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Social Freezing: Gründerin Karina Schönberger über das Einfrieren von EizellenViele Medien haben bereits über das kontrovers diskutierte Thema Social Freezing berichtet. Doch was genau meint der Begriff? Ursprünglich wurde die Methodik für Krebspatientinnen genutzt, die aufgrund der hohen medikamentösen Belastung während einer Chemotherapie ihren Kinderwunsch verschieben mussten.

Social Freezing meint jedoch das nicht aus medizinischen Gründen notwendige Entnehmen von Eizellen, um sie für einen späteren Kinderwunsch bereitzustellen. Social Freezing ist somit ein bewusster Eingriff in die Natur und diese Art von Selbstbestimmtheit facht die Diskussion um Karriere vs. Familienplanung und damit einhergehende moralische Werte erneut an.

Gründerin Karina Schönberger erzählt im Interview ihre Sicht auf die Thematik.

Erfolgreiche Lebensplanung statt Monster-Karrierefrau

Karina Schönberger

Karina Schönberger

unternehmer.de: Karina, wann bist du erstmals selbst auf das Thema Social Freezing aufmerksam geworden?

K. Schönberger: Vor ca. 2 Jahren las ich zum ersten Mal einen Artikel in der Süddeutschen über das Einfrieren von Eizellen. Es ging um eine Regisseurin, die nun Anfang 30 war und ihren Lebenstraum erreicht hatte, einen eigenen Film zu drehen. Sie hatte einen Freund und wollte gern Kinder – nur nicht jetzt.

Sie hatte ihr Leben lang auf diesen Film hingearbeitet und wollte sich voll und ganz darauf konzentrieren, den Kinderwunsch aber auch nicht ganz aufgeben. Das fand ich damals sehr vernünftig und verantwortungsvoll.

unternehmer.de: Viele kritisieren den Begriff, der sich etabliert hat. Was hältst du davon?

K. Schönberger: Der Begriff „Social Freezing“ bezeichnet das vorsorgliche Einfrieren der Eizellen ohne medizinischen Grund wie beispielsweise eine bevorstehende Chemotherapie. Dementsprechend finde ich den Begriff an sich passend gewählt. Ich denke, dass sich die Kritik viel mehr auf die Tatsache bezieht, dass es eben keinen medizinischen Grund für das Einfrieren gibt.

unternehmer.de: Wie kam es letztlich zu dem Entschluss, selbst diesen Schritt zu gehen?

K. Schönberger: Nunja, hätte man mich mit Anfang 20 gefragt, wie meine Lebenspläne aussehen, hätte ich sicher geantwortet, dass ich gern eine junge Mama wäre. Mitte oder Ende 20 – das hätte ich mir gut vorstellen können.

Nun spielt das Leben aber nicht immer so, wie man es sich ausmalt.

Mit 23 habe ich mein eigenes Unternehmen gegründet, das ich mit vollster Leidenschaft und Herzblut führe und einen Partner für einen solchen Schritt gibt es momentan nicht in meinem Leben. Was mir aber dennoch sehr klar ist: ich will unbedingt Kinder kriegen, am liebsten 2 oder 3.

Es geht gar nicht unbedingt darum, dass ich ein eigenes Start-Up habe, denn ich bin der festen Überzeugung, dass man auch Arbeit und Kind unter einen Hut kriegen kann.

Mir ist es auch ganz wichtig, dass ich nicht als Monster-Karrierefrau dargestellt werde, die den Wunsch nach einer Familie hinter die Karriere stellt. Wie gesagt, ich könnte auch beides gleichzeitig ziemlich gut. Aber momentan fühle ich mich einfach nicht bereit, Kinder in die Welt zu setzen.

Das hat sicher auch viel damit zu tun, dass ich den richtigen Partner noch nicht gefunden habe. Wenn ich aber nun diesen Menschen finde und mich bereit fühle, eine Familie zu gründen – nehmen wir an, ich bin 35 – und der Arzt sagt mir:

„Es tut mir leid, Karina, ich fürchte, es ist zu spät.“

Davor habe ich große Angst. Ich glaube, dann würde für mich eine Welt zusammenbrechen.

In meiner Familie standen Kinder immer ziemlich im Mittelpunkt und meine Mutter sagte immer „Kinder sind der Sinn des Lebens“. Das würde ich heute nicht ganz so unterschreiben, aber ich glaube daran, dass das Kinderkriegen eine Frau sehr sehr glücklich machen kann.

Und genau aus diesem Grund wollte ich mein Glück nicht dem Schicksal überlassen. Ich wollte einen Plan B haben, falls die Natur irgendwann nicht mehr mit meinen Zukunftsplänen d’accord geht.

Das Interview haben wir auch noch in Druckform!

