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Führungskräfte sind überfordert

Dies ist ein richtiger Ansatz, der jedoch unter den gegebenen Rahmenbedingungen bei den oft ohnehin an der Belastungsgrenze arbeitenden Führungskräften zu einer weiteren Mehrbelastung führt. Denn zum einen sind sie selbst nicht hinreichend für diese Aufgabe qualifiziert, und zum anderen sehen sie sich vielfach mit Mitarbeitern konfrontiert, die

  • weder das Bewusstsein verinnerlicht haben, dass sie ihre Kompetenz kontinuierlich weiterentwickeln müssen, um gute Mitarbeiter (und somit beschäftigungsfähig) zu bleiben,
  • noch über die Kompetenz verfügen, die aufgrund veränderter Anforderungen bei ihnen entstehenden Lern- und Entwicklungsbedarfe zu erkennen,
  • noch über die Kompetenz und/oder Bereitschaft, erkannte Lern- und Entwicklungsbedarfe selbstständig zu befriedigen.

Die Folge: Die Führungskräfte müssen im Arbeitsalltag nicht nur viel Überzeugungsarbeit leisten. Sie müssen auch mit Widerständen kämpfen. Und immer wieder müssen sie korrigierend und unterstützend eingreifen, weil die erbrachte Leistung nicht mehr den Kundenanforderungen entspricht. Oder anders formuliert: Das Streben nach einer kontinuierlichen Kompetenz- und somit Qualitätsverbesserung stellt bei ihren Mitarbeitern noch keinen stabilen Prozess dar. Er muss stets aufs Neue angestoßen werden, was viel Zeit und Energie seitens der Führungskräfte erfordert und ihr Gefühl des Überlastetseins forciert.

Lean Leadership: ein potenzieller Lösungsweg

Diesen Zusammenhang hat eine Reihe von Unternehmen erkannt. Deshalb stellen sie neben ihren Führungskräfteentwicklungs- auch ihre Personalentwicklungskonzepte grundlegend in Frage und feilen an neuen Konzepten, um dieses Dilemma zu lösen. Dabei orientieren sie sich zunehmend an den Grundmaximen des Lean Leadership-Development-Modells.

Dieses Modell unterscheidet in der Kompetenzentwicklung von Führungskräften vier Stufen.
Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln: Dahinter steckt die Annahme, dass künftig eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, das eigene Verhalten und Wirken zu reflektieren und die eigene Performance systematisch zu erhöhen.

Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln: Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und ihr Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren.

Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen: Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen, Bereiche) in eine Richtung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu sichern.

Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen: In die letzte Entwicklungsstufe sind idealerweise alle Führungskräfte und die gesamte Organisation eingebunden. Nun geht es darum, das „Silo-Denken“ zu überwinden und alle Aktivitäten so aufeinander abzustimmen, dass die übergeordneten Unternehmensziele erreicht werden.

Auf dem Weg zur lernenden Organisation

Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, versprechen sich die Unternehmen, dass sich die Innovationskraft ihrer Organisation erhöht; des Weiteren, dass sie sukzessiv zu einer Entlastung der Führungskräfte führt – und zwar in dem Maße wie ihre Mitarbeiter die Kompetenz entwickeln, eigenständig ihr Verhalten und Wirken zu reflektieren und sich zu entwickeln. Insofern sehen die Unternehmen hierin auch eine Maßnahme, einem Burn-out, der vielen Führungskräften droht, entgegenzuwirken. Denn eine Fiktion ist es, darüber sind sich alle Personalverantwortlichen einig, anzunehmen, dass der Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen und somit ihren Mitarbeitern lastet, in den kommenden Jahren sinkt. Also gilt es die Resilienz, sprich die Fähigkeit der Mitarbeiter, mit dem Druck umzugehen, zu erhöhen – jedoch nicht wie in der Vergangenheit dadurch, dass ihnen ein, zwei Stressmanagement-Seminare oder vergleichbare Work-Life-Balance-Angebote unterbreitet werden.

Ein solcher Ansatz greift zu kurz, das haben inzwischen viele Unternehmen erkannt. Zentrales Ziel muss es vielmehr sein, den Mitarbeitern das Bewusstsein zu vermitteln, dass die Notwendigkeit, sich zu verändern beziehungsweise regelmäßig die eigenen Denk- und Handlungsmuster zu überdenken, ein integraler Bestandteil nicht nur des Arbeitsalltags ist; des Weiteren ihnen das Selbstbewusstsein zu vermitteln „Irgendwie schaffe ich …“ beziehungsweise „… schaffen wir das schon“, so dass sie, wenn sie vor neuen Herausforderungen stehen, nicht in eine Schockstarre verfallen, sondern
diese eigeninitiativ angehen und sich eigeninitiativ die erforderlichen Kompetenzen aneignen, um auch künftig gute Mitarbeiter zu sein und Qualität zu produzieren.

Je mehr die Mitarbeiter hierzu bereit und fähig sind, umso stärker werden auch ihre Führungskräfte entlastet, da sie seltener korrigierend, steuernd und unterstützend eingreifen müssen. Und das Unternehmen? Es hat seine Innovationsfähigkeit und -kraft und somit Wettbewerbsfähigkeit erhöht, da es sich zu einer lernenden Organisation entwickelt hat.

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Dr. Daniela Kudernatsch

Dr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions in Straßlach bei München, die Unternehmen beim Umsetzen ihrer Strategie im Betriebsalltag unterstützt. Sie beschäftigte sich als eine der Ersten im deutschsprachigen Raum mit der Balanced Scorecard und war in mehr als 60 Unternehmen an Strategieumsetzungsprojekten beteiligt. Sie ist Autorin mehrerer Fachbücher zum Thema Strategieumsetzung (Tel.: +49 (0)8170. 9 22 33; Mail: info@kudernatsch.com).

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