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Mitarbeitern fehlt Gefahrenbewusstsein

Die Beispiele zeigen: Die Mitarbeiter entwickeln sich zur neuen Kommunikationsdrehscheibe mit der Außenwelt, und sie haben mehr Kommunikationsmacht als früher. Und mancher (Ex-)Mitarbeiter wird diese Macht künftig auch aktiv gebrauchen. Als Folge davon wird künftig manch Anekdote, die bisher nur die Mitarbeiter eines Unternehmens kannten, rasch an die Öffentlichkeit dringen. Denn in größeren Unternehmen gibt es stets einen (Ex-)Mitarbeiter, der „denen da oben“ mal eins auswischen möchte. Entsprechendes gilt für gescheiterte Projekte. Auch hierüber dringen heute bereits viel häufiger und schneller Informationen an die Öffentlichkeit als noch vor wenigen Jahren. Nicht nur, weil die Unternehmen stärker als früher zum Beispiel im Bereich Forschung und Entwicklung mit anderen Unternehmen kooperieren, sondern auch weil Mitarbeiter im Online-Kontakt mit ihren „friends“ oft unbewusst Firmeninterna ausplaudern. Häufig genügen den Konversationspartnern zwei, drei Detailinformationen, und sie können, wenn sie vom Fach sind, hieraus die erforderlichen Schlüsse ziehen.

Viele Unternehmen haben sich noch keine Gedanken gemacht, wie sie mit der veränderten Kommunikationssituation umgehen sollen, und reagieren mit herkömmlichen Mitteln. Sie dehnen die bestehenden Richtlinien, die festschreiben, wer welche Informationen bekommen und an wen weitergeben darf, auf die sozialen Netze aus. Dabei übersehen sie, dass die größte Gefahr von der Online-Kommunikation ausgeht, die die Mitarbeiter als Privatpersonen und oft unter Pseudonym führen. Sie sperren gewisse Web-Seiten und Online-Plattformen für die Mitarbeiter und übersehen dabei, dass die meisten von ihnen ein Smartphone in der Tasche haben, mit dem sie jederzeit die gesperrten Seiten besuchen können. Und: Sie haben, wenn es um die „Informationslecks“ geht, primär (Ex-)Mitarbeiter vor Augen, die sich am Unternehmen rächen wollen. Dabei geht die größte Gefahr von eigentlich loyalen Mitarbeitern aus, die sich zum Beispiel in Expertenportalen mit digitalen „friends“ austauschen und diesen ohne entsprechendes Gefahrenbewusstsein die fehlenden Teile des Informationspuzzles geben.

Management muss sich mit dem Thema befassen

Ausgereifte Konzepte, wie Unternehmen mit dieser veränderten Lage umgehen sollten, gibt es noch nicht – weil die sozialen Medien noch recht jung sind und sich durch die starke Verbreitung von mobilen Geräten die Kommunikations-Rahmenbedingungen erneut stark wandeln. Topmanagern sollte jedoch klar werden, dass sich die Grenzen zwischen interner und externer Kommunikation zunehmend auflösen. Sie müssen zudem begreifen, dass ihre Mitarbeiter heute mehr Kommunikationsmacht als früher haben. Entsprechend wichtig ist es in einem zweiten Schritt, den Mitarbeitern bewusst zu machen, welche Macht und Einflussmöglichkeiten sie heute besitzen und wie genau sie folglich, bevor sie Infos verbreiten, analysieren müssen, mit wem und über welche Kanäle sie sich austauschen.

Sich damit zu befassen, ist nicht nur notwendig, um Schaden von den Unternehmen abzuwenden, sondern auch um zu verhindern, dass diese zunehmend erpressbar werden – zum Beispiel durch enttäuschte (ehemalige) Mitarbeiter. Dabei muss es sich keineswegs um die klassischen Geheimnisträger handeln. Eine mindestens ebenso große Gefahr geht von den Mitarbeitern aus, die aufgrund ihrer jahrelangen Arbeit für das Unternehmen dessen Schwachstellen (zum Beispiel im Qualitäts-Management) und ausreichend „Anekdoten“ kennen, um eine Empörungswelle auszulösen.

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Dr. Georg Kraus

Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die fast 50 Trainer, Berater und Coachs arbeiten. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist Autor des Change Management Handbuch sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.

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