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Fotolia_29676638_XS.jpgViele tun es: Sie führen ihren Chef! Manchmal unbewusst, manchmal planvoll und absichtlich. Für das Unternehmen und die betroffene Führungskraft ist das ein Desaster. Wie es zum Führen von unten kommt und was sich dagegen unternehmen lässt, erklärt Führungskräftecoach Julia Raddatz.

Wenn Mitarbeiter ihre Chefs führen, tun sie dies in den meisten Fällen nicht etwa aus Vergnügen oder Geltungsdrang, sondern weil ihre Abteilung sonst in Handlungsunfähigkeit erstarren würde. Der Grund: Ihr Chef trifft längst besprochene Entscheidungen nicht – mit der Folge, dass fertige Konzepte in der Schublade verstauben und nichts voran geht.

Unfähig, Entscheidungen zu treffen

Dass Vorgesetzte unfähig sind, Entscheidungen zu treffen, ist in Unternehmen verbreitet. Wie Kate Marlow übernehmen daher immer mehr Mitarbeiter die Führungsaufgabe und verhelfen ihrem Chef zu einer guten Entscheidung, indem sie diese optimal vorbereiten und intern absichern. Das Problem auch für das Unternehmen: Die Zeit, die diese Mitarbeiter für die Führung ihres Chefs aufwenden müssen, fehlt ihnen für ihre eigentlichen Aufgaben. Außerdem verlieren sie auch den Respekt und die Achtung vor ihren Chefs. Sie empfinden nämlich dessen Entscheidungsunfähigkeit als Inkompetenz und Schwäche, sein Absicherungsverhalten als politisches „Es-jedem-recht-machen-wollen“. Außerdem: Erfüllt ein Vorgesetzter nicht seine Pflichten, macht sich und seine gesamte Abteilung angreifbar, gefährdet er seine Mitarbeiter.

Chefs, die spüren, dass sie von unten geführt werden, sollten schleunigst aktiv werden und ihre Führungskraft stärken. Dazu gilt es zunächst, ihr Führungsverständnis zu überprüfen. Methoden und Instrumente zur Mitarbeiterführung sollten intensiv eingeübt werden. Zu empfehlen ist auch, dass sie die Anzahl ihrer „direct reports“ reduzieren und gegebenenfalls eine Zwischenebene einfügen. Dies kann bedeuten, dass Gruppenleitungen etabliert werden, die einen Teil der Führungsarbeit übernehmen.
Aufgaben, die Teile der Führungsarbeit sind, können durchaus delegiert werden, doch dies ist offen zu kommunizieren. Und Chefs sollten auch die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter fördern, schließlich können fähige Mitarbeiter sie besser entlasten. Am besten sucht sich der Chef unter seinen Mitarbeitern eine Vertrauensperson, die bereit ist, ihm ehrliches Feedback zu geben. Bewährt hat sich auch, wenn Vorgesetzte ein gutes Verhältnis zu Kollegen pflegen, mit denen sie Entscheidungen besprechen können. Bei Entscheidungen sollten sie nach dem Pareto-Prinzip handeln, schließlich kann niemand alle Eventualitäten im Blick haben. Das bedeutet auch, dass es normal ist, Fehler zu machen – nur sollte man auch dazu stehen.

„Führende Mitarbeiter“

Im Zweifel empfiehlt sich die Orientierung an Kants Kategorischem Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Mitarbeiter, die sich in dieser gewollt-ungewollten „Führungsübernahme“-Situation sehen, sollten sich die Zeit nehmen, das eigene Tun unter verschiedenen Gesichtspunkten zu reflektieren: Denn als „führender“ Mitarbeiter muss man sich darüber im Klaren sein, dass man nicht nur einen Teil der operativen Aufgabe des eigenen Chefs übernommen hat, sondern auch die moralische und ethische Verantwortung, die damit einhergeht. Daher ist es unerlässlich, die eigenen Motive bei der „Führungsarbeit“ konsequent zu hinterfragen. Egoismus, Machtstreben, Abteilungskonkurrenz oder Geltungsdrang sind hier nur Beispiele, die das eigene Handeln massiv beeinflussen können. Als Leitmotiv der eigenen „Führungsphilosophie“ kann hier nur gelten: „Zum Wohle des Unternehmens und seiner Mitarbeiter.“

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Julia Raddatz

Diplom-Psychologin Julia Raddatz ist in Bornheim nahe Köln/Bonn als Führungskräftecoach, Karriere-, Personal- und Teamentwicklerin tätig. Sie verfügt über fundierte Fachkompetenz, psychologischem Know-how und langjährigen Industrieerfahrungen.

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