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Konflikte werden in Unternehmen gern vermieden. Doch wenn es gilt, die bisherige Unternehmenskultur weiterzuentwickeln, sind konstruktive Konflikte wichtige Prozessbeschleuniger. Warum Unternehmen von Kulturprojekten doppelt profitieren, erklären wir hier.

Hat ein Unternehmen entschieden, die eigene Firmenkultur weiterzuentwickeln, geht die Arbeit erst richtig los. Eine professionelle Projektorganisation mit Projektauftrag und Zielen wird aufgesetzt, Projektleitung und –team bestimmt sowie eine Zeit- und Ressourcenplanung vorgenommen.

Was den wenigsten bewusst ist: Nachhaltige und damit gute Unternehmenskulturprojekte erzeugen schnell interne Konflikte. Damit diese Konflikte nicht aus dem Ruder laufen, bedarf es eines stabilen Rahmens, innerhalb dessen die Konflikte entstehen und kulturverändernd bearbeitet werden können.

Was sind die Konfliktursachen?

Unternehmenskulturprojekte arbeiten von Beginn an auf Basis der neuen, gewünschten Ziel- bzw. Soll-Kultur, da es sonst von der internen Öffentlichkeit nicht ernst genommen wird.
Die Zielkultur unterscheidet sich jedoch von der aktuellen Unternehmenskultur, was zu Spannungen, Irritationen, Missverständnissen, Störungen und Umbrüchen führt.

An Schnittstellen zwischen der aktuellen und zukünftigen Kultur, zwischen Projektteam und Linienorganisation entstehen in der Folge Konflikte, die dazu führen, dass das bisherige Verhalten hinterfragt wird und dass Veränderungsimpulse innerhalb der Organisation ausgelöst werden.

Sicherlich lassen sich Unternehmenskulturprojekte auch ohne hohes Konfliktpotenzial steuern. Dann erscheint es den Mitarbeitern aber so, als würde nichts Bedeutsames passieren, obwohl das Projekt bereits im vollem Gange ist. Die Erfahrung zeigt, dass die Ergebnisse von Kulturprojekten hinter den Erwartungen bleiben, wenn Konflikte unterdrückt werden bzw. ausbleiben.

Die mit dem Projekt verbundenen Erwartungen von Führungskräften und Mitarbeitern werden enttäuscht, wenn es keinen grundlegenden Wandel im Unternehmen gibt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn es zwar gute Ideen zur Kulturveränderung gibt, es jedoch bei Bagatellmaßnahmen bleibt.

Dies sind Maßnahmen, bei denen etwa die neuen internen Werte auf Plakaten auf dem Flur oder als Bildschirmschoner transparent gemacht werden, ohne dass diese jedoch verhandelt wurden. Gleiches gilt für Schulungen, in denen erklärt bzw. „geschult“ wird, wie die Organisation ihre neue Identität finden soll.

Die Mitarbeiter empfinden solche Maßnahmen als „übergestülpt“, auch wenn einige von ihnen diese Ideen mit eingebracht haben. Solche Projekte versanden daher regelmäßig und führen zu starkem Frust innerhalb der Belegschaft. Eine Konsequenz ist, dass Führungskräfte wie Mitarbeiter gegenüber jedem künftigen Kulturprojekt noch misstrauischer gegenüber stehen werden.

Neue Besen kehren gut – aber Alte wehren sich

Chefs sollten sich daher bewusst machen, dass Konflikte im Kontext von Kulturprojekten etwas völlig Normales und eher ein gutes Zeichen sind. Schließlich zeichnen sich Unternehmenskulturen dadurch aus, dass sie sehr veränderungsresistent sind. Ansonsten würden sie nicht Führungskräften wie Mitarbeitern über einen längeren Zeitraum die nötige Orientierung bieten.

Das bedeutet: Wer eine Unternehmenskultur wirklich ändern will, muss sich mit diesen Beharrungskräften auseinandersetzen. Das wiederum gelingt erfolgreich nur

  • mit Emotionen,
  • mit unterschiedlichen Meinungen,
  • mit hoher Beteiligung und konkreten Verhaltensweisen, an denen sich gerieben werden kann – also mit konstruktiven Konflikten.

Das aktuelle HR-Panel von Rochus Mummert belegt indes, dass gerade deutsche Unternehmen Probleme damit haben, eine Konflikt- und Anerkennungskultur zu etablieren.

