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Coaching ist eine Methode, die es demjenigen, der ein Problem hat, ermöglicht, dieses selbst und selbstverantwortlich zu lösen. Zügig, zielfokussiert und zukunftsorientiert. Dies zieht eine klare Grenze zwischen Coaching und Therapie. Systemisches Coaching richtet sich, im Gegensatz zur Psychotherapie, an „gesunde“ Personen und nicht an Patienten. Menschen mit psychischen Erkrankungen bzw. kleineren oder größeren Beeinträchtigungen der Selbststeuerungsfähigkeit gehören (tatsächlich) ausschließlich in die Hände entsprechend ausgebildeter Therapeuten.

Der Unterschied zwischen Coaching und Therapie

Im Unterschied zu Coaching kann es therapeutisch manchmal von besonderer Bedeutung sein, vermehrt in die Vergangenheit zu schauen oder im Verlauf mehrerer Therapiesitzungen „Übungen“ zu machen und „Hausaufgaben“ zu erledigen. Auch ist die Zeitspanne einer Therapie viel länger als die Arbeitsbeziehung innerhalb eines Coachings und dauert oft über einige Monate.

Coaching braucht also in jedem Fall eine Abgrenzung zu Therapieformen; auch wenn andere Stimmen innerhalb der Coaching-Branche behaupten, dass Coaching und Therapie quasi dasselbe wäre. Auch wenn Grenzen zu verschwimmen scheinen, ist der Coachee nicht Patient und der Coach nicht Therapeut. (Bartels O., Wundsam K.,: Mein erstes Mal. Was Coaching alles verändern kann. Wien, 2011)

Und das ist die wesentliche Information in diesem Kontext. Wann handelt es sich um einen Patienten und wann um einen (Coaching-)Klienten? Das ist und bleibt eine zentrale Frage im Coaching und sie geht Hand in Hand mit der Frage: „Wo liegt die Grenze zwischen gesund und krank?“.

Wir gehen mit dem Salutogenese-Modell und sehen „gesund“ zu „krank“ als Prozess. Der Mensch bewegt sich in seinem Befinden auf einer kontinuierlichen Achse und es gibt vielfältige Ursachen und Auslöser für Krankheit. Der Weg, eine Erkrankung festzustellen, ist in jedem Fall jedoch hoch komplex und bedarf therapeutischer Ausbildung und Erfahrung. Eine sogenannte behandlungsbedürftige Erkrankung zu diagnostizieren, sollte deshalb in jedem Fall in den Händen von dafür ausgebildeten Experten und Therapeuten liegen.

Der Unterschied zwischen Coaching und Expertenratschlag

Eine weitere klare Grenze des Coachings liegt überall dort, wo jemand einen Expertenratschlag braucht oder sucht. Wollen Sie den Turm von Pisa sehen, dann sollten Sie kein Ticket nach London buchen. Befinden Sie sich zum Zeitpunkt der Buchung in einem Reisebüro, dann erwarten Sie, dass der (Reise-)Experte sie berät und sie darauf hinweist, dass sie in London vergeblich nach dieser Sehenswürdigkeit suchen werden. Hier hilft nur eine Experteninformation und eben keine Coachingfrage, wie z.B.: Woran erkennen Sie, dass Sie sich auf dem richtigen Weg befinden, den Turm von Pisa zu besichtigen?

Coaching ist auch dann fehl am Platz, wenn Menschen Begleitung, Verständnis und Mitgefühl suchen. Jemand leidet und benötigt (oder will) im Augenblick selbst (noch) gar keine Lösung des Problems. Der Mensch möchte vielleicht trauern. Er möchte den Verlust oder die Trennung „beweinen“ oder sich wegen einer tiefen Enttäuschung sein Herz ausschütten. Hier müssen Coaching-Fragen scheitern und sind völlig unangemessen, wenn nicht sogar übergriffig. Manchmal wollen wir Menschen nur traurig, enttäuscht oder wütend sein. Und das ist dann auch gut so.

Zu guter Letzt: die berühmt-berüchtigte Chemie! Diese „Chemie“ existiert natürlich auch in der Arbeitsbeziehung zwischen einem Coach und seinem Coaching-Klienten. Sie ist ein zentrales Element für den Kontakt und für die Arbeitsfähigkeit innerhalb des Gesprächs. Und sie kann das Ergebnis teilweise erheblich mit beeinflussen.

Es geht um die sensible Beziehung – um das „Dazwischen“ – zweier Menschen und das dabei vorherrschende Vertrauen. Die wichtige Frage ist: Kann ich als Coaching-Klient bei meinem Gegenüber darauf vertrauen, dass ich von ihm angenommen und 100%ig wertgeschätzt werde? Vertraue ich meinem Coach und kann ich mich in der Arbeit mit ihm oder ihr ganz und gar auf mich selbst konzentrieren? Nur wenn sich der Klient wohl und sicher fühlen kann, kann er oder sie alle Ressourcen und Kompetenzen abrufen und kreativ arbeiten.

Weitere Artikel dieser Serie:

Die Coaching-Serie (Teil I): Was ist Coaching überhaupt?
Die Coaching-Serie (Teil III): Coaching vs. Psychotherapie

(Bild: © ioannis kounadeas – Fotolia.de)

Dr. Kerstin Wundsam

Dr. Kerstin Wundsam ist als Fachbuchautorin, systemische Beraterin, Trainerin und Coach tätig und begleitet Führungskräfte aller Hierarchieebenen sowie Teams in komplexen Situationen und Veränderungsprozessen. Als Referentin konzipiert sie Trainings und Seminare (u.a. zu den Themen Leadership, Systemisches Coaching und Konfliktmanagement). Sie ist Co-Autorin des Buches "Mein erstes Mal. Was Coaching alles verändern kann" (Wien, 2011). Weitere Informationen erhalten Sie unter: info@kerstin-wundsam.de

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