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Für viele klassische Moderationen gilt: Sie sind auf den Moderator fokussiert. Anders ist dies bei der Dynamischen Moderation. Hier ist der Moderator ein reiner Unterstützer. Und im Zentrum stehen die Teilnehmer sowie das Thema.

Die ersten Teilnehmer treffen ein. Überrascht blicken sie sich in dem über 200 Quadratmeter großen Raum um. In ihm stehen keine Tische, denn sie würden die Interaktion, Choreografie und freie Gedankenentfaltung stören. Stattdessen wurden die Wände mit Moderationstafeln ausstaffiert. Zudem wurden im Raum mehrere Flipchart-Inseln inszeniert. Und in dessen Mitte ist ein Stuhlkreis arrangiert.

Der Moderator begrüßt jeden eintreffenden Teilnehmer per Handschlag und stellt ihn den bereits anwesenden Personen als weiteren Mitstreiter vor. Aus dem Vorgespräch mit dem Auftraggeber weiß er: An dem heutigen Workshop werden 16 mittlere Führungskräfte aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen teilnehmen, die sich zum Teil nicht kennen. Sie sollen mit der Dynamischen Moderation eine neue Moderationstechnik erlernen, um die für Besprechungen benötigte Zeit zu reduzieren. Zudem sollen die Qualität der Besprechungsergebnisse und deren Umsetzung verbessert werden.

So lautete der Auftrag, den der Moderator erhielt. Doch die Teilnehmer sind mit teils anderen Erwartungen und Zielsetzungen als ihr Arbeitgeber angereist. Deshalb gibt es für die geplante Dynamische Moderation keine vorgefertigte Agenda. Dies soll gemeinsam erarbeitet werden. Die gesamte Moderation ist sozusagen ein ergebnisoffener Prozess aber mit einer präzisen Zielausrichtung.

Aus Teilnehmern werden Akteure

„Warum sind Sie heute hier, und was erwarten Sie von mir als Moderator?“, fragt der Moderator die Teilnehmer, nachdem er sie nochmals offiziell begrüßt hat. So klärt er zunächst den Auftrag mit den Teilnehmern. Zugleich erhält er einen Einblick in ihre Vorerfahrungen. Im Gegenzug teilt er den Teilnehmern seine eigenen Wertvorstellungen mit. Außerdem erläutert er ihnen kurz die Kernprinzipien der Dynamischen Moderation, den Prozess heute und seine Erwartungen an die Gruppe.

Dieser Initial-Check ist ein wichtiges Ritual bei jeder Dynamischen Moderation. Er dient dazu herauszufinden, ob die Gruppe und der Moderator zusammen arbeiten können und wollen. So werden gleich zu Beginn Widerstände offenbar sowie Zweifel und Unsicherheiten benannt. Sind diese bekannt, können Möglichkeiten kreiert werden, damit umzugehen und so Teilnehmer mit einer Besucherhaltung noch ins Boot zu holen.

Nachdem ein Commitment über die Zusammenarbeit erzielt ist, leitet der Moderator den eigentlichen Workshop ein – zum Beispiel mit den Worten: „Eine dynamische Gruppen-Moderation gleicht einem Ritt auf einem wilden Tiger. Selbst wenn Sie gut vorbereitet sind, wissen Sie nie genau, worauf Sie sich einlassen werden. Denn Sie kennen weder Ihre Reaktionen auf die Gruppe, noch deren Reaktion auf Sie. Und Sie kennen die Reaktionen der Teilnehmer untereinander nicht, und noch weniger können Sie die Wechselwirkungen, die durch das Zusammenspiel entstehen, einschätzen. Sie verfügen eventuell über eine gewisse intuitive Wahrnehmung – doch mehr nicht. Also sind Sie als Moderator einer Dynamischen Moderation gefordert, bewusst alles zu geben: emotional, intuitiv, mental und physisch. Vertrauen Sie dem Prozess. Denn für diesen sind Sie verantwortlich!“

Eigenverantwortlich für die Ergebnisse

Ein Unterschied der Dynamischen Moderation zu den klassischen Moderationsmethoden ist: Die Teilnehmer visualisieren und dokumentieren die Ergebnisse ihrer Arbeit überwiegend selbst. Der Moderator fördert primär die selbstorganisierenden Kräfte, den Dialog und die Eigenverantwortung. Der gesamte Prozess ist sozusagen teilnehmerzentriert statt „moderator-fokussiert“.

Nachdem der Moderator die Grundprinzipien der Dynamischen Moderation erklärt hat, lädt er die Teilnehmer ein, in Kleingruppen ihr Verständnis der Moderatorenrolle zu klären. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit malt er mit einem breiten Marker ein Oval mitten auf eine Pinnwand und schreibt „Rolle“ hinein. An das Oval dockt er zwei Halbkreise an und schreibt unten „bekannt“ und oben „neu“ hinein. Mit Hilfe der Zurufabfrage dokumentiert er anschließend zunächst die Ergebnisse bei „bekannt“. Anschließend ergänzt er die spezifischen Rollenmerkmale des dynamischen Moderators bei „neu“:

  • taucht in den Gruppenprozess ein, ohne daran teilzuhaben,
  • anerkennend, wertschätzend (was bereits vorhanden ist),
  • hält den Raum, damit neue Möglichkeiten „auftauchen“ können, (möglichkeitsbildend),
  • aufmerksame Wahrnehmung (sehen, fühlen, intuieren),
  • unterstützt die Teilnehme durch Fragen, den Kern ihres Anliegens auszudrücken.

Ganz nebenbei lernen die Teilnehmer bereits die ersten beiden Teilschritte der dynamischen Visualisierung als Ersatz der üblichen Kartenabfrage kennen.

Das methodische Vorgehen

Die Methode ist im Prinzip genial einfach, und der übliche Moderationsablauf wird – abhängig vom Thema und Ziel – sogar noch verkürzt, da Teilschritte der klassischen Moderation entfallen. Die Visualisierung erfolgt ähnlich wie bei einer Mind-Map, aber so komprimiert, dass die übliche Baumstruktur entfällt und dadurch das Thema fokussiert wird. Alle sieben Kernarbeitsschritte wie

  • Aufgabe definieren,
  • Arbeitspakete differenzieren,
  • relevante Inhalte sammeln,
  • Arbeitsschritte priorisieren,
  • Rangfolge der priorisierten Arbeitsschritte bestimmen,
  • Lösungsvorschläge dazu einbringen und
  • die Verantwortlichkeiten der Umsetzung (wer macht was mit wem bis wann?) festlegen,

werden zentral visualisiert.

Anders als bei der klassischen Moderation werden die Teilnehmer bei der Dynamischen Moderation nicht durch die übliche Kartenabfrage instrumentalisiert und auf einen linear-kausalen Problemlösungsstrang reduziert. Stattdessen erlaubt der möglichkeitsoffene (und gehirngerechtere) Ablauf den Teilnehmern auch sprunghaftes Denken und eröffnet ihnen Möglichkeiten, ihr ganzes Potenzial einzubringen.

(Bild: © iStockphoto.com)

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Thomas Müllenholz

Thomas Müllenholz ist Partner im Leadership Development-Institut der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist auf die Themenfelder Führungskräfteentwicklung sowie Changemanagement spezialisiert. Kontakt: thomas.mullenholz@kraus-und-partner.de, Tel.: 07251/989034.

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