Niemand ist gleich: Bedenkzeit muss drin sein

unternehmer.de: War dir die Entscheidung gleich klar, oder hattest du auch Bedenken?

K. Schönberger: Natürlich hatte ich auch Bedenken, obwohl ich ziemlich viel von dieser Methode halte. Es ist nach wie vor ein medizinischer Eingriff unter Vollnarkose, bei dem auch Komplikationen entstehen können, wie bei jedem Eingriff.

Zusätzlich unterzieht man sich vorab einer ca. 10-tägigen Hormonbehandlung, bei der man sich selbst 2x täglich eine Spritze in den Bauch geben muss. Auch das machte mich skeptisch, immerhin reagieren vor allem wir Frauen auf Hormone oft sensibel.

Ich hatte Bedenken, ob das alles auch so klappen wird und wir am Ende tatsächlich eine genügende Anzahl von Eizellen gewinnen können.

unternehmer.de: Hast du Tipps zur Entscheidungsfindung?

K. Schönberger: Um mir sicher zu sein, die richtige Entscheidung zu treffen, habe ich mit meinen engsten Freunden und mit meiner Familie gesprochen. Alle waren sich einig: Tu es. Selbstverständlich hatten alle Bedenken und sicher auch die eine oder andere Sorge, aber da der Eingriff relativ unkompliziert ist, rieten mir alle ausnahmslos dazu.

Ich denke, dass es auch daran liegt, dass meine Freunde und Familie mich sehr gut kennen und sich für mich freuen, wenn ich eine Art „Versicherung“ abschließe, die die Chancen erhöht, auch später Kinder zu kriegen, falls es früher nichts wird.

Weiter denken, als die Natur es tut

unternehmer.de: Was sind die Vorteile des Social Freezing für dich?

K. Schönberger: Der Vorteil vom Social Freezing besteht für mich darin, dass man sich eben nicht auf die Natur verlassen muss, um irgendwann einen Kinderwunsch zu erfüllen, sondern es selbst in die Hand nimmt.

Frauen, die im hohen Alter schwanger werden wollen und nicht mehr so einfach können, müssen sich komplizierten Behandlungen unterziehen. Das ist kräfte- und nervenzehrend und ich würde das keiner Frau wünschen.

Dennoch ist Social Freezing für mich persönlich kein Mittel, um meinen Kinderwunsch aufzuschieben, weil ich erst Karriere machen möchte oder mein Leben leben möchte. Momentan sind die Bedingungen einfach nicht gegeben.

Ich sehe aber, dass es für andere Frauen, wie zum Beispiel die Regisseurin, von der ich vorhin sprach, durchaus ein Vorteil ist, um ihre Ziele im Leben zu verwirklichen und dann den Kinderwunsch anzugehen. Das finde ich auch völlig legitim.

Jeder muss diese Entscheidung für sich persönlich treffen.

Eine Entscheidung für Kinder und Familie!

unternehmer.de: Siehst du auch Nachteile oder hattest zunächst moralische Bedenken?

K. Schönberger: Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht auch nur ein Mal moralische Bedenken hatte. Ich meine, es geht hier darum, einen natürlichen Prozess „einzufrieren“ und ein paar Jahre später aufzutauen. Das macht man in der künstlichen Befruchtung schon seit Jahren so, nur eben nicht für einen so langen Abschnitt, sondern nur für Tage, Wochen, Monate.

Bei Krebspatientinnen macht man das seit Jahrzehnten so. Wieso sollte es Frauen ohne medizinischen Grund verwehrt sein, ihren Kinderwunsch timen zu können bzw. sich absichern zu wollen. Mit der Pille machen wir doch nichts anderes. Natürlich ist es ein Eingriff in die Natur, aber die Gesellschaft verändert sich rapide. 40 ist das neue 30 – 30 ist das neue 20 usw.

Frauen werden immer älter Mütter, alles passt sich daran an, außer die Natur.

Für mich ist das Social Freezing eine ganz natürliche Reaktion auf diesen Bedarf. Außerdem denke ich, dass das unserer Geburtenrate in Deutschland auch ziemlich gut tun würde. Was viele Gegner verstehen müssen, ist: Social Freezing ist keine Entscheidung gegen Kinder – ganz im Gegenteil: es ist immer eine Entscheidung für Kinder und eine Familie.

Zwischen Karriere & Familie: Die Sorgen einer Geschäftsfrau

unternehmer.de: Du bist ja nicht nur eine Frau, die einmal Kinder kriegen möchte, sondern auch Geschäftsführerin eines eigenen Unternehmens. Also mal aus einer anderen Perspektive: Was denkst du aus „Gründersicht“ über Social Freezing?

