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Was sind die Stärken eines Ingenieurs? Er versteht komplexe Zusammenhänge, analysiert präzise und sieht in Hindernissen eine Herausforderung zum Tüfteln – soweit würden viele Unternehmen wohl zustimmen. Eignet er sich als Führungskraft? Nein! Die meisten Unternehmen trauen ihren Ingenieuren kaum Führungsaufgaben zu und holen deshalb lieber fachfremde Führungskräfte ins Haus. Diese jedoch werden von Mitarbeitern weniger akzeptiert und brauchen oft immense Einarbeitungszeiten.

Ganz anders sieht das Birgit Szillat: Bereits seit über zehn Jahren erarbeitet Sie mit Kunden Programme, um aus den eigenen Ingenieuren Führungskräfte zu machen. Die Beraterin erläutert, warum sie sich ganz bewusst für die systematische Ausbildung von Ingenieuren und technischen Fachkräften zu Führungskräften entschieden hat, vor welchen Herausforderungen sie stand und wie erfolgreich ihre Projekte waren.

Viele Unternehmen stehen Ingenieuren als Führungskräfte noch recht kritisch gegenüber. Gängiger ist der Ansatz, Führungskräfte extern zu suchen und bei Bedarf technisch zu schulen. Was hat Sie dazu bewegt, das Pferd von hinten aufzusatteln?

Birgit Szillat: Die Suche nach qualifiziertem Führungspersonal von extern gestaltet sich meist als schwierig, aufwändig und kostenintensiv. Ein firmeneigenes Ausbildungsprogramm ermöglicht die konkrete Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Ingenieure und Techniker, aber vor allem die des Unternehmens. Zudem haben sie gegenüber kaufmännischen Kollegen zwei Vorzüge im Gepäck: Erstens sind Ingenieure von Natur aus an konstruktiven Problemlösungen interessiert, nicht an taktisch-strategischen Spielen. Zweitens schätzen sie die Leistungen und inhaltlichen Beträge ihrer Mitarbeiter anders, denn sie sind es gewohnt, Lösungen im Team zu finden. Das motiviert ganz anders. Zudem haben die meisten technischen Unternehmen einerseits einen hervorragende, aber in dieser Hinsicht ungenutzten Mitarbeiterpool, zum anderen erwarten die Kunden solcher Unternehmen fundierte technische Kenntnisse. Also müssen auch die meisten Führungspositionen durch Mitarbeiter mit entsprechend technischem Know-how besetzt sein.

Seit nunmehr elf Jahren bildet Birgit Szillat bei der AVL List GmbH als Trainerin und Beraterin Ingenieure zu Führungskräften aus. Erfahren Sie mehr über Birgit Szillat unter www.hrd-hamburg.de

Sie sprechen von Vorzügen. Aber was sind Hindernisse in der Ausbildung von Ingenieuren als Führungskräfte bzw. was fordert die Teilnehmer besonders heraus? Sind dadurch in der Konzipierung des Programmes andere Maßstäbe zu beachten?

Birgit Szillat: Ohne zu sehr in Klischees zu sprechen: Techniker und Ingenieure arbeiten anders, sie denken anders, sie gehen anders an Problemstellungen heran. Sie betrachten Dinge nüchtern und sachlich und bringen sie damit schnell auf den Punkt. Eindeutig regelbare Prozesse, berechenbare Resultate und logische Abfolgen sind ihre Materie. All das finden sie bei zwischenmenschlichen führungsbezogenen Situationen nicht. Trotzdem bleibt zu betonen, dass Ingenieure hervorragende Führungskräfte sein können, mit angepassten Führungstrainings und einem Verständnis für ihre Denkweise. Dort müssen wir ihnen entgegenkommen und sie in ihrer Welt und ihrem naturwissenschaftlichen Verständnis abholen. Das bedeutet, ihnen den Zugang zu Themen, mit denen sie sich vielleicht schwerer tun, zu erleichtern. Ganz konkret fällt vielen Ingenieuren das Delegieren schwer oder sie können nicht einschätzen, welcher Führungsstil wann und wem gegenüber angemessen ist.

Während Ingenieure und Techniker mit Zahlen und Werten wie selbstverständlich jonglieren, fehlt ihnen oft in der Kommunikation oder im Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten die Expertise. Dadurch tun sich Techniker oft schwer, erste Schritte in Richtung Führungskraft zu gehen. Im Kern der Seminare stehen die konkreten Problemfelder wie Kommunikation, Delegation oder verschiedene Führungsstile. Diese werden immer wieder auf die Teilnehmer- aber auch Unternehmensbedürfnisse abgestimmt.

Hand aufs Herz – sind alle Ingenieure als Führungskräfte geeignet? Und wie gut integrieren sich die Techniker und Ingenieure zwischen den klassischen, kaufmännischen Anführern?

Birgit Szillat: Unsere Seminare richten sich an Entwicklungsingenieure in ihrer ersten Führungsposition, ganz gleich ob sie sich für eine Führungs- oder Fachkarriere entscheiden. Nach der Ausbildung haben sie jedoch zumindest fachlich die Wahl. Grob geschätzt haben in den meisten Unternehmen etwas weniger als die Hälfte der Ingenieure das Potenzial zu hervorragenden Führungskräften, etwa ein Drittel ist grundsätzlich geeignet und der Rest ist für eine Fachkarriere prädestiniert. Der Anteil technischer Tätigkeiten nimmt mit der Höhe der Führungsebene zu Gunsten der Management-Aufgaben sukzessive ab. Viele Mitarbeiter entdecken dann eine neue Leidenschaft für die Zusammenarbeit und Entwicklung von Mitarbeitern und den Umgang mit zwischenmenschlichen Dynamiken. Als Entwicklungsingenieur bleibt der technische Hintergrund jedoch schon durch regelmäßige Fortbildungen ein wesentlicher Unterschied zu den kaufmännischen Kollegen.

Bei der Entwicklung solcher Programme seit über zehn Jahren drängt sich die Frage der Aktualität von Inhalten auf. Wie regieren Sie auf einschneidende Ereignisse in Politik und Wirtschaft? Was passen Sie an?

Birgit Szillat: Jedes Unternehmen, mit dem ich zusammenarbeite, hat seine eigenen, spezifischen Ansprüche und Bedürfnisse, deshalb ist das Basisseminar bewusst variabel konzipiert. Klassische Führungsthemen besetzen etwa zwei Drittel der Inhalte, während sich rund ein Drittel aktuellen Anforderungen und Führungssituationen widmet. Auch auf strategische Themen wie Expansion und Internationalisierung kann so bei Bedarf eingegangen werden.

Trotz des jahrelangen Erfolges: Wird es Zeit für etwas Neues? Oder planen Sie sogar schon ein Nachfolgeprogramm?

Birgit Szillat: Innovation und Weiterentwicklung sind für mich Grundsteine meiner Arbeit, das gilt vor allem in der Mitarbeiterförderung. Natürlich prüfe ich das Konzept des Führungskräfteseminars für Ingenieure regelmäßig kritisch auf Verbesserungspotenzial und passe es entsprechend an. Allein durch neue Kooperationen geschieht das fast schon automatisch. Ein allgemeingültiges Konzept gibt es ohnehin nicht, jedes Unternehmen hat spezifische Ansprüche. Inzwischen gibt es auch weitere Aufbauworkshops, die zur Vertiefung des Gelernten dienen und sehr positiv angenommen werden.

(Bild: © iStockphoto.com)

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unternehmer.de ist das Wissensportal für Fach- und Führungskräfte im Mittelstand, Selbständige, Freiberufler und Existenzgründer.

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