchhandlungen zum Kauf angeboten. Oft beziehen sie sich auf das Work-Life-Balance-Modell von Lothar Seiwert.

Dieses geht davon aus, dass die vier Lebensbereiche

    • „Körper und Gesundheit“,

 

    • „Familie und Kontakt“,

 

    • „Beruf und Leistung“ sowie

 

  • „Sinn und Kultur“

in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Deshalb verliert, wer zum Beispiel den Bereich „Arbeit/Leistung“ überbetont, auf Dauer nicht nur seine Lebensfreude, sondern auch seine Leistungskraft.

„Wenn wir ein erfülltes Leben führen möchten, müssen wir also für die rechte Balance zwischen den vier Lebensbereichen sorgen“, betont denn auch Dr. Kai Hoffmann. Dies setzt eine Vision von unserem künftigen Leben voraus. Eine solche Lebensvision können wir nicht zwischen Tür und Angel entwickeln. Hierfür müssen wir uns eine Auszeit von der Alltagshektik nehmen. Und welche Zeit eignet sich hierfür besser als die Zeit „zwischen den Jahren“?

Hoffmann rät: „Setzen Sie sich also, wenn der Weihnachtsschmaus verdaut ist, hin und fragen Sie sich bezogen auf die vier genannten Lebensbereiche: Was ist mir wirklich wichtig? Worin zeigt sich für mich ein erfülltes Leben? Und: Was sollte ich 2010 tun, damit ich auf Dauer ein erfülltes Leben führe?

Und noch einen Tipp hat der Berater: „Klammern Sie dabei auf keinen Fall den Bereich ‚Sinn und Kultur’ aus. Denn wenn wir das, was wir in den drei anderen Lebensbereichen tun, nicht als sinnhaft empfinden, erfahren wir unser gesamtes Leben irgendwann als öde und leer.“ Und unweigerlich drängt sich uns dann die Frage auf: „Was soll das Ganze?“ Dann gehen wir nur noch mit angezogener Handbremse durchs Leben. Selbst die einfachsten Dinge fallen uns schwer.

Absprachen treffen

Wenn Sie ein Bild von Ihrem künftigen Leben vor Ihrem inneren Auge haben, sollten Sie einen Maßnahmenplan entwickeln, um Ihre (Lebens-)Ziele zu erreichen. Doch Vorsicht, mahnt Julia Voss: „Sprechen Sie hierüber auch mit den Personen, die Ihnen wichtig sind – zum Beispiel Ihrem Lebenspartner.“ Denn auch er hat Ziele. Und vielfach sind Sie auf seine Unterstützung angewiesen, um Ihre Ziele zu erreichen.

So können sie sich auf die Kompromisse verständigen, die nötig sind, damit sie beide erreichen, was ihnen wirklich wichtig ist. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass Sie irgendwann mit Schrecken zum Beispiel feststellen: Mist, jetzt stehe ich zwar auf der Karriereleiter ganz oben. Doch auf dem Weg dorthin habe ich leider etwas Wichtigeres verloren – meinen Lebenspartner.

(Bild: © smgirly – Fotolia.com)

Andreas Wollny

Andreas Wollny ist Wirtschaftsredakteur. Er ist auf die Themen Personal- und Unternehmensführung sowie Weiterbildung spezialisiert. Er arbeitet für das Büro für Bildung und Kommunikation, Darmstadt. Kontakt: (Telefon: 06151/896590; Mail: a.wollny@bildung-kommunikation.de)

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