K. Schönberger: Wenn ich einmal die Aspekte und Gedanken als Frau in mir „ausschalte“ und als Geschäftsführerin über Social Freezing nachdenke, ist das sicher eine gute Investition. Ich kann mich länger mit meiner ganzen Hingabe um mein Unternehmen kümmern und später dennoch mit größerer Wahrscheinlichkeit Kinder kriegen und glücklich werden. Ich bin mir sicher, von glücklichen Mitarbeitern profitiert jedes Unternehmen.

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unternehmer.de: Bei Facebook und Apple ist es ja so, dass die Firmen ihren Mitarbeiterinnen eine Menge Geld dafür anbieten, dass sie ihre Familienplanung nach hinten verschieben. Gibt es das bei euch auch?

K. Schönberger: Also was heißt „eine Menge Geld dafür bieten“. Ich denke, dass dies etwas reißerisch ausgedrückt ist. Soweit ich informiert bin, bieten die genannten Unternehmen es an, die Kosten für diese Behandlung zu übernehmen. So klingt es wiederum ganz anders, oder?

Ich persönlich finde das grandios, denn es steht den Frauen immer noch frei, ob sie das Angebot annehmen. Da wären wir wieder beim Thema glückliche Mitarbeiter.

Soweit ich weiß, bieten diese Unternehmen aber auch Kitaplätze, Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen usw. an. Unter diesen Umständen finde ich das sogar sehr löblich, denn ich denke, dass es weniger darum geht, die Frau als Arbeitsmaschine auszunutzen als ihr auch noch später einen Kinderwunsch zu ermöglichen, wenn sie sich:

  • jetzt erst einmal auf die Karriere konzentrieren möchte oder
  • noch nicht den richtigen Partner hierfür hat.

Wichtig ist nur, dass der Arbeitgeber auf Grundlage dessen keine Bedingungen stellen darf. Wenn unsere Firma sich schnell entwickelt und wir viele weibliche Mitarbeiter haben, dann wäre das auch sicher für uns eine Überlegung wert.

Familienplanung nach Timetable

unternehmer.de: Heißt Social Freezing für dich, dass es feststeht, dass du deine Familienplanung nach hinten schieben möchtest? Oder kann sich der Wunsch nach Kindern auch wieder durchsetzen?

K. Schönberger: Absolut nicht. Ich halte es für durchaus möglich, dass ich nächstes oder übernächstes Jahr Mutter werde – vielleicht aber auch erst mit 35. Sag niemals nie. Ich denke, wenn der richtige Partner kommt, dann ist es durchaus möglich, dass sich die Sichtweise ändert.

Wie gesagt, Social Freezing war für mich persönlich auch nie ein Mittel, um die Familienplanung nach hinten zu verschieben. Es ist vielmehr eine Absicherung, dass – wenn ich erst spät Mutter werden möchte, weil ich erst dann den richtigen Partner finde – trotzdem noch gute Chancen habe, schwanger zu werden.

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unternehmer.de: Glaubst du, jedes Unternehmen täte gut daran Social Freezing einzuführen?

K. Schönberger: Wenn es nach mir ginge, würde ich mich freuen, wenn jedes Unternehmen Social Freezing für Mitarbeiter anbieten würde. Es ist jeder Frau selbst überlassen, ob sie es nutzen möchte. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass das Unternehmen daran keine Bedingungen stellt. Ich würde jeder Frau wünschen, die Möglichkeit zu haben, diesen Plan B für die Zukunft nutzen zu können.

30 ist das neue 20!

unternehmer.de: Wie siehst du die Folgen für die Gesellschaft, wenn sich Social Freezing als übliches Modell in Firmen etabliert?

K. Schönberger: Die Geburtenrate in Deutschland würde steigen, weil viel mehr Frauen die Möglichkeit hätten, auch im späten Alter problemloser Kinder zu kriegen. Ich habe viele Freundinnen, die lange studieren mussten, unzählige Praktika machten und erst mit Ende 20 ins “richtige Berufsleben“ einsteigen. Alle davon wollen Mutter werden.

Aber wozu hat man dann so lang studiert und all diese unterbezahlten Praktika auf sich genommen? Das ist der Grund, wieso sich schlussendlich viele Frauen unfreiwillig gegen Kinder entscheiden. Mit Social Freezing könnten genau diese Frauen auch nach 35 einfacher Kinder kriegen.

unternehmer.de: Vielen Dank für das spannende Interview und weiterhin alles Gute!

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qm_1601Wir haben übrigens das Interview für unser Magazin Unternehmer WISSEN geführt. Wenn Sie also noch an einer geballten Power Infos interessiert sind, schauen Sie doch einfach mal bei der neusten Ausgabe vorbei!

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