Das führt häufig dazu, dass Konflikte, die zwischen dem Projektteam und der bestehenden Linienorganisation bzw. dem neuen und dem alten Kulturverhalten entstehen, weder direkt noch konstruktiv bearbeitet werden. Stattdessen suchen die Repräsentanten der alten Kultur häufig nach internen Verbündeten, die das abweichende, kulturfremde Verhalten als Bedrohung oder Inkompetenz werten.

Damit wird der von dem Kulturprojekt ausgehende Veränderungsimpuls entwertet. Das Projektteam erfährt meist erst davon, wenn die Unternehmensleitung dem Projektverantwortlichen Druck macht und nach Sinn bzw. Unsinn des Vorhabens fragt.

Wenn eine derartige Konfliktumleitung lang genug läuft bzw. wenn es zu wenig Verbündete für das Projekt – und damit für das neue Kulturverhalten – gibt, werden gern die Berater gewechselt, der Projektleiter ausgetauscht oder dem Projekt Ressourcen und Unterstützung entzogen – was einem faktischen Projektende gleichkommt. Die Folge: Es bleibt wieder einmal alles beim Alten.

Mehr Mut zum Streit

Auftraggeber und Projektleiter sowie der externe Beratungspartner brauchen bei den entstehenden Konflikten einen Schulterschluss. Nur mit einer Konfliktfestigkeit schaffen sie es, das Projekt erfolgreich zum Ziel zu führen und die Investition betriebswirtschaftlich zu sichern.

Für Chefs als Auftraggeber bedeutet das: Sie sollten

  • bei Konflikten zwischen Projektteam und Linienorganisation gelassen bleiben.
  • immer wieder darauf hinweisen, dass Missverständnisse, Irritationen und Enttäuschungen ein gutes Zeichen dafür sind, dass am Kern der Kultur gearbeitet wird und das dies gewollt ist
    Position für die Projektziele beziehen, wenn sie Klagen über das Projektteam oder die Vorgehensweise hören.
  • Konfliktumleitungsversuche erkennen, diese ansprechen und klären.
  • kontinuierlich mit allen für das Projekt relevanten Stakeholdern kommunizieren, etwa Management-Kollegium, Anteilseignern, Arbeitnehmervertretern, Mitarbeitern, mittlerem Management, usw.

Hier gilt die Regel: Wenn Sie denken, Sie haben genug kommuniziert, verdreifachen Sie Ihren Kommunikationsaufwand. Das wird dann gerade so ausreichen.

Kauf eins, friss zwei!

Mit Unternehmenskulturprojekten sind somit viel Energie und Zeitaufwand verbunden. Und es gilt, sich von manch’ lieb gewonnenen Gewohnheiten und Denkmustern zu verabschieden. Daher kommt es zu Konflikten, die es zu verhandeln und klären gilt, um eine Unternehmenskultur trotz starker Beharrungskräfte erfolgreich neu auszurichten.

Ganz nebenbei entwickelt sich gerade deshalb auch die interne Konfliktkultur, das Konfliktmanagement wird besser. Denn die ausgetragenen Konflikte werden live durchlebt, geteilte Erfahrung im Unternehmen und nicht aus Seminar-Rollenspielen reproduziert.

Kulturprojekte verschaffen Chefs daher nicht nur die Möglichkeit, ihre mittel- und langfristigen Unternehmensziele zu erreichen, zugleich verbessern sie die Kommunikation und Kooperation und mehr wechselseitiges Vertrauen entsteht. Im Ergebnis erhöht sich in der Folge die Effizienz der Arbeitsprozesse.

Hier geht es zu Teil I und II der Reihe:

Unternehmenskultur: Fehler frühzeitig erkennen! (Teil I)
Unternehmenskultur: Mit einem internen Projekt die Glaubwürdigkeit stärken (Teil II)

Frank Baumann-Habersack

Frank H. Baumann-Habersack ist geschäftsführender Gesellschafter der systemischen Organisationsberatung baumann.partner. Neben Führungs-, Konflikt- & Veränderungsthemen gehört die Gestaltung von Unternehmens- wie Führungskulturen zu den Kernkompetenzen. Baumann-Habersack ist Betriebswirt (B.A.) und Arbeitswissenschaftler, Bankkaufmann, Lehrcoach sowie ausgebildet in NLP, systemischer Familientherapie und Supervision. Im Frühjahr 2015 erscheint sein Buch: „Mit neuer Autorität in Führung“